Mit fünf Forderungen haben sich kommunale Spitzenvertreter aus drei Landkreisen gemeinsam an die Politik gewandt. Nach einem Treffen von vier Oberbürgermeistern, drei Landräten und zwei Bürgermeistern aus dem Bodenseekreis und den Landkreisen Ravensburg und Lindau unterzeichneten sie ein entsprechendes Papier. Unter ihnen sind der Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand und der Landrat des Bodenseekreises, Luca Prayon. Das erstmalige Treffen dieser Art hatten die Bundestagsabgeordneten Axel Müller (CDU) aus Ravensburg und Mechthilde Wittmann (CSU) aus dem Allgäu initiiert.

Kliniken brauchen Geld

Zentrale Forderung der lokalen Politiker ist, die angekündigte Krankenhausreform schnellstmöglich zu beschließen. Bis dahin brauche es eine spürbare finanzielle Hilfe, „um ein unkontrolliertes Sterben einzelner Häuser zu verhindern“. Wenigstens höhere Löhne und Sachkosten der Kliniken müssten ausgeglichen werden. Das Schreiben ging an die Fraktionschefs der Regierungsparteien in Baden-Württemberg und Bayern, an die beiden Gesundheitsminister der Länder und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Sie unterzeichneten den Appell an die Landespolitik (von links): Bürgermeister Simon Blümcke (Ravensburg), OB Andreas Brand ...
Sie unterzeichneten den Appell an die Landespolitik (von links): Bürgermeister Simon Blümcke (Ravensburg), OB Andreas Brand (Friedrichshafen), Landrat Elmar Stegmann (Lindau), die Bundestagsabgeordneten Mechthilde Wittmann (CSU) und Axel Müller (CDU), Landrat Harald Sievers (Ravensburg), OB Claudia Alfons (Lindau), Bürgermeister Eric Ballerstedt (Lindenberg), Landrat Luca Prayon (Bodenseekreis), OB Daniel Rapp (Ravensburg). Es fehlen auf dem Bild der Wangener OB Michael Lang, Bürgermeisterin Regine Rist (Tettnang) sowie MdB Volker Mayer-Lay. | Bild: Landkreis

Der Hilferuf kommt nicht von ungefähr. Viele Kliniken in der Region Bodensee-Oberschwaben sowie im Allgäu sind bereits zu. Nach der Schließung der Krankenhäuser in Leutkirch und Isny haben die Oberschwabenkliniken (OSK) auch den Standort Bad Waldsee aufgegeben. Der Medizin Campus Bodensee (MCB) hat das 14 Nothelfer in Weingarten Ende 2020 geschlossen. Die SRH-Kliniken in Bad Saulgau und Pfullendorf sind ebenfalls zu. Die Rotkreuz-Klinik in Lindenberg (Landkreis Lindau) ging im Herbst in Insolvenz und soll große Teile ihres Leistungsspektrums an das Westallgäu-Klinikum in Wangen abgeben, das dann wieder besser aufgestellt wäre.

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Enorme Defizite

Gerade für die beiden kommunalen Klinikverbünde in der Region wird die Luft immer dünner. Die Oberschwabenkliniken verbuchten für 2022 ein Minus von knapp 14 Millionen Euro und rechnen für 2023 mit dem größten Defizit in ihrer Geschichte – rund 28 Millionen Euro. Der Medizin Campus Bodensee prognostiziert für das vergangene Jahr einen Fehlbetrag von 19,2 Millionen Euro. Es sind enorme Summen, die der Landkreis Ravensburg und die Stadt Friedrichshafen als Träger zu schultern haben, damit die Kliniken nicht in die Pleite rutschen.

Sorge vor Zahlungsunfähigkeit

Bleibt die Frage: wie lange noch? Wie groß die Sorge vor der Zahlungsunfähigkeit offenbar ist, zeigt Punkt drei des Forderungskatalogs: Bis die Krankenhausreform greift, soll die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt werden. Dies sei zur „Aufrechterhaltung des Betriebs“ nötig, steht in dem Papier. „Rund 80 Prozent der Krankenhäuser in Deutschland sind defizitär. Die Zahl alleine zeigt schon, dass die Finanzierung nicht stimmt“, erklärt OB Andreas Brand, der gleichzeitig Aufsichtsratschef des Klinikums Friedrichshafen ist. Träger und Krankenhäuser vor Ort bräuchten „verlässliche und auskömmliche Bedingungen und Planungssicherheit“, um die Versorgung auch in Zukunft gewährleisten zu können.

Das Klinikum Friedrichshafen ist Hauptstandort des Medizin Campus Bodensee.
Das Klinikum Friedrichshafen ist Hauptstandort des Medizin Campus Bodensee. | Bild: Benjamin Schmidt

Das soll die von der Bundesregierung angekündigte Krankenhausreform leisten. Geplant ist eine Neuregelung der Finanzierung. Künftig sollen 60 Prozent der Kosten für Personal und Sachausgaben unabhängig von der Anzahl der Patienten gezahlt werden. Nur noch 40 Prozent der Erlöse sollen über Fallpauschalen abgerechnet werden. Aber die Zeit dränge, so OB Brand. „Daher sind nun schnelle Liquiditätshilfen notwendig. Sonst droht die Gefahr, dass Kliniken schließen, bevor die Reform überhaupt beschlossen ist.“

Leistungsgrenze für Kommunen erreicht

Dieser Meinung schließt sich Landrat Luca Prayon an. Auch wenn der Bodenseekreis aktuell nur mit fünf Prozent am MCB beteiligt ist, hat er das Beschlusspapier mit unterzeichnet, aus Sorge um die medizinische Versorgung in der Region. „Viele Kommunen kommen an ihre Leistungsgrenzen, das ist auf Dauer nicht leistbar“, erklärt er seine Unterschrift. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten angepasst werden, um „die Kliniklandschaft regional neu zu ordnen“.

Das St.-Elisabethen-Krankenhaus in Ravensburg gehört zu den Oberschwabenkliniken (OSK).
Das St.-Elisabethen-Krankenhaus in Ravensburg gehört zu den Oberschwabenkliniken (OSK). | Bild: Wieland, Fabiane

An dieser Stelle sollen Landkreis- oder Ländergrenzen keine Rolle mehr spielen, fordern die lokalen Politiker. Die seien für Menschen irrelevant und sollten daher „als Argument in der politischen Debatte ebenso wenig überstrapaziert werden wie konkrete Standortfragen“. Ein Zeichen für ein Aufeinander-zu-gehen der beiden Klinikverbünde in der Region? Konkrete Standortfragen standen bei dem Treffen „nicht im Mittelpunkt“, erklärt OB Andreas Brand auf Anfrage.

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