Dieselloch, Stolpertakt,Verspätungen und Ausfälle. All diese Begriffe sind regelmäßig zu hören, wenn es um die Bodenseegürtelbahn geht. Dass die Bahnstrecke am deutschen Bodenseeufer störanfällig ist und besser werden muss, darüber ist man sich in Berlin, Stuttgart und der Region einig, doch wie steht es aktuell um Ausbau und Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn?
Aktuelle Kostenschätzung bis Ende September
Laut Wolfgang Heine, Regionalverbandsdirektor und Geschäftsführer des Interessenverbands Bodenseegürtelbahn, befinden sich die Vorplanungen auf der Zielgeraden. „Die Bahn hat uns bestätigt, dass wir das Vorplanungsheft zum Ende des dritten Quartals erhalten. Wir rechnen also zum 30. September damit.“ Darin werden die Variantenempfehlung und die aktuelle Kostenschätzung enthalten sein.
Untersucht wurden in der Vorplanung zwei Referenz- sowie die Vorzugsvariante. Der Interessenverband spricht sich für die Vorzugsvariante mit einem stündlichen IRE sowie Regionalbahnen im Halbstundentakt aus. Nur so könne ein zuverlässigeres Angebot realisiert werden. „Die Landesstandards für den Schienenverkehr wurden mittlerweile nach oben gesetzt – die sind mit den Referenzvarianten gar nicht zu erreichen“, sagt Heine auf Nachfrage.
Mit dem Abschluss der Vorplanungen in einem Monat sei dann nur noch eine Variante im Rennen. Damit gehe es an die Detailplanung, die nächsten Schritte seien die Abstimmungen über die Leistungsphasen drei und vier für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung, erläutert der Geschäftsführer des Interessenverbands das weitere Vorgehen.
Erhebliche Kostensteigerungen angekündigt
Schon jetzt sei dabei klar, dass die Kostenschätzung aus dem Jahr 2019, bei der die Vorzugsvariante für Planung und Bau mit 350 Millionen Euro veranschlagt worden war, deutlich nach oben korrigiert werden muss. Gründe seien neben Preissteigerungen auch zusätzliche Leistungen, die sich erst bei den Vorplanungen ergeben hätten. „Über eine Summe, wie hoch die aktualisierte Kostenschätzung tatsächlich ausfallen wird, könnte ich jetzt auch nur spekulieren, da müssen wir uns einfach noch die vier Wochen gedulden“, sagt Wolfgang Heine.
Bewusst sei man sich im Vorfeld darüber gewesen, dass die Region für die Bodenseegürtelbahn „deutlich mehr als für die Südbahn berappen muss“, betont der Vorsitzende des Interessenverbands. Denn anders als bei der Südbahn, die Teil des Bundesverkehrswegeplans war, gelte es hier nicht nur die Planung durch einen finanziellen Beitrag voranzutreiben, bei der Bodenseegürtelbahn sei vielmehr eine Kostenteilung zwischen Bund, Land und Region vorgesehen.
Lenkungskreis soll Lastenverteilung thematisieren
Über die Gesamtfinanzierung des Projekts müsse nach der Festlegung auf eine Variante mit dem Land noch verhandelt werden. Die Landräte aus dem Bodenseekreis und aus Konstanz hatten bereits deutlich gemacht, dass man sich schon ohne die zu erwartenden Kostensteigerungen auf einem Investitionsniveau bewege, das die Leistungsfähigkeit von zwei Landkreisen übersteige. Ein Lenkungskreis soll dabei im Herbst erstmals tagen und sich dabei auch mit einer für die Region zumutbaren Lastenverteilung beschäftigen.
Im Kreistag hatte die SPD zuletzt zudem harsche Kritik an dem Vorgehen der Bahn geübt. Diese informiere bei dem Projekt unzureichend bis mangelhaft, kassiere aber dafür kommunale Millionen. Die Vorplanungen sollten ursprünglich 3,8 Millionen Euro kosten, waren allerdings auf 10,6 Millionen Euro gestiegen. „Als Interessenverband hatten wir bisher gute Kontakte zur Bahn, ich kann aber verstehen, dass ein Kreistag sich nicht gut informiert fühlt“, sagt Heine. Dabei hätte es gar nicht viel gebraucht, um dem Gremium die gewünschten Informationen zu liefern.
Fertigstellung bis zum Ende des Jahrzehnts?
Trotz offener Finanzierungsfragen ist Wolfgang Heine optimistisch, dass es eine Einigung geben wird und die Bodenseegürtelbahnstrecke wie vorgesehen bis zum Ende des Jahrzehnts ausgebaut und elektrifiziert werden kann. „Die Voraussetzungen für Schienenprojekte waren selten so günstig wie jetzt“, glaubt Heine. Die Umsetzung des Bahnprojekts sei dringend nötig, die Bodenseeregion stehe nicht kurz vor dem Verkehrsinfarkt, sie stecke schon mittendrin.
Positiv bewertet er bei den Planungen auch, dass im Falle einer Entscheidung für die Vorzugsvariante voraussichtlich 20 Kilometer der Strecke zweigleisig ausgebaut werden sollen. Neben Abschnitten wie etwas von Nußdorf nach Uhldingen-Mühlhofen, von Ahausen nach Markdorf oder von Markdorf nach Kluftern sei darunter nun auch die Strecke von Manzell nach Friedrichshafen-Stadt. „Die ist topografisch nicht ganz einfach, wenn man den Fahrplan aber wie in der Vorzugsvariante vorgesehen realisieren will, ist ein zweigleisiger Ausbau hier wichtig“, sagt Heine.