In einer ersten E-Mail an Nicolas Küpfer, D-Junior des SV Bermatingen, steht schwarz auf weiß: Der junge Kicker hat die Schiri-Prüfung bestanden. Ralf Brombacher, Vorsitzender des Verbandsschiedsrichterausschusses des Südbadischen Fußballverbandes, schreibt: „Ich gratuliere Dir zur bestandenen Prüfung – genaue Infos folgen in den nächsten Tagen – Du bist jetzt offiziell Schiedsrichter des Südbadischen Fußballverbandes!“
Und in einer zweiten E-Mail folgte schließlich das Ergebnis: „Hallo Nicolas, nochmals herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Prüfung, Du hast 59 Punkte erreicht. Ab sofort wirst Du dem Bezirk Bodensee zugeordnet sein...“
App weckt Interesse
Dass ein elfjähriger Fußballer den Ausbildungskurs zum Schiedsrichter mit Prüfung absolviert, ist selten. Nicolas Küpfer ist derzeit einer der jüngsten Schiedsrichter, vermutlich sogar der jüngste weit und breit.
Warum sich Nicolas dafür entschieden hat? Der Elfjährige erzählt: „Angefangen hab‘ ich so vor zwei, eineinhalb Jahren mit einer App – DFB-Schiri-Duell. Da werden einem oftmals Szenen von Live-Fußballspielen gezeigt. Und man muss reagieren, wie man selber reagiert hätte.“ Heißt im Klartext: Es müssen jeweils nach den geltenden DFB-Fußballregeln Entscheidungen getroffen werden.
Gegen Papa gespielt und dazugelernt
„Ja, und es gibt Fragen aus dem Schiedsrichterbereich oder auch zu Hallenfußball und die muss man möglichst immer richtig beantworten“, ergänzt der Kicker. „Am Anfang habe ich gegen Papa gespielt und noch oft verloren, aber so 800 Punkte bei 13 Fragen habe ich eigentlich immer geschafft.“ Vater Karsten Küpfer, Jugendleiter beim SV Bermatingen und seit vier Jahren als Schiedsrichter aktiv, nickt. „Ja, er wurde schnell immer besser.“
Nicolas hat seinen Vater begleitet, bei Schiri-Tätigkeiten beobachtet und ab und zu mit Hilfstätigkeiten unterstützt. Auch habe er das eine oder andere Bambini-Spiel pfeifen dürfen. Und recht bald reifte der Entschluss: Nicolas will Schiri werden. „Da hab‘ ich dann gewusst, das macht mich auch an, das will ich machen.“
Noch immer Schiedsrichtermangel
Eigentlich verlangt der Südbadische Fußballverband ein Mindestalter von 13 Jahren, falls sich jemand entscheidet, sich zum Schiedsrichter ausbilden zu lassen. Laut Karsten Küpfer herrscht Schiedsrichtermangel. Die Anzahl der Schiris sei in den vergangenen zehn Jahren um rund 25 Prozent gesunken. „Das ist überall so.“ Dies sei mit ein Grund gewesen, die Altersgrenze zu senken.
Brombacher gibt Okay für Nicolas‚ Teilnahme an Online-Lehrgang
Jedenfalls kontaktierte der Papa den Vorsitzenden des Verbandsschiedsrichterausschusses des Südbadischen Fußballverbandes, Ralf Brombacher. Das sei im März gewesen, als schon absehbar war, dass es wegen des Corona-Lockdowns keinen Präsenzunterricht für die Schiedsrichterausbildung geben wird. Und Brombacher gab das Okay für Nicolas‚ Teilnahme an einem Online-Lehrgang.
Unterricht mittels Videokonferenzen
Es folgte eine E-Mail mit Zugangslink. Die Online-Ausbildung startete am 20. April. Etappenweise wurden die Lerninhalte in Vorbesprechungen auf zwölf Termine verteilt. Dazwischen hieß es für Nicolas, schrittweise alle Regeln zu pauken. In Summe 17 Regeln, teils mit zahlreichen Unterpunkten, die in einem Handbuch des DFB „Fußball-Regeln 2019/2020“ auf mehr als 150 Seiten stehen.

Welche Regel am schwersten zu lernen sei – womöglich das Abseits? Nicolas winkt ab. Nein, eine ganz andere Bestimmung sei recht schwierig: „Regel 12 – Fouls und unsportliches Betragen.“ Nicolas nennt spontan eine Handvoll Optionen: „Beispielsweise, bei welchem Foul es einen indirekten oder direkten Freistoß gibt. Oder wann man die Gelbe oder die Rote Karte oder einen Elfmeter geben muss.“
Ein Blick ins Handbuch zeigt, dass diese Regel 12 doch glatt 16 DIN-A5-Seiten in Beschlag nimmt. Das lässt auch den Laien erahnen, wie viel Paukerei nötig sein muss, bis man allein diese Bestimmung korrekt anwenden kann.

Bei Prüfung sind 30 Fragen in 45 Minuten zu lösen
Der Prüfungstermin am 4. Mai ist schon eine echte Herausforderung gewesen, wie der junge Fußballer erzählt: „Ich musste 30 Fragen beantworten, zehn davon waren zum Ankreuzen. Für jede Frage gab es maximal zwei Punkte. Das musste alles in 45 Minuten gelöst werden.“ Dass Nicolas das sehr gut bewältigt hat, zeigt sein Ergebnis: 59 von maximal 60 möglichen Punkten hat er geschafft.
Als nächstes Schiri-Grundausstattung besorgen
Die nächsten Schritte? „Zuerst die Grundausstattung für Schiedsrichter anschaffen“, sagt Nicolas. Vater Karsten ergänzt, dass diese Kosten ebenso wie die Gebühr für die Online-Schiedsrichter-Ausbildung vom SV Bermatingen übernommen werden. Der frischgebackene Schiri Nicolas ist der Markdorfer Schiedsrichtergruppe zugeordnet und muss nun an den Regelabenden teilnehmen.
Wann Nicolas sein offiziell erstes Spiel als Schiedsrichter leiten wird, weiß er angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht. Entsprechend seines Alters kann er derzeit Spiele bis zu den D-Junioren als Schiedsrichter leiten. Später dann auch in den folgenden Altersstufen und -klassen.
Es gibt Unterstützung von Patenschiedsrichtern
Klar ist jetzt schon: „Die ersten Spiele werde ich Unterstützung von Patenschiedsrichtern bekommen. Dann werde ich meinen eigenen Weg gehen müssen... Ich denke, dass ich nicht der strengste Schiri sein werde.“ Diese Aussagen des Elfjährigen hätten auch von einem langjährigen Profi kommen können.