Wer jetzt erst einen Grippeimpfstoff bestellt hat oder auf einen entsprechenden Termin beim Arzt wartet, muss sich auf lange Wartezeiten gefasst machen. Das bestätigt Christian Endepols, Inhaber der Pflummern-Apotheke in Überlingen: „Es wird mehr geimpft als vergangenes Jahr. Kunden, die bestellt haben, erhalten ihn erst Ende Oktober oder im November.“ Er merkt aber auch an: „Wir sind in diesem Jahr mit der Grippeimpfung wirklich sehr früh dran.“
Germar Büngener ist Hausarzt in Friedrichshafen und Vorsitzender der Kreisärzteschaft Bodensee. „Der Verlauf der Impfsaison lief 27 Berufsjahre hervorragend, aber in diesem Jahr ist es anders“, meint er. „Die Anfrage ist riesengroß“, berichtet auch er und erzählt von einem „erhöhten Willen zum Impfen“. Viele Patienten, die sich früher nie für Grippeimpfungen interessiert hätten, ließen sich nun von der Nadel stechen. Sogar vermeintliche Impfgegner hätten sich in seiner Praxis zuletzt gegen Influenza schützen lassen, erklärt er.
Er beobachtet aber auch Verunsicherung bei Eltern bezüglich einer Grippeschutzimpfung für ihre Kinder. „Kinder unter neun Jahren müssen bei erster Impfung doppelt geimpft werden“, erklärt er. Das nehme eine doppelte Dosis in Anspruch – in Zeiten einer ohnehin wackeligen Versorgungslage.
Woher kommt der Impfstoff-Engpass?
Susanne Donath, Sprecherin der Landesapothekenkammer Baden-Württemberg, erklärt: „Durch die hohe Nachfrage zu Anfang der Impfsaison kann eine räumliche Ungleichverteilung der Grippeimpfstoffe zu zeitlich begrenzten lokalen oder regionalen Engpässen führen.“
Weiter beschreibt sie: „Die Nachfrage nach einer Grippeimpfung scheint für Anfang Oktober schon sehr hoch zu sein.“ Eine genaue Aussage über die Impfstoffvorräte kann die Landesapothekenkammer allerdings nicht treffen. „Eine zentrale Erfassungsstelle über den Bestand an Impfstoffen in Apotheken gibt es nicht“, erklärt Susanne Donath. „Die Firmen produzieren keine großen Mengen mehr, es geht alles nur noch mit früher Vorbestellung.“
Bereits frühzeitig hat das Helios-Spital Überlingen Impfstoff angefordert. „Wir bestellen immer ein Dreivierteljahr im Voraus unsere Impfdosen“, informiert Sprecherin Claudia Prahtel. In der Einrichtung werden aber nur Mitarbeiter geimpft. Reguläre Influenza-Impfungen werden von den Hausärzten vorgenommen. „Bisher konnten wir allen Mitarbeitern, die sich bei uns impfen lassen wollten, diese Impfung auch anbieten“, sagt Prahtel. „Es ist aber abzusehen, dass in den nächsten zwei Wochen der Impfstoff aufgebraucht sein wird.“
Markdorfer Apotheker empfiehlt: „Alle sollen mal ein bisschen cool bleiben“
Markus Gantert, stellvertretender Inhaber der Panda-Apotheke in Markdorf, findet: „Man sollte ein wenig Druck aus dem Kessel nehmen. Der Höhepunkt der Saison ist aber normalerweise erst im Januar oder Februar.“

Er meint: „Alle sollen mal ein bisschen cool bleiben. Denn keine Sorge: Der Grippeimpfstoff wird kommen.“ Derzeit produzierten Firmen bereits nach, erläutert er. Das Geschäft mit Grippeimpfstoffen sei für die Industrie aber nicht mehr lukrativ. Das Gesundheitssystem, das die Preise herunterdrücke, sorge dafür, dass Firmen nur auf Vorbestellung produzierten.
Daher hätten Firmen wenige Reserven gehabt. „Keiner produziert mehr auf Halde und niemand will ungenutzten Impfstoff am Ende der Saison zum Schornstein herausblasen.“
AHA-Regeln könnten Grippewelle bremsen – Arzt sieht frierende Schulkinder eher als Risiko
Der Vorsitzende der Kreisärzteschaft Bodensee, Germar Büngener, prognostiziert dagegen: „Die Influenza wird in diesem Winter kein Problem darstellen.“ Die Menschen hätten sich an die AHA-Regeln (Abstand halten, Hände waschen, Alltagsmaske tragen) gewöhnt. Dies könnte seiner Einschätzung nach eine Verbreitung der Influenza-Erreger einschränken.
Der Mediziner vermutet dagegen eine andere Herausforderung für Ärzte und Eltern in diesem Winter, nämlich die frierenden Schulkinder in den Klassenzimmern. „Dort werden sie mit Jacken im Unterricht sitzen und anfangen zu schwitzen. Anschließend ziehen sie sich die Jacken aus, kühlen herunter und könnten sich dabei erkälten“, erklärt Büngener. „Und dann kommt es zu einem Infekt und in der Sprechstunde zur Frage: Ist es Corona oder nur ein Infekt?“