Herr Fliegauf, mit Beginn dieses Jahres haben Sie Ihr Bestattungsinstitut mit Sitz in Deggenhausen an einen Nachfolger übergeben – warum?

Ganz klar, weil ich in den Ruhestand gegangen bin. Die Anforderungen für die ganzen Abwicklungen und der Verwaltungsaufwand sind immer mehr geworden. Auch die Gesundheit war ein Grund für mich, aufzuhören.

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Was ist das für ein Gefühl, wenn man nach vielen Jahren einen renommierten Betrieb abgibt?

Nach der Übergabe habe ich ein lachendes und ein weinendes Auge. Ein lachendes deshalb, weil der ganze Stress jetzt erst mal weg ist. Ich musste ja permanent erreichbar sein, gewissermaßen rund um die Uhr, egal ob Sonntag, Feiertag oder Weihnachten. Die Menschen brauchen in der Situation eines Todesfalls gleich einen Ansprechpartner. Das ist eine Ausnahmesituation für die Angehörigen. Wenn man nicht erreichbar ist, ist der Kunde weg. Oder wenn ein Krankenhaus anruft oder ein Unfall passiert, musste ich jederzeit einsatzbereit sein. Ohne moderne Technologien wie Rufumleitung und Smartphone ist das heute schier unmöglich. Das weinende Auge habe ich deshalb, weil mein Beruf als Bestatter eine große Aufgabe war und ich den Menschen in ihrer Trauersituation beistehen konnte. Ich habe jetzt manchmal das Gefühl, es fehlt etwas, ich werde nicht mehr so gebraucht. Ich vermisse das schon ein wenig, aber ich werde mich daran gewöhnen. Ich bin sehr froh, dass ich das Unternehmen in gute Hände übergeben konnte und das ist mir auch sehr wichtig. Ich habe da ein beruhigendes Gefühl, weil ich schon lange gute Kontakte zum Bestattungsunternehmen Vogt hatte. Und auch mein Vater hatte schon gute Verbindungen zu der Firma.

In der wievielten Generation haben Sie das Unternehmen geführt?

Mein Opa war seinerzeit Totengräber im Tal und danach mein Vater. Ich bin 1991 in die Schreinerei eingestiegen, weil mein Bruder erkrankt war und habe die Firma gemeinsam mit meinem Vater bis zu dessen Tod im Jahre 2000 weitergeführt. Wir haben dann das Bestattungsinstitut von der Schreinerei getrennt und ich habe den Firmensitz von der Lehenstraße in Deggenhausen in die Aachstraße verlegt. Ich habe den Zweig Bestattungen dann gemeinsam mit meiner Tochter betrieben, die eine Schreinerlehre absolviert hatte – bis Ende des vergangenen Jahres. Ich war also in der dritten Generation.

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Haben Sie seinerzeit das Institut aus Überzeugung fortgeführt oder aus Familientradition?

In erste Linie aus Familientradition. Meinem Vater war es wichtig, dass der Betrieb weitergeführt wird und mir war das auch sehr wichtig.

Was muss man mitbringen für den Beruf eines Bestatters?

Man muss die Bereitschaft mitbringen, jederzeit – gewissermaßen rund um die Uhr das ganze Jahr über – für Angehörige zur Verfügung zu stehen. Jedenfalls in einem so kleinen Unternehmen, wie wir es waren. Man braucht eine ordentliche Portion Menschenkenntnis und vor allem ein großes Einfühlungsvermögen in die Situation der Angehörigen – was man heute Empathie nennt.

Für Angehörige und Freunde ist ein Todesfall ein großer Verlust. Wie geht man als Bestatter damit um?

Da gibt es durchaus zwei Seiten. Es kommt immer darauf an, worum es geht. Bei Fällen im Dorf ist es natürlich sehr schwierig, weil man die Leute kennt. Und auch bei Kindern und Jugendlichen oder Menschen, die im gleichen Alter wie man selbst sind, ist es nicht einfach, die Betroffenheit auszublenden. Da ist es ganz wichtig, dass man diese Fälle in der Familie noch einmal bespricht. Das bietet eine gewisse Erleichterung und es ist einfacher, als wenn man alles in sich hineinfrisst. Gerade bei extremen Unfällen oder Katastrophen wäre es jedoch manchmal gut gewesen, eine gewisse Betreuung zu erfahren oder einen Notfallseelsorger zu haben. Es gibt wirklich Fälle, die einen lange verfolgen oder vielleicht sogar nie loslassen. Manchmal eher weniger belastend sind Todesfälle, die auswärts passieren, zu denen man auch die Personen und Angehörigen nicht kennt und wir uns eher als einfühlsamer Dienstleister sehen.

Seit einigen Jahren gibt es verschiedene neue Bestattungsformen. Wie sieht hier die Situation in Deggenhausertal aus?

Die neuen Bestattungsformen sind im Tal aufgefangen worden, in dem entschieden wurde, zum Beispiel auch Baum- und Rasengräber anzubieten. Anonyme Gräber gibt es schon seit Längerem. Man hat sich hier angepasst.

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Wie hat sich das Bestattungsgewerbe im Laufe der Zeit entwickelt?

Es entwickelt sich alles weiter. Bei uns Bestattern hat sich insbesondere der Dienstleistungsbereich deutlich ausgeweitet. Man muss den Leuten immer mehr Arbeiten rund um die reine Bestattung abnehmen. Wie zum Beispiel die Abwicklungen mit Versicherungen, der Rentenkasse sowie mit den verschiedenen Behörden. Die Abwicklung der gesamten Bestattung muss übernommen und organisiert werden – damit die Hinterbliebenen so wenig wie möglich selbst machen müssen. Der Bestatter muss heute sehr flexibel und vielseitig sein; das geht bis hin zur Gestaltung und zum Druck von Trauerkarten oder der Anzeigengestaltung und -schaltung. Früher hatten wir auch nur einen einfachen VW-Bus zum Transport. Heute braucht man schon ein spezielles Bestattungsfahrzeug mit entsprechenden hygienischen Ausstattungen bis hin zur Kühlung. Da ist die Ausstattung schon teurer als das reine Fahrzeug.

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Wie wird sich dieser Beruf in Zukunft entwickeln?

Ich war ja im Prinzip ein Seiteneinsteiger, ich hatte ja Elektroinstallateur gelernt und auch in diesem Beruf gearbeitet. Ich bin in die Aufgabe hineingewachsen. Heute ist der Bestatter ein eigener Berufszweig und das ist auch gut so. Es gibt jetzt Bestatterschulen und wer ausbilden will, muss Meister sein. Denn heute ist es viel anspruchsvoller für einen Bestatter, den Verstorbenen zu versorgen.

Sie werden nun mehr Freizeit haben. Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Ich gehe jetzt verstärkt meinem Hobby, dem Wandern, nach und habe auch einen Zugang zum Radfahren gefunden; das ist eine schöne Freizeitbeschäftigung für mich. Ich betreue ja auch einige Wanderwege im Tal, dafür werde ich mir künftig mehr Zeit nehmen. Und ich freue mich aus sehr, dass ich jetzt mehr Zeit für meine Familie habe.