43.000 Euro brutto. Etwa so viel verdient eine ungelernte Arbeitskraft in der Produktion bei Vetter im Jahr. Hinzu kommen in der Regel Schichtzulagen, Zuschüsse zur Betriebsrente und eine zusätzliche Krankenversicherung mit Leistungen im Wert von rund 1700 Euro im Jahr, teilt das Unternehmen mit.
„Wir stehen in Konkurrenz mit Unternehmen wie ZF oder Rolls Royce und haben nahezu Vollbeschäftigung in der Region. Da müssen wir freilich mithalten“, erklärt Vetter-Geschäftsführer Thomas Otto im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Die Mitarbeiter, das hat man bei Vetter Pharma längst erkannt, sind das wichtigste Kapital des Unternehmens.
Das ist Vetter Pharma
Vetter Pharma wächst. Das ist an kaum einem anderen Ort so gut sichtbar wie in der Schützenstraße in Ravensburg. Hier ist der Hauptsitz des Pharmadienstleisters, der für rund 200 Kunden Biopharmazeutika, also biotechnologisch hergestellte Arzneimittel für schwere Erkrankungen – etwa Krebs, Rheuma und Multiple Sklerose – abfüllt.

Wenige Meter entfernt von der 2020 eröffneten Konzernzentrale entsteht ein neues Produktionsgebäude. Das 230-Millionen-Euro-Investment ist das größte in der 83-jährigen Geschichte des Unternehmens, das 1950 als kleine Apotheke gegründet wurde. „Wir wollen unsere Produktionskapazitäten in den nächsten fünf bis sieben Jahren nahezu verdoppeln“, berichtet Otto. Dazu braucht es den Neubau – und viele neue Mitarbeiter. „Ziel ist, dass wir in den nächsten Jahren weltweit auf 7000 bis 8000 Mitarbeiter anwachsen“, bestätigt Geschäftsführer-Kollege Peter Sölkner, der unter anderem fürs Thema Personal zuständig ist. Rund 7300 davon sollen in der Region arbeiten – also an den verschiedenen Standorten in Ravensburg (6500 Mitarbeiter), Langenargen (750 Mitarbeiter) und Rankweil in Vorarlberg (40 Mitarbeiter).
100 Stellen sind derzeit ausgeschrieben
Allerdings macht Vetter, wie mittlerweile allen Betrieben, der Fachkräftemangel schwer zu schaffen. 100 Stellen sind derzeit ausgeschrieben, davon der Großteil in der Produktion. Die ist – anders als bei den Automobilzulieferern – überwiegend weiblich besetzt. „In unserer Produktion arbeiten 67 Prozent Frauen, viele davon Teilzeit“, sagt Otto, „wir haben auch Produktionsleiterinnen, die sich Stellen teilen.“ Was früher in einem Drei-Schicht-Betrieb nahezu undenkbar war, ist heute längst Usus: flexible Teilzeitstellen, die auch Quereinsteiger, beispielsweise aus der Gastronomie, offenstehen. „Wir passen uns mit unseren Arbeitsmodellen so gut es geht an die Bedürfnisse der Mitarbeiter an, denn wir wollen sie nicht nur für uns gewinnen, sondern auch halten“, erklärt Sölkner und verweist auf flexible Arbeitszeitmodelle.

Wohlwissend, dass bis 2030 mit der Babyboomer-Generation rund 1100 Vetter-Mitarbeiter in Rente gehen, investiert der Abfüllspezialist in den Nachwuchs. „Man kann sich nicht immer über den Fachkräftemangel beschweren und dann selbst nichts dafür tun“, stellt Geschäftsführer Peter Sölkner fest. Rund 50 neue Auszubildende sind 2022 gestartet, in diesem Herbst sollen es sogar bis zu 70 werden. Vom Maschinenanlageführer über den Elektriker und Informatiker bis zum technisch-pharmazeutischen Assistenten – Vetter bildet in seinem firmeneigenen Ausbildungszentrum in 20 verschiedenen Ausbildungsberufen und Studiengängen aus. Das Ziel: etwa ein Viertel der Stellen sollen mit eigens ausgebildeten Arbeitskräften besetzt werden.

Probleme mit der Generation Z?
Faul, verwöhnt und fordernd – die Vorurteile gegen junge Menschen, die in den 1990er-Jahren bis 2000er-Jahre geboren wurden, der sogenannten Generation Z, sind groß. Nicht so bei Vetter. „Können wir nicht bestätigen“, betont Sölkner, „wir haben gerade in der Corona-Pandemie gesehen, dass wir uns auf alle unsere Mitarbeiter verlassen können.“ Vetter habe seine 100 Prozent Auslieferung geschafft – trotz der vielen Unsicherheiten. Geschäftsführer-Kollege Otto stimmt zu: „Es ist immer die Frage, wie man dieser Generation begegnet – und wie viel man als Unternehmen in seine Mitarbeiter investiert.“ Nach der Pandemie habe es eine Umfrage zum Thema Home-Office gegeben. Die habe gezeigt, dass die Mitarbeiter in den Büros gerne weiterhin einen Teil von zuhause arbeiten wollen. Jetzt gibt es das 60/40-Modell: drei Tage Büro, zwei von zuhause.
Doch, klar ist auch: In einem produzierenden Unternehmen wie Vetter, das sieben Tage die Woche im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet, gewinnt man Mitarbeiter nicht allein über flexible Arbeitszeitmodelle, eine hochmoderne Betriebskantine oder Gratisparkplätze. Gerade jetzt, zwischen Corona-Pandemie und Rekord-Inflation, zählt für viele das, was am Ende im Geldbeutel landet.
Vetter zahlt nach einem eigenen Tarif, der an den der Chemie- und Pharma-Gewerkschaft IGBCE angepasst ist. Ab April gibt es 5,5 Prozent mehr Lohn, 2024 steht laut Geschäftsführer Sölkner die nächste Erhöhung an. Dazu gab es bereits einen Inflationsbonus von bis zu 2000 Euro. Zudem gibt es einen Anwerbe-Bonus für Mitarbeiter, die sich auf Stellen mit hohem Bedarf bewerben.
3000 Euro für Mitarbeiter, die neue Mitarbeiter werben
„Viele unserer neuen Mitarbeiter rekrutieren wir auch über unsere Aktion ‚Mitarbeiter werben Mitarbeiter‘“, sagt Otto. 3000 Euro Prämie gibt es für jeden Mitarbeiter, der aus seinem privaten Umfeld einen Neuen anwirbt. „Diese Bewerber sind meistens schon sehr gut informiert, wissen, was auf sie zukommt“, erklärt Otto. Auf die geringe Fluktuationsrate sind die beiden Vetter-Geschäftsführer besonders stolz: innerhalb der vergangenen 15 Jahre haben weniger als drei Prozent der Mitarbeiter das Unternehmen wieder verlassen.