Wolf-Dieter Guip

Vor gut vier Jahren ist Thomas Waldraff mit seinem Biomarkt "Knusperhäusle" in die Marktstraße umgezogen. "Wir haben so unsere Ladenfläche verdoppeln können. Und nach einer längeren Gewöhnungsphase hat sich auch unser Umsatz verdoppelt", berichtet er. Es gebe ein gutes Potenzial in Markdorf, weshalb er die Entwicklung noch nicht am Ende sieht. Waldraff schätzt das Wachstum des Biomarktes in Deutschland insgesamt bis 2020 mit zwei bis vier Prozent Marktanteil im Lebensmittelhandel.
 

Rund 4000 verschiedene Artikel, darunter frischen Gemüse im klimatisierten Raum, gibt es im Knusperhäusle. Sandra Waldraff mit einem ...

Rund 4000 verschiedene Artikel, darunter frischen Gemüse im klimatisierten Raum, gibt es im Knusperhäusle. Sandra Waldraff mit einem Blumenkohl, der beim Kochen nicht unangenehm riecht.

Doch wie definiert man Bio? Und inwieweit werden Standards aufgeweicht? Diese Fragen, sagt Thomas Waldraff, spielen natürlich eine Rolle. So würden die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP (mit Kanada und den USA) möglicherweise die EG-Bio-Norm aufweichen, was vorteilhaft für große Anbieter sei, weil sich der Handel für sie vereinfacht – jedoch zum Nachteil der Kleinen.

Da lacht das Herz: Leckerer Käse an der gut sortierten Käsetheke ist ein ungetrübeter Genuss, weil sie nach biologischen Grunsätzen ...

Da lacht das Herz: Leckerer Käse an der gut sortierten Käsetheke ist ein ungetrübeter Genuss, weil sie nach biologischen Grunsätzen hergestellt wurden. Thomas und Sandra Waldraff haben Spaß an ihrem Laden, das ist unübersehbar. Bilder: Wolf-Dieter Guip/Landratsamt

Ein sortiment mit rund 4000 verschiednnen Artikel läßt im Knusperhäusle in Markdorf keine Wünsche für biologische Ernährung offen.

Ein sortiment mit rund 4000 verschiednnen Artikel läßt im Knusperhäusle in Markdorf keine Wünsche für biologische Ernährung offen.

"Ich kann die Sache nicht gutheißen, weil der Staat damit die Hoheit verliert. Zumal die Abgrenzung der eigenen, hehren Richtlinien untersagt werden kann", beklagt sich Waldraff. Allerdings hätten die Abkommen auf mittlere Sicht, also bis 2020, eher weniger Auswirkungen auf das Knusperhäusle. Nicht zuletzt, weil etwa 25 Prozent des Sortiments von Landwirten aus der Region (im Umkreis von rund 50 Kilometern) stammt. Dazu zählen beispielsweise Käse und Brot vom Lehenhof, verschiedene Gemüse vom Bodan-Großhandel, Getreide von Linzgau-Korn, Honig von einem Imker in Owingen, Säfte vom BUND-Projekt Schlenker aus Grünkraut sowie Wasch- und Reinigungsmittel von Sonett aus Deggenhausen. Da viele Bio-Landwirte den Direktvertrieb vom Hof entdecken, kann sich das jedoch durchaus auswirken.
 

Ein Sortiment mit rund 4000 verschiednnen Artikel läßt im Knusperhäusle in Markdorf keine Wünsche für biologische Ernährung offen.

Ein Sortiment mit rund 4000 verschiednnen Artikel läßt im Knusperhäusle in Markdorf keine Wünsche für biologische Ernährung offen.

Ein anderes Thema ist die Milch. Bei Bio-Milch sieht Waldraff bis 2020 nur geringes Wachstum. Bei vielen Molkereien gibt es einen mengenmäßigen Annahmestopp für Bio-Milch, um die relativ guten Preise stabil zu halten. Für Bio-Milch bekommt der Landwirt heute 47 Cent und mehr je Liter. Die niedrigen Preise bei konventionell erzeugter Milch von 25 Cent und teilweise sogar weniger für die Bauern sei natürlich auf die Überproduktion zurückzuführen. "Die Verbraucher sollten sich informieren, welche Molkerei den Bauern gute Preise zahlt und diese Milch kaufen – also beispielsweise lieber von Omira als billige Handelsmarken der Supermarktketten und Discounter", argumentiert Waldraff.
 

Durch den Trend, dass auch Supermärkte und Discounter den Bio-Markt entdeckt haben, wird die Nachfrage bis 2020 durchaus insgesamt steigen – "das betrifft jedoch weniger die Lieferanten, die Fachgeschäfte wie das Knusperhäusle beliefern". Diese Entwicklung sei positiv für die Händler, weil das Bewusstsein für Bio-Produkte dadurch insgesamt steigt. So ist auch mediale Berichterstattung über Bio-Produkte oder den Bio-Markt für das Geschäft vorteilhaft. Wenn in den Medien berichtet wird, stehen am nächsten Tag die Kunden im Laden und fragen die entsprechenden Produkte nach. Ähnlich verhält es sich bei Lebensmittelskandalen. "Dann können wir unsere Stärken ausspielen und mit unserem fundierten Wissen die interessierten Verbraucher über unsere Produkte und deren Vorteile informieren", meint Waldraff.

Auch beim Wettbewerb zwischen dem Internet und dem stationären Handel sieht Thomas Waldraff heute und bis 2020 keine Probleme für sein Geschäft. Und er verweist auf die Beratungsintensität bei Bio-Produkten und die Möglichkeit, im Laden mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, was so im Internet nicht möglich ist. "Zu uns kommen junge Leute, die mit dem Smartphone die Produkte scannen und so ausführliche Informationen erhalten", berichtet Waldraff. Und erst recht diese Informationen seien dann Auslöser für weitergehende Gespräche und Informationen.

Bild 5: Alles Bio oder was? Von der Nische zum Geschäftsmodell
Bild: Wolf-Dieter Guip

 

Bio ist keine Modeerscheinung

Hermann Gabele, Leiter des Landwirtschaftsamts, über Milch und Bio-Markt.

Egal ob Discounter, Supermarkt oder kleiner Einzelhandel – Bio-Produkte erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Ist das nur eine Modeerscheinung oder eine langfristige Entwicklung auch für die Zukunft?

 

Bioprodukte im Lebensmittelsortiment gelten keineswegs als eine Modeerscheinung. Sie bilden ein seit Jahrzehnten wachsendes Segment im Lebensmittelangebot. Die jährlichen Zuwachsraten der Bioprodukte im Lebensmittelangebot waren in den vergangenen Jahren meist zweistellig. Es handelt sich somit um einen langfristigen Markttrend. Mit wachsendem Wohlstand sind Verbraucher zunehmend bereit, für besonders umweltfreundlich erzeugte Lebensmittel einen höheren Preis zu bezahlen.

Die Entwicklung der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Milch, Obst und Getreide ist für die bäuerlichen Betriebe nicht mehr auskömmlich. Wie sieht die künftige Entwicklung aus und welche Möglichkeiten sehen Sie, hier nachhaltig gegenzusteuern?

 

Auf den wichtigen Agrarmärkten sind die Preise für landwirtschaftliche Produkte bei weitem nicht mehr kostendeckend und bedrohen Existenzen. So decken Milchauszahlungspreise deutlich unter 30 Cent nur noch einen Teil der Produktionskosten von 40 und mehr Cent je Kilogramm Milch. Derzeit ist die Lage am Milchmarkt trotz sinkender Preise noch immer von einem Überangebot bestimmt. Es vermag kein Milchmarktexperte vorauszusagen, wann sich die Lage am Milchmarkt wieder bessern wird. Die früher verfügbaren Instrumente der staatlichen Marktsteuerung, wie zum Beispiel Interventionspreisstützung und Exporterstattungen oder Milchquotenregelung, sind im Zuge der Globalisierung der Agrarmärkte abgeschafft worden. Aktuell werden Liquiditätshilfen vorbereitet. Sie können zur Überbrückung von akuten Zahlungsengpässen der landwirtschaftlichen Betriebe beitragen. Eine nachhaltige Problemlösung für den Preisdruck auf den Agrarmärkten bewirken sie jedoch nicht.

Fragen: Wolf-Dieter Guip