Um Kosten zu sparen, führt der angeschlagene Autozulieferer ZF an seinem Stammsitz am Bodensee die Vier-Tage-Woche ein. Ähnliche Regelungen für andere deutsche Werke könnten folgen.

Wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte, sinkt die Arbeitszeit für rund 2800 Beschäftigte in Friedrichshafen ab Mitte kommender Woche von 35 Stunden auf 31,5 Stunden. Die Arbeitszeitreduktion erfolgt in zwei Schritten bis Anfang Juni und betrifft den Großteil der Beschäftigten in der Verwaltung sowie in Forschung und Entwicklung. Andere Bereiche, wie die ebenfalls mehrere Tausend Mitarbeiter umfassende Produktion, sind zunächst ausgespart.

Weniger Arbeitszeit, weniger Gehalt

Mit der Reduzierung der Arbeitszeit verringere sich entsprechend auch das Gehalt, teilte das Unternehmen mit. ZF verspricht sich durch die bis Ende März 2026 laufende Maßnahme Einsparungen im „zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, wie es hieß.

Franz-Josef Müller ist ZF-Betriebsratschef für Verwaltung, Forschung und Entwicklung am Stammsitz. Er hat die Arbeitszeitkürzung mit ...
Franz-Josef Müller ist ZF-Betriebsratschef für Verwaltung, Forschung und Entwicklung am Stammsitz. Er hat die Arbeitszeitkürzung mit ausgehandelt, dafür aber Beschäftigungsgarantien erhalten. | Bild: ZF-Betriebsrat

Friedrichshafen ist Blaupause für Deutschland

Ein ZF-Sprecher sagte dem SÜDKURIER, die Regelung sei „eine Blaupause auch für andere Standorte der ZF in Deutschland“. Zum Teil liefen dort entsprechende Gespräche zwischen Betriebsräten und Standortverantwortlichen schon.

Deutschlands zweitgrößter Automobilzulieferer beschäftigt im Inland rund 52.000 Mitarbeiter. Große Werke und Standorte mit einer vierstelligen Mitarbeiterzahl gibt es neben dem Friedrichshafener Stammsitz etwa in Passau, Saarbrücken, Hannover, Koblenz, Brandenburg an der Havel oder Schweinfurt. Insgesamt hat das Unternehmen rund 50 Standorte im Inland.

E-Leitwerk in Schweinfurt arbeitet schon auf Sparflamme

Im bayrischen Schweinfurt, ZFs Leitwerk für Elektromobilität, einigten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits im Dezember vergangenen Jahres auf eine Reduktion der Arbeitszeit für mehrere Tausend Angestellte auf 32,5 Stunden, dort betrifft das Thema auch die klassischen Werker in den Produktionshallen und ist auf eine Dauer von sieben Monaten beschränkt.

Die jetzt mit Zustimmung der Arbeitnehmer beschlossene Absenkungen der Arbeitszeiten um zehn Prozent am Stammsitz wird sich deutlich im Portemonnaie der Beschäftigten bemerkbar machen. Zwei Beispiele: Eine Sekretärin in Entgeltstufe 9 des für Baden-Württemberg gültigen IG-Metalltarifvertrags kommt inklusive Leistungszulage monatlich auf ein Grundgehalt von rund 4500 Euro.

Durch die Absenkung der Arbeitszeit verlöre sie auf ein ganzes Jahr gerechnet rund 5400 Euro. Ein Ingenieur in Entgeltstufe 15, der bei einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden wiederum mit Leistungszulage jeden Monat gut 6540 Euro verdient, verlöre auf ein Jahr gerechnet knapp 7850 Euro. Übertarifliche Zahlungen, die es bei ZF gibt, sind hier aber noch nicht eingerechnet.

ZF-Chef Holger Klein muss eisern sparen. Sein Unternehmen fährt rote Zahlen ein. In immer mehr Werken werden jetzt die Arbeitszeiten ...
ZF-Chef Holger Klein muss eisern sparen. Sein Unternehmen fährt rote Zahlen ein. In immer mehr Werken werden jetzt die Arbeitszeiten gekürzt, um die Lohnkosten zu drücken. | Bild: Felix Kästle, dpa

Der neuen Arbeitszeitreglung gingen in Friedrichshafen wochenlange Verhandlungen zwischen Betriebsrat, IG Metall und ZF-Management voraus. Die Verhandler auf der Arbeitnehmerseite des tief in den roten Zahlen steckenden Stiftungsunternehmens folgten dabei der Prämisse: Lieber Stunden verlieren als Beschäftigung. Helene Sommer, die erste Bevollmächtigte der IG Metall am Bodensee, hatte früh klargemacht, dass Einbußen bei Gehalt und Arbeitszeit nur in Gegenzug zu Beschäftigungssicherung akzeptabel seien. Das ist gelungen.

Laut Betriebsrat sind durch die Vereinbarung betriebsbedingte Kündigungen am Friedrichshafener Stammsitz bis Ende Juni 2028 ausgeschlossen. Zudem darf die Beschäftigung in den Bereichen Verwaltung und Forschung und Entwicklung – der sogenannte Betrieb Z – auch durch natürliche Fluktuation nicht unter 4150 Beschäftigte sinken. Aktuell arbeiten in dem Bereich am Stammsitz 4350 Menschen.

Helene Sommer ist Chefin der IG-Metall im Bezirk Bodensee-Oberschwaben. Bei ZF sitzt sie im Aufsichtsrat.
Helene Sommer ist Chefin der IG-Metall im Bezirk Bodensee-Oberschwaben. Bei ZF sitzt sie im Aufsichtsrat. | Bild: Benjamin Schmidt

Mit der Arbeitszeitabsenkung leisteten die Beschäftigten „einen wertvollen Beitrag zur Kosteneinsparung“, sagte ZF-Standort-Betriebsratschef Franz-Josef Müller. Für den langfristigen Erfolg sei allerdings entscheidend, dass die Entwicklung mit Aufträgen und gewinnträchtigem Geschäft ausgelastet werde. „Das ist unsere klare Erwartung an das Management“, sagte er.

Weihnachts- und Urlaubsgeld bleibt

Zudem schreibt sich der Betriebsrat auf die Fahnen, herausverhandelt zu haben, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld weiter in voller Höhe ausbezahlt werden. Zudem würden bereits erbrachte Überstunden ausbezahlt, was den Entgeltverlust mindere, hieß es.

Unklar ist indes, was mit einer weiteren tariflichen Sonderzahlungen passiert, von der die ZFler bisher profitieren. Dabei geht es um den sogenannten Trafobaustein, ein Extra-Obulus in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsgehalts, der mit dem Juligehalt ausbezahlt wird.

Laut Tarifvertrag kann der Arbeitgeber diesen einseitig verschieben oder kündigen, wenn die Geschäfte zu wenig Gewinn abwerfen. ZF hat 2024 rund eine Milliarde Euro Verlust eingefahren. Und der Ausblick aufs laufende Jahr ist verhalten. Möglich, dass sich die ZFler daher auf weitere schlechte Nachrichten einstellen müssen.