Die Chancen stehen gut, dass die beiden Häfler Gemeinschaftsschulen (GMS) im Jahr 2020 gemeinsam eine gymnasiale Oberstufe einrichten können. Das baden-württembergische Kultusministerium hat Kriterien veröffentlicht, unter welchen Bedingungen eine Genehmigung in Aussicht steht. Dabei wird davon ausgegangen, dass nur Schulen mit mindestens vier Klassen pro Jahrgang genügend Schüler haben, um den Besten das Abitur anzubieten.

Die Häfler Gemeinschaftsschulen Schreienesch und Graf-Soden haben zusammen vom Start weg fünf Klassen pro Jahrgang, wobei im Schreienesch ebenfalls ein dritter Zug eingerichtet werden soll, sobald räumlich mehr Platz ist.

"Wir werden die Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen dort ermöglichen, wo von einer langfristigen Nachfrage ausgegangen werden kann", erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Das ist in Friedrichshafen nach dem aktuellen Stand der Fall. Das Kultusministerium geht davon aus, dass es in dieser Legislaturperiode an maximal zehn Gemeinschaftsschulen eine gymnasiale Oberstufe geben wird.

Grundvoraussetzung ist demnach die im Schulgesetz verankerte Zahl von mindestens 60 Schülern für die Einrichtung eines Abi-Jahrgangs in der 11. Klasse. In der vom Kultusministerium verschickten "Handreichung" an die Schulaufsichten und kommunalen Landesverbände ist nun definiert, welche Übergangsquoten in die Berechnung einbezogen werden.

Eine große Rolle spielt demnach, wie viele Schüler im zweiten Halbjahr der Klassenstufe 9 auf dem erweiterten Niveau, das dem Gymnasialniveau entspricht, lernen. Das Ministerium geht davon aus, das 85 bis 95 Prozent dieser Jugendlichen das Abitur anstreben. Das heißt konkret: Würden 2018 ein Viertel der 150 Häfler Gemeinschaftsschüler in der 9. Klasse auf E-Niveau lernen, würden zirka 35 von ihnen als potenzielle Gymnasiasten in diese Berechnung einfließen. Von den Schülern, die auf dem mittleren Niveau (entspricht der mittleren Reife) lernen, würden noch einmal 30 bis 40 Prozent als mögliche Oberstufenschüler dazu gerechnet.

Aber auch potenzielle Abiturienten anderer Schulen fließen in die Prognose ein. Für umliegende Gemeinschaftsschulen, die keine Oberstufe haben, werden die Schüler mit E-Niveau mit einer Übergangsquote von 60 bis 80 Prozent einkalkuliert, jene mit M-Niveau zu zehn bis 25 Prozent.

Da die bestehenden Gemeinschaftsschulen in Tettnang, Salem oder Meersburg zumindest derzeit nicht vierzügig sind, könnten deren Schüler nach Friedrichshafen wechseln, wenn sie das Abitur anstreben. Zusätzlich werden für die Prognose auch fünf bis 15 Prozent der Schüler umliegender Realschulen berücksichtigt.

Eine zweite Voraussetzung für die Genehmigung der gymnasialen Oberstufe ist das Verfahren der regionalen Schulentwicklung, da von dieser Entscheidung auch andere Schulen sowie andere Schulträger berührt sind. "Bei diesem Verfahren werden alle Beteiligten einbezogen und bei Dissens eine Schlichtung durchgeführt", erklärt Christine Sattler, Pressesprecherin des Kultusministeriums, auf Anfrage. Deshalb werde bei der Prüfung des Antrags insbesondere die Erreichbarkeit der Gemeinschaftsschule zu beruflichen Gymnasien berücksichtigt.

Am 29. Februar hatte der Friedrichshafener Gemeinderat beschlossen, eine gymnasiale Oberstufe an beiden Gemeinschaftsschulen einführen zu wollen, wobei die Genehmigung formell 2018 beantragt werden müsste. Eine Entscheidung, die in der Kreisverwaltung auf Kritik stieß und zuletzt auch im Juni im Kreistagsausschuss für Verwaltung und Kultur zu einer hitzigen Debatte geführt hatte.


Der Landkreis als Träger der beruflichen Schulen befürchtet, dass mit dem Abitur an der Häfler Gemeinschaftsschule der ein oder andere Zweig an einem beruflichen Gymnasium in Friedrichshafen schließen muss – weil sich dann die gleiche Anzahl von Schülern auf ein größeres Angebot verteilt.

Für die Schreienesch- und Graf-Soden-Schule geht allerdings kein Weg am gemeinsamen Gymnasialzug ab 2020 vorbei. Hier war von Anfang an vorgesehen, dass die Schüler später auch das Abitur machen können. Dass man die geforderte Übergangsquote überspringen würde, davon sind die beiden Schulleiter Thomas Strobel und Iris Engelmann überzeugt.

An der Gemeinschaftsschule Graf Soden wird sogar schon an einem Konzept für die Klassenstufen 8 bis 10 mit dem Ziel gearbeitet, eine gymnasiale Oberstufe einzurichten. Darüber gab Schulleiterin Iris Engelmann in der Juli-Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses des Gemeinderats Auskunft.

Nach schulinternen Erhebungen bis Oktober soll bis Ende November ein pädagogisches Konzept stehen. Die Fächer Spanisch sowie Naturwissenschaft und Technik sollen die für die Graf-Soden-Schule prägenden Fächer für die gymnasiale Oberstufe sein, sagt Iris Engelmann.

Kritik von FDP

Für den FDP-Landtagsabgeordneten aus dem Bodenseekreis, Klaus Hoher (Salem), sind Gemeinschaftsschul-Oberstufen "lediglich ein kostspieliges Prestigeobjekt der ehemaligen grün-roten Landesregierung", die den beruflichen Gymnasien sinnlos Konkurrenz machen. Hoher ist Sprecher seiner Fraktion für die berufliche Bildung und kritisierte zusammen mit dem Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Prognosekriterien für die Genehmigung von GMS-Oberstufen. Für Klaus Hoher bieten die beruflichen Gymnasien den idealen dreijährigen Oberstufen-Anschluss für Schüler mit Mittlerer Reife. Dass an den Gemeinschaftsschulen Kinder bereits ab der 5. Klasse auf Abitur-Niveau lernen können, spielt in seiner Betrachtung hingegen keine Rolle. (kck)