Der Frust innerhalb der Belegschaft ist groß. „Der Vorstand muss sich klar zum Standort Friedrichshafen bekennen“, sagt ZF-ler Karl-Heinz Hofer, während er im Demonstrationszug mitläuft. Ein anderer ZF-Mitarbeiter, der wie viele andere seinen Namen nicht nennen möchte, fordert vom Vorstand mehr Transparenz. „Ein Stellenabbau steht im Raum – wir wollen ein klares Statement dazu“, sagt er.

Der nächste wirft ein, dass „es um die Zukunft der ZF gehe“, aber auch um ein gebrochenes Verhältnis zwischen Mannschaft und Vorstand. Kritik kommt auch am Abgang des Häfler Standortleiters Dirk Hanenberg, der bei der Betriebsversammlung im Werk 2 von ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich verabschiedet wurde. „Das er gegangen ist, ist eine Katastrophe, denn er hat sich für uns eingesetzt und für die Produktion gekämpft“, meint ein Demonstrant kurz vor Erreichen des ZF-Forums.
Die „Kultur der Angst“, vor der der Betriebsrat schon vor einigen Tagen im Intranet warnte, scheint für die Mitarbeiter ein reales Problem zu sein. Mit viel Beifall wurde denn auch die Forderung nach einer „ZF Kultur 4.0“ bedacht, während gleichzeitig ein riesiges Transparent vom ZF-Forum herab gelassen wurde.
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“, forderte Betriebsratschef Franz-Josef Müller und sein Kollege Achim Dietrich fügte hinzu: „Wir wollen in einem Unternehmen arbeiten, in dem gegenseitige Wertschätzung, Respekt, Fairness und Vertrauen gelebt werden.“
Dazu gehöre, auch Kritik zuzulassen. „Wenn Menschen Angst haben, Widerworte zu leisten oder sich als Führungskräfte vor ihre Mannschaft zu stellen, wenn sie lieber freiwillig das Unternehmen verlassen, als sich dem weiter auszusetzen, dann sind wir auf dem falschen Weg“, so Müller.
Es geht aber auch konkret um eine neue Standortsicherung für Friedrichshafen über 2022 hinaus und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2030, die der Gesamtbetriebsrat in einer Resolution vom Vorstand eingefordert hatte. Bis heute hat der Vorstand nach SÜDKURIER-Informationen zu der Resolution keine Stellung genommen.

Insidern zufolge ging es im ZF-Wirtschaftsausschuss in den letzten Wochen um die strategische Wirtschafts- und Finanzplanung des Vorstands. Der Gesamtbetriebsrat sei daran nicht beteiligt worden, sondern habe auf den Wunsch, frühzeitig involviert zu werden, eine Absage erhalten, hieß es auf der Betriebsversammlung. Wie Insider berichten, befürchtet der Betriebsrat, dass in dem Strategiepapier Pläne enthalten sind, die den Standort Deutschland schwächen. Nach unseren Informationen soll ZF-Chef Scheider in einem Gespräch mit ZF-Führungskräften für einen stärkeren Ausbau der Entwicklung im Ausland plädiert haben.
Während rund 4000 Mitarbeiter, vorwiegend aus der Produktion, zur Messehalle gekommen waren, um sich die Ausführungen des Betriebsrats anzuhören, weilte der gesamte Vorstand im Ausland.
„Wir verstehen, dass die Mitarbeiter Sicherheit fordern, aber das ist vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Risiken nicht uneingeschränkt möglich. Auch die Transformation der Autoindustrie hin zur E-Mobilität und neuen Mobilitätsangeboten führt zu langfristigen Veränderungen der Beschäftigung. ZF will diese gemeinsam mit den Arbeitnehmern gestalten und seine fest angestellte Stammbelegschaft in Deutschland erhalten“, teilte das Unternehmen mit.
Eine Stellungnahme des Unternehmens gab es auch im Intranet. Ähnlich wie im SÜDKURIER-Interview beteuert Scheider, dass es aktuell in der wirtschaftlich brisanten Situation keine Maßnahmen gebe, die über die bereits lang im Vorfeld geplanten Maßnahmen hinaus gehen sollen. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Abbau von Überstunden, die seit einigen Jahren auf einem zusätzlichen betrieblichen Arbeitszeitkonto gesammelt werden. Bisher bleiben die Arbeitszeitkonten allerdings unangetastet.

Als weitere mögliche Maßnahmen in einer Krise nennt der Betriebsrat in einer internen Mitteilung, die dem SÜDKURIER vorliegt: Reduzierung der außertariflichen Arbeitsverträge (40 Stunden) zurück auf 35 Stunden, Kündigung von Leiharbeitern, Streichung von Investitionen besonders bei der Gebäudesanierung, Verlagerungen ins Ausland, Personalabbau, Reduzierung von Ausbildungsplätzen und nicht zuletzt die Schließung von Standorten.
Während Tausende in der Messe laut applaudierten, pfiffen und in IG-Metall-Kluft und Blaumann der Mobilisierung des Betriebsrats folgten, ging es im ZF-Forum, wo normalerweise der Vorstand arbeitet, eher sachlich-nüchtern zu. Doch auch hier wurde vor dem Auditorium eine Leinwand aufgestellt, damit die vielen Interessierten das Geschehen verfolgen konnten. Applaudiert wurde eher verhalten.