Seit dem 17. März findet in Baden-Württemberg aufgrund der infektionsschützenden Maßnahmen gegen das Coronavirus kein regulärer Schulunterricht mehr statt. Keine Schule, keine Fahrt zur Schule. Da scheint es naheliegend für Eltern, die Schülermonatstickets ihrer Kinder zurückzugeben, um das Geld dafür erstattet zu bekommen.
Elternanteil pro Kind und Monat bei 50 Euro
Eine Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern in der 4. und 5. Klasse erklärt: „Die Sekretärin unserer Schule meinte, für den April bekommen wir nichts wieder. Und wir haben uns schon über den März geärgert, weil wir da ja nur zwei Wochen genutzt haben.“ Der Eigenanteil pro Monat belaufe sich auf 50 Euro pro Ticket und Kind, also 100 Euro, auf die die Familie verzichten muss, die durch die Krisenzeit sowieso über ein knappes Budget verfügt.
Eltern müssen Fahrkarten zum 30. des Vormonats zurückgeben
Trotz Ausnahmesituation sei eine Erstattung des Eigenanteils nur möglich gewesen, wenn die Eltern die Monatskarten fristgerecht zum 30. des Vormonats zurückgegeben hätten: unmöglich bei der Unsicherheit über die Dauer der Schulschließungen.
Kundenservice des RAB an der Belastungsgrenze
Ihr Fall ist kein Einzelfall im Bodenseekreis. „Wir haben derzeit das vierfache Aufkommen an Anrufen besorgter Eltern und aus den Schulsekretariaten“, erklärt Stefan Miller vom DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB). Der Kundenservice arbeite an der Belastungsgrenze und gebe aktuell folgende Auskunft: „Aufgrund der bestehenden Tarifbestimmungen ist uns eine Rücknahme Ihrer Schülermonatskarte April nicht möglich. Es wird jedoch an einer Kulanzregelung für den Monat April gearbeitet. (...) Auch den für die Kostenerstattung zuständigen Landkreisen liegen derzeit keine weiteren Informationen vor.“

Allein im Bodenseekreis 300 000 Euro Rückerstattungen
Robert Schwarz, Sprecher des Landratsamts Bodenseekreis, bestätigt diese Aussage und erklärt, dass sich die Summe der Rückerstattungen allein im Bodenseekreis auf 300 000 Euro belaufe.
Eltern werden um Geduld gebeten
Sowohl er als auch der zuständige Verkehrsverbund Bodo sowie der RAB, die etwa 30 Prozent des Busverkehrs im Kreis mit eigenen Fahrzeugen betreiben, verweisen auf dieselbe Mitteilung vom 21. April, in der Eltern gebeten werden, sich in Geduld zu üben. „Wir bitten die Eltern noch um Geduld, bis ein Weg für den Ausgleich gefunden worden ist. Wir bitten vor allem darum, der Abbuchung nicht zu widersprechen, da dies nur hohen Aufwand und Kosten verursacht und die Verkehrsunternehmen, die ihre Leistungen weiterhin erbringen, dringend auf diese Gelder angewiesen sind“, erklärt Bodo-Verbundgeschäftsführer Jürgen Löffler in dem Schreiben.
Fahrgastzahlen seit Corona bis zu 90 Prozent gesunken
Seit Beginn der Kontaktbeschränkung sei die Fahrgastzahl um 85 bis 90 Prozent zurückgegangen sei.
In ganz Baden-Württemberg haben die Verkehrsverbünde ähnliche Schreiben an Schulen verschickt und an die betroffenen Eltern weiterleiten lassen, denn, so heißt es weiter: „Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg hat für die im April bezahlten, aber nicht dem Zweck entsprechend nutzbaren Schülertickets eine Ausgleichsregelung angekündigt.“
100 Millionen Euro Nothilfe für den Personennahverkehr
100 Millionen Euro sollen als Nothilfemaßnahme für den öffentlichen Personennahverkehr fließen, die auch die Rückzahlung der Eigenanteile für April decken sollten. Das Verkehrsministerium verweist auf Anfrage nach dem aktuellen Stand der Maßnahme auf eine Pressemitteilung vom 29. März. Hier appelliert Verkehrsminister Winfried Hermann an die Eltern, auf die Ausgleichszahlung zu warten: „Wenn wir nicht umsichtig und vorsorgend handeln, haben wir nach der Corona-Krise eine Krise beim Schülertransport.“

80 Prozent der privaten Busunternehmen in Kurzarbeit
Witgar Weber vertritt als Geschäftsführer des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer die Interessen der privaten Busunternehmen, darunter auch vier Unternehmen aus dem Bodenseekreis, die den ÖPNV mitbedienen. Er erklärt: „Die Lage ist für viele Unternehmen existenzbedrohend, 80 Prozent haben Kurzarbeit angemeldet.“ Weil Fahrgäste im Bus nicht vorn beim Fahrer einsteigen dürfen, gingen die Einnahmen deutlich zurück, da der Ticketkauf und die Kontrolle im Bus unmöglich seien.
Zusatzangebote wegen gestaffelter Schulzeiten ab 4. Mai in Gefahr
Ab 4. Mai solle der Schülerverkehr wieder eingeschränkt aufgenommen werden. „Klar ist, dass mögliche Zusatzangebote – wie beispielsweise wegen gestaffelter Schulzeiten – nicht gefahren werden können, wenn die Unternehmen überhaupt keine Einnahmen haben.“ Weber hofft auf die Notfalllösung des Landes, er stehe dazu in Kontakt mit allen politischen Akteuren.