Fünf vergiftete Babygläschen, deponiert in den Regalen von fünf Lebensmittel- und Drogeriemärkten in Friedrichshafen. Die Menge an Ethylenglykol in jedem der Gläschen wäre für Säuglinge und Kleinkinder tödlich gewesen.
Verbrechen versetzte weit über die Region hinaus in Angst
Als die Öffentlichkeit vor gut zwei Jahren davon erfuhr, dass ein zunächst Unbekannter mehrere Lebensmittelkonzerne zu erpressen versucht, ging von den inzwischen sichergestellten Gläschen zwar schon keine Gefahr mehr aus. Doch die Androhung, weitere vergiftete Lebensmittel in Umlauf zu bringen, versetzte Menschen weit über Friedrichshafen und die Region hinaus in Angst.
Zu Schaden oder gar zu Tode kam niemand. Der Verantwortliche wurde identifiziert, festgenommen, angeklagt und verurteilt. Nun wird das Verbrechen allerdings erneut im Mittelpunkt einer Verhandlung am Landgericht Ravensburg stehen. Das dort vor einem Jahr gesprochene Urteil gegen den Babybrei-Erpresser wurde in Teilen vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe aufgehoben.
Wie sah das Urteil im Oktober 2018 aus?
Schon vor dem Haftrichter hatte der Festgenommene eingeräumt, die Babygläschen mit Gift versetzt zu haben, um 11,75 Millionen Euro von fünf Handelsketten zu erpressen. Den Vorwurf des Mordes wies er in einer von seinem Anwalt verlesenen schriftlichen Stellungnahme beim Prozessauftakt von sich.
Nach sechs aufsehenerregenden Verhandlungstagen am Landgericht Ravensburg forderte Oberstaatsanwalt Peter Vobiller in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren, Verteidiger Manuel Reiger eine von sieben Jahren. „Der Tatbestand des versuchten Mordes ist nicht erfüllt“, sagte Reiger.
Das sahen die Richter der Schwurgerichtskammer anders: Am 22. Oktober vergangenen Jahres wurde der damals 54-Jährige wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwölfeinhalb Jahren verurteilt. Wenige Tage darauf legte der Mann Revision ein.
Was besagt das Urteil des BGH?
Der Beschluss des ersten Strafsenats des BGH datiert bereits auf den 5. Juni, veröffentlicht wurde er Ende Oktober. Schuldig ist der Mann auch dem BGH-Urteil zufolge – allerdings lediglich der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung. Das hat eine Abänderung des Schuldspruchs und die Aufhebung des Strafausspruchs vom 22. Oktober 2018 zur Folge. „Die Sache“ verweist der BGH damit ans Landgericht zurück.
Er stellte also vergifteten Babybrei in Regale, wollte aber nicht töten?
Ja, so lässt sich das Karlsruher Urteil letztlich zusammenfassen. Der Begründung ist zwar auch zu entnehmen, dass das Landgericht Ravensburg die Tatbestandsmerkmale des versuchten Mordes und der versuchten schweren räuberischen Erpressung mit Todesfolge „ohne Rechtsfehler“ als gegeben angesehen habe. Von diesen Versuchen sei der Angeklagte „wirksam zurückgetreten“ und habe die Vollendung der Tatbestände verhindert.
Wie erklärt der BGH das?
Ausschlaggebend ist die anonym verfasste E-Mail, die der Angeklagte am Abend des 16. Septembers 2018 unter anderem ans Bundeskriminalamt sowie sechs Einzelhandelskonzerne verschickte. Darin forderte der zu diesem Zeitpunkt Unbekannte die Zahlung von 11,75 Millionen Euro und kündigte an, dass sich am 30. September 20 weitere vergiftete Produkte in Filialen der betroffenen Konzerne befinden würden. Die E-Mail enthielt aber auch Hinweise, die es nach BGH-Einschätzung möglich machten, die fünf vergifteten Babygläschen vor dem Verzehr sicherzustellen.
Mit der E-Mail, mit der der Absender also knapp 12 Millionen Euro erpressen wollte, zielte er der Urteilsbegründung nach zugleich „auch auf die Vereitelung des von ihm freilich als möglich erkannten Tötungserfolges“ ab. In Summe könnten die Äußerungen in der E-Mail „nicht anders verstanden werden, als dass der Angeklagte zwar seine Entschlossenheit zum Ausdruck bringen wollte, zur Erreichung seiner Ziele auch den Tod von Kleinkindern in Kauf zu nehmen, er aber wollte, dass die ... vergiftete Babynahrung aufgefunden wird, bevor sie verzehrt wird.“
Wie geht es nun weiter?
Auch nach dem BGH-Urteil bleibt der Täter der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig – und in Haft. Am Landgericht Ravensburg wird aber erneut über das Strafmaß zu entscheiden sein. Dessen Untergrenze liegt bei einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Verhandelt wird vor einer allgemeinen Strafkammer. Das Schwurgericht ist nach Wegfall der Tatvorwurfe des versuchten Mordes und der versuchten rauberischen Erpressung mit Todesfolge nicht mehr zuständig.