Friedrichshafen wächst, und das kräftig. Rund 63.400 Einwohner zählt die Stadt laut Melderegister (Stand Mai 2022). 2017 waren es mit rund 61.000 noch deutlich weniger. Mehr Menschen bedeutet auch ein Bedarf an mehr Wohnungen. Doch die sind gefühlt knapp, heute genauso wie vor fünf Jahren. Die Folgen sind hohe und weiter steigende Mieten. Und der Druck auf den Grundstücksmarkt ist so groß, das vor allem teure Eigentumswohnungen gebaut werden.

Bild 1: 400 neue  Wohnungen pro Jahr – reicht das?
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Dabei hat die Stadt 2017 ein Bauprogramm mit vielen Förder-Bausteinen beschlossen. Jedes Jahr sollten so 400 bis 500 neue, vor allem bezahlbare Wohnungen in Friedrichshafen entstehen. Der SÜDKURIER hat gefragt: Ziel bis dato erfüllt? Wie viele neue, vor allem preisgebundene Mietwohnungen hat‘s der Stadt gebracht?

Erstens: Bauflächen beschaffen

Seit Jahren gilt, dass in Friedrichshafen nur dort Bauland geschaffen wird, wo die Stadt Eigentümerin der Flächen ist. Nach Angaben des Rathauses hat die Stadt seit 2017 knapp 15 Hektar Land, also 150.000 Quadratmeter, von insgesamt neun Eigentümern erworben.

Im Baugebiet Ittenhauser Straße sind alle Bauplätze verkauft. Die ersten Häuslebauer sind schon am Werk.
Im Baugebiet Ittenhauser Straße sind alle Bauplätze verkauft. Die ersten Häuslebauer sind schon am Werk. | Bild: Cuko, Katy

Dabei erhält der Verkäufer zwar „nur“ den Verkehrswert für sein Grundstück. Aber bis zu 20 Prozent der Fläche kann er behalten und selbst nutzen oder vermarkten – dann zu deutlich teureren Baulandpreisen. Damit will die Stadt Grundstücksspekulationen vermeiden. Nach diesem Modell wurden beispielsweise die Baugebiete Ittenhausen-Nord oder Allmannsweiler (nahe Messe) entwickelt.

Zweitens: Baurecht für Investoren anpassen

Wenn ein Eigentümer auf einem Grundstück ohne passendes Baurecht bauen will, kann das die Stadt quasi zu ihren Spielregeln schaffen. Dieses Instrument nennt sich vorhabenbezogener Bebauungsplan (VEP). Den erstellt der Investor auf eigene Kosten, der Gemeinderat muss zustimmen. So wurden das Postareal am Stadtbahnhof oder die Ortsmitte Fischbach geplant und gebaut.

In der Neuen Ortsmitte in Fischbach sind über 100 Wohnungen entstanden. Weitere sollen folgen.
In der Neuen Ortsmitte in Fischbach sind über 100 Wohnungen entstanden. Weitere sollen folgen. | Bild: Cuko, Katy

Ab 2017 wollte die Stadt VEPs stärker nutzen, um den Wohnungsbau privater Bauträger anzukurbeln. Allerdings nur bei Projekten, die mit erweitertem Baurecht mindestens acht Wohnungen oder 400 Quadratmeter Geschossfläche zusätzlich schaffen.

Nach Angaben des Rathauses wurden seither fünf solcher Pläne auf den Weg gebracht. Erstes Projekt war die umstrittene Bebauung des Apfelbaumfelds an der Regenerstraße. Dafür erhielt Investor Robert Baur schon im Mai 2017 die Genehmigung: acht Gebäude mit 78 Wohnungen. Die Bauarbeiten laufen noch.

Fertig ist das 2017 genehmigte, neue Wohngebiet Karree 4 am Hägleweg in Jettenhausen, das der Markdorfer Bauträger Real Massivhaus geplant hat. „Alle 97 Eigentumswohnungen sind verkauft“, steht auf deren Homepage.

Die Postbaugenossenschaft Baden-Württemberg baut in der Müllerstraße für rund 25 Millionen Euro insgesamt 91 neue Wohnungen in vier Mehrfamilienhäuser – fast vier Mal so viel als vorher auf diesem Areal. Der erste Neubau mit 28 Wohnungen ist fertig, das Gesamtprojekt soll 2024 abgeschlossen sein.

Das erste von vier neuen Gebäuden der Postbau-Genossenschaft in der Müllerstraße steht.
Das erste von vier neuen Gebäuden der Postbau-Genossenschaft in der Müllerstraße steht. | Bild: Cuko, Katy

Bereits im nächsten Frühjahr will die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshafen (SWG) ihr Projekt im Fallenbrunnen abschließen. Neben Kita, Hotel und Gewerbeflächen gibt es hier knapp 120 neue Wohnungen, die meisten mietpreisgebunden.

Ein weiteres Wohnbauvorhaben hängt schon lange in der Luft. Bereits im Sommer 2018 hat der Gemeinderat den Startschuss für den VEP in Seemoos/Windhag gegeben. Der Satzungsbeschluss sei in der Vorbereitung, teilt das Rathaus mit. Investor Michael Kling will im ‚Kirschgarten‘ 48 Wohnungen in acht Mehrfamilienhäusern bauen.

Drittens: Mietpreisbindung in privaten Projekten

Häfler Baulandmodell nennt sich ein weiterer Punkt im Förderprogramm. Das nimmt Investoren in die Pflicht, bei neuen Projekten nicht nur Eigentumswohnungen, sondern auch preisgebundene Mietwohnungen zu bauen. Und zwar dann, wenn die Stadt dafür Baurecht schafft oder erweitert. Die Vorgabe 25 Prozent der zusätzlich geschaffenen Geschossfläche bei Mehrfamilienhäusern müssen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden.

Diese 25-Prozent-Quote hat als erstes Unternehmen die Markdorfer Real Massivhaus GmbH umgesetzt. Im Karree 4 in Jettenhausen wurden fünf Wohnungen mit insgesamt 450 Quadratmeter Wohnfläche nach den Vorgaben der Stadt vermietet. Diese Wohnungen halte der Bauträger im Bestand, teilt Real Massivhaus auf Anfrage mit.

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Laut Rathaus wurden bei einem weiteren Bauprojekt bereits 14 geförderte Wohnungen geschaffen. Drei weitere Verträge seien mit den Bauherren in der Abstimmung. Hier geht es um weitere 125 preisgebundene Mietwohnungen, die mit dem Baulandmodell geschaffen werden sollen.

Wie viele geförderte Mietwohnungen Investor Robert Baur in der Regenerstraße geschafft hat, kann das Rathaus keine Auskunft geben, „da es sich um einen laufenden Rechtsstreit handelt“.

Viertens: Verbilligter Verkauf von Grundstücken

Seit 2017 können Bauherren, die günstigen Wohnraum schaffen, städtische Grundstücke mit Preisnachlass kaufen. Sind alle geplanten Wohnungen günstiger als auf dem Markt, reduziert sich der Kaufpreis für den Baugrund um 30 Prozent. Einen Abschlag von 24 Prozent gibt es, wenn mindestens 80 Prozent der Wohnfläche gefördert erstellt werden.

Im vergangenen Jahr brachte die SWG das Neubauprojekt in Allmannsweiler zum Abschluss.
Im vergangenen Jahr brachte die SWG das Neubauprojekt in Allmannsweiler zum Abschluss. | Bild: Swg

Seither hat die Stadt nach Angaben des Rathauses sechs Grundstücke verbilligt verkauft. Fünf Mal war der Käufer eine kommunale Wohnbaugesellschaft, so zum Bespiel die SWG mit ihrem abgeschlossenen Großbauprojekt in Allmannsweiler. In Summe sind mit diesem Förderinstrument bisher knapp 200 Wohnungen entstanden. Weitere 54 Wohnungen sind gerade im Bau plus 21 in der Planung.

Mit bisher rund 275 geförderten Mietwohnungen ist dieser Baustein im Häfler Förderprogramm also am erfolgreichsten.

Fünftens: Vermieterprämie

Vermieter erhalten eine Prämie von bis zu 500 Euro pro Mieter von der Stadt, wenn sie in ihrer Wohnung Geflüchtete oder Menschen in besonderen Notlagen unterbringen. Bis dato wurden nach Angaben der Stadt insgesamt 40 solcher Verträge abgeschlossen, mit der 145 bedürftige Menschen mit Wohnraum versorgt werden konnten.

Zusätzliche Wohnungen mit Belegungsrecht konnte sich die Stadt über eine Förderprämie hingegen nicht sichern. „Von diesem städtischen Förderprogramm wurde nie Gebrauch gemacht“, heißt es aus dem Rathaus. Deshalb wurde es 2021 eingestellt.

Fazit: 430 geförderte Mietwohnungen

220 preisgebundene Mietwohnungen wurden seit 2017 neu geschaffen; weitere 210 werden gerade gebaut oder sind geplant. Angesicht von 920 seither fertiggestellten Wohnungen in der Stadt ist das eine beachtliche Quote.

Allerdings decken 920 Wohnungen für 2300 Neubürger in Friedrichshafen seit 2017 gerade einmal den akuten Bedarf bei im Schnitt 2,5 Personen pro Haushalt. Der vor fünf Jahren bestehende Nachfrage-Überhang bleibt bestehen. Und: Bei 400 neuen Wohnungen pro Jahr hätten seither 1600 neue Wohnungen entstehen sollen. Dieses Ziel ist klar verfehlt.