Hugo Landauer war Großkaufmann und Sozialist, Landwirt und Menschenfreund. Der aus einer jüdischen Familie stammende Textilunternehmer gründete mehrere Kaufhäuser in Süddeutschland sowie, 1920 in Überlingen, eine kurzlebige „Bauern-Zeitung“, die für eine Vergenossenschaftung der Landwirtschaft warb. Landauer war außerdem Cousin und Mäzen des 1919 in München ermordeten Anarchisten Gustav Landauer und er war Bürger von Daisendorf, wo er 1933 starb.
Mit einem Vortrag über Hugo Landauer startete Daisendorf nun eine Veranstaltungsreihe anlässlich des 900. Gemeindejubiläums. Veranstalter war das Alevitische Bildungswerk Ravensburg. Dessen Vorsitzender Hasan Ögütcü, der seit 1973 in Daisendorf lebt, hatte vorgeschlagen, das Thema in das Jubiläumsprogramm aufzunehmen.
Referent Christoph Knüppel war dafür eigens aus Herford angereist. Der Lehrer und Autor hatte zuvor über Landauer bereits einen Artikel verfasst für das 2015 erschienene Buch „Es war noch einmal ein Traum von einem Leben“ über das Schicksal jüdischer Landwirte am Bodensee. Knüppel war über sein Interesse an Gustav Landauer auf dessen Cousin Hugo aufmerksam geworden.
1917 Umzug nach Daisendorf
Während Knüppels anderthalbstündigem Vortrag trat hervor, dass Gustav Landauer sein eigentliches Spezialgebiet ist. Immer wieder schweifte er zu dem Mitbegründer der Münchner Räterepublik von 1919 ab. Ausführlich behandelte Knüppel auch die Zeit im Leben Hugo Landauers, bevor der 1868 im schwäbischen Buttenhausen Geborene 1917 nach Daisendorf zog. Dort erwarb er das ehemalige Gasthaus Rebstock mit rund vier Hektar umfassenden Ländereien, auf denen er ein Obstgut anlegte. Während die Daisendorfer Aspekte in Knüppels Vortrag zu kurz kamen, hat er sie in seinem Buchbeitrag prägnant festgehalten.
Landauer engagierte sich in der Gemeinde, beschenkte Bürger, spendete für die Martinskapelle, die neben seinem Anwesen stand, einen neuen Fußboden, brachte mittels eines Generators Strom nach Daisendorf. Nach längerer Krankheit starb Landauer am 21. Juli 1933 in Daisendorf. Seine nichtjüdische Frau ging in ihre Heimatstadt Heidelberg zurück, wo sie 1943 starb. Der behinderte Sohn Heinrich wurde 1940 im Zuge der NS-“Euthanasie“ in Grafeneck ermordet, die anderen Kinder überlebten in der Emigration.

Anregung für Gedenktafel im Ort
„Sie haben damit einer Familie ein Denkmal gesetzt“, lobte nach Knüppels Vortrag dessen Recherchen denn auch Johann Nolle, Mitwirkender bei der Organisation des Jubiläums und der Festschrift. Nolle regte auch eine Gedenktafel für die Familie Landauer an. Für seinen Vorschlag erhielt er starken Beifall von den zahlreichen Besuchern im Festsaal des Rathauses, die auch viele Nachfragen stellten. Über das große Interesse freute sich Minia Joneck, Vorsitzende der Konstanzer liberalen jüdischen Gemeinde, die ein Grußwort sprach. Sie kenne zwar schon das Buch. „Aber wenn man hier vor Ort ist, dann gibt es eine ganz andere Art von Erfahrung.“

Eingangs hatte Hasan Ögütcü begründet, warum das Alevitische Bildungswerk die Veranstaltung initiierte: „Wir sind davon überzeugt, dass die Geschichte der Familie Landauer Teil der Geschichte von Daisendorf ist.“ Er dankte der Gemeinde und allen Beteiligten, dass sie diesen Programmpunkt aufgenommen hätten. Ögütcü betonte: „Ein gutes und solidarisches Zusammenwirken von Menschen unterschiedlicher Herkunft ist für ein friedliches Leben unverzichtbar.“ Seine Familie habe man in der Gemeinde offen empfangen. „Wir fühlen uns als Daisendorfer.“
Von 160 auf rund 1600 Einwohner
Deren Zahl beträgt heute rund 1600, als die Familie Landauer 1917 nach Daisendorf kam, zählte man gerade mal 160 Einwohner. Die Gemeinde sei in den letzten Jahrzehnten ganz schön gewachsen, sei nun eine „reife Lady“ und deutlich korpulenter geworden, meinte denn auch Bürgermeisterin Jacqueline Alberti in ihrer Begrüßung. Im Vorfeld des 900. Jubiläums habe man die Bürger um Ideen gebeten. Hasan Ögütcü habe den Vortrag über Landauer vorgeschlagen, mit dem nun die Veranstaltungsreihe starte. Am 17. Mai geht es mit der festlichen Auftaktveranstaltung weiter, die ursprünglich bereits im Januar stattfinden sollte, wegen Corona aber verschoben worden war.