Lena Reiner

Es riecht nach frisch gebackenem Brot, Teig wird geknetet, gezogen und mit Körnern und Salz bestreut. Weiter hinten in der Backstube erhalten süße Stückle mit Streuseln eine Schicht Zuckerguss. Mittendrin: Bäckermeister Josef Baader. Zwischen Brötchen, Seelen und Teigansatz beantwortet er die Frage nach der Vereinbarkeit von Regionalität, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit mit einem klaren Ja. Er selbst hat sozusagen den Beweis erbracht; er gründete 2008 das Partnerprojekt Linzgau-Korn.

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Wer bei dem Projekt mitmacht

Inzwischen beteiligen sich 14 Landwirte, die Stelzenmühle in Bad Wurzach und drei Bäckereien beziehungsweise Konditoreien an dem Projekt, erzeugen, mahlen und verarbeiten Backwaren regional, nachhaltig und umweltschonend.

Beim Gang durch seine Backstube betont Josef Baader einen Umstand, der ihn besonders stolz macht: „Sogar unsere konventionellen Landwirte verzichten seit mehr als zwei Jahren komplett auf Glyphosat.“ Vor Kurzem habe ihn außerdem eine Gruppe besucht, die in ihrer Region ein ähnliches Projekt auf die Beine stellen wolle: „Das wäre natürlich toll, wenn sich Nachahmer finden und die Idee weiter tragen.“

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Pflege regionaler Spezialitäten im Fokus

Regionalität lebt Josef Baader nicht nur bezogen auf die Herkunft der Backzutaten. Er findet es auch wichtig, regionale Spezialitäten zu pflegen: „Ich bin auch in Kontakt mit nordischen Bäckern. Seelen, das ist für die auch was ganz Tolles, aber sie können es einfach nicht.“ Was es dafür im Norden gibt, was er im Süden nicht umsetzen kann? „Franzbrötle. Das finde ich auch total lecker, aber kann es auch nie so gut.“

Traditionen sollen erhalten werden

Schlimm findet er das nicht. Es sei auch wichtig, die Besonderheiten einer Gegend zu erhalten. Bei einer traditionellen Seele beispielsweise komme es auf Feinheiten an. „Man muss den Teig nass aufarbeiten, sonst ist es keine Seele“, beschreibt er einen der Faktoren. Die nasse Aufarbeitung statt der trockenen mit Mehl sorge für eine andere Krustenbildung. Diese Art der Verarbeitung sei nur manuell, nicht aber mit einer Maschine möglich. Echte Seelen entstünden also immer in Handarbeit.

Seelen gibt es in der Bäckerei Baader in unterschiedlichen Ausführungen. Eines haben sie gemeinsam: Ihr Teig wird immer nass verarbeitet.
Seelen gibt es in der Bäckerei Baader in unterschiedlichen Ausführungen. Eines haben sie gemeinsam: Ihr Teig wird immer nass verarbeitet. | Bild: Lena Reiner

Wie viel teurer sind die regionalen Produkte?

Doch zurück zum regionalen Partnerprojekt. Generell gilt laut Josef Baader: Dafür, dass sich die Landwirte Linzgau-Korn anschließen und sich an die Auflagen in Bezug auf Nachhaltigkeit halten, bekommen sie mehr Geld für ihr Getreide. Wie sich das auf den Endpreis für Backwaren im Laden auswirkt? „Bei einem Brötchen sind es vielleicht 2 Cent, bei einem Laib Brot etwa 5“, erläutert Josef Baader. Das seien Preisschwankungen, die sich praktisch jeder Endkunde leisten könne.

Was bei Seelen nicht sein darf, ist beim Brot hingegen angebracht: Mehlbestäubt geht‘s im Anschluss bei 240 Grad ab in den Ofen.
Was bei Seelen nicht sein darf, ist beim Brot hingegen angebracht: Mehlbestäubt geht‘s im Anschluss bei 240 Grad ab in den Ofen. | Bild: Lena Reiner

In einem kleinen Lagerraum neben der Backstube warten Säcke mit ungemahlenem Getreide auf die Weiterverarbeitung. „Das Vollkornmehl mahlen wir direkt hier“, erläutert der Bäckermeister und zeigt auf die elektrische Mühle, die ebenfalls hier steht. Selbst die ist ein regionales Produkt und wurde in einer Überlinger Manufaktur hergestellt, erzählt Josef Baader.

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Auch seltene Getreidesorten hat er zur Verfügung. Denn: Die Landwirte im Verbund sind nicht nur offen für Nachhaltigkeitsthemen, sondern schätzen an der Zusammenarbeit auch die Freiheit, mal etwas Neues auszuprobieren, weiß Josef Baader zu berichten.

Schulungen für Landwirte

Einer dieser überzeugten Landwirte ist Mathias Müller vom Hauenschreiner Hof im Deggenhausertal, der neben dem Getreideanbau gemeinsam mit seiner Frau Andrea auch eine biologische Ziegenzucht und -käserei betreibt. Auf seinem Acker versucht er sich derzeit an der sogenannten regenerativen Landwirtschaft. Das bedeutet, das Feld kommt komplett ohne Zusätze aus, kein zusätzlicher Dünger, keine Spritzmittel werden eingesetzt. Eine Schulung zum Thema wurde über den Zusammenschluss angeboten. „Das Getreide ist 20 Zentimer höher gewachsen, als ich es sonst kenne“, zeigt sich Mathias Müller begeistert.

Mathias Müller inmitten seines Buchweizenfeldes. Der Landwirt aus dem Deggenhausertal engagiert sich bei Linzgau-Korn.
Mathias Müller inmitten seines Buchweizenfeldes. Der Landwirt aus dem Deggenhausertal engagiert sich bei Linzgau-Korn. | Bild: Lena Reiner

Außerdem baut er zum zweiten Mal Buchweizen an. Sein erstes Buchweizenfeld war eigentlich nur dazu gedacht, um der Nährstoffzufuhr des Bodens zu dienen, erzählt Mathias Müller. Doch dann habe er einen Anruf von Josef Baader erhalten, ob er nicht Lust habe, Buchweizen anzubauen. „Das ist das Tolle an dieser Zusammenarbeit. Es ist ein Miteinander. Ich bekomme auch ganz genau mit, welche Backwaren aus meinem Getreide entstehen.“ So wisse er etwa, dass der Buchweizen letztendlich unter anderem in der Weihnachtszeit zu Stollen verarbeitet werde.

Unter der Blüte hängen die dreieckigen Samen. Erst, wenn diese sich schwarz verfärben, sind sie erntebereit.
Unter der Blüte hängen die dreieckigen Samen. Erst, wenn diese sich schwarz verfärben, sind sie erntebereit. | Bild: Lena Reiner

Überzeugt von der Philosophie

Doch nicht nur Josef Baader, der vor 15 Jahren die Idee zu diesem Zusammenschluss hatte, verarbeitet das Getreide in seiner Backstube. Auch Andreas Popp von der gleichnamigen Konditorei in Überlingen ist mit von der Partie und überzeugt von der Philosophie dahinter: „Ich verarbeite auch sonst alles, was möglich ist, aus regionaler Erzeugung“, erzählt er.

Andreas Popp von der gleichnamigen Konditorei in Überlingen ist ebenfalls seit Jahren bei Linzgau-Korn dabei.
Andreas Popp von der gleichnamigen Konditorei in Überlingen ist ebenfalls seit Jahren bei Linzgau-Korn dabei. | Bild: Lena Reiner

So gesellen sich zum Weizenmehl Typ 550 – das ist das Mehl, das für fast alles Feingebäck verwendet werden kann – Obst, Eier und Milchprodukte aus regionalem Anbau und regionaler Produktion. Eine Ausnahme mache er nur dann, wenn es anders nicht umsetzbar sei, erklärt Andreas Popp: bei Kakao und Kaffee etwa.

Aus dem Weizenmehl Typ 550 entstehen die meisten Leckereien der Konditorei Popp. Zum Mehl gesellen sich weitere Zutaten aus der Region: ...
Aus dem Weizenmehl Typ 550 entstehen die meisten Leckereien der Konditorei Popp. Zum Mehl gesellen sich weitere Zutaten aus der Region: Eier, Milchprodukte und Obst. Nur, was es vor Ort nicht zu kaufen gibt, wird importiert: Kakao- oder Kaffeeprodukte etwa. | Bild: Lena Reiner

Wie lange er genau bei Linzgau-Korn dabei ist, weiß der Konditor nicht mehr, aber er erinnert sich noch genau an Josef Baaders Anruf und seine eigene Reaktion: „Ich habe selbstverständlich sofort zugesagt.“