Kurz vor sechs Uhr erreichte Flughafen-Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr die schockierende Nachricht: Die Fluglinie Germania stellte in der Nacht den gesamten Flugbetrieb ein. "Das war für uns natürlich keine besonders schöne Entwicklung", so Wehr. Doch er werde "die Flinte nicht ins Korn werfen", sondern nach neuen Möglichkeiten suchen.
Es ist die sechste Insolvenz, die der Flughafen Friedrichshafen mittlerweile zu verkraften hat. Nach den Pleiten von Intersky, VLM, Monarch Airlines, Air Berlin und Hamburg Airways nun also Germania, die "eine der wichtigsten Fluggesellschaften am Bodensee-Airport" war, wie es Wehr formuliert. Rund 32 Prozent der Fluggäste flogen mit Germania. Dann muss er weg – zu einer Krisensitzung mit den Mitarbeitern des Airports.
An der Flughafen-Information laufen schon seit dem frühen Morgen die Telefone heiß. "Ich kann allerdings den Kunden auch nur mitteilen, dass alle Flüge gestrichen wurden", sagt Mike Ruff, der an diesem Morgen dort Dienst hat. "Die Kunden sind natürlich ziemlich frustriert", erzählt er und nimmt gleich wieder das bimmelnde Telefon ab.
Beim Alltours-Reisebüro im Terminal stehen bereits die ersten Germania-Kunden an, um sich zu erkundigen, wie es denn nun weitergeht. Darunter ist auch das Ehepaar Ernst und Doris Schindler, die etwas verloren mit ihren Reiseunterlagen für einen Flug nach Gran Canaria Ende Februar in der Schlange stehen. "Ich wollte meine Frau anlässlich unseres 60. Hochzeitstages einmal schön ausführen", erzählt Ernst Schindler. Ob daraus etwas wird, weiß er jedoch noch nicht.

Kerstin Hans vom Alltours-Reisebüro spricht von einer "absoluten Katastrophe für uns alle hier". Denn viele, viele Buchungen wurden bereits gemacht, für die Pfingst- oder Sommerferien. "Unser größtes Problem ist aber im Moment, die Leute zurück zu holen, die derzeit in den Zielgebieten festsitzen", erzählt sie. Bereits um 9 Uhr ist die Warteschlange an ihrem Telefon auf 20 Minuten angewachsen, sie kommt dem Ansturm nicht mehr nach. "Morgen wäre ein Flug nach Gran Canaria, übermorgen einer nach Fuerteventura ab Friedrichshafen gestartet", so Kerstin Hans. Rund 200 Gäste seien es pro Maschine, für die nun eine Lösung gefunden werden müsse.
Laut einer Information von Thomas Cook-Reisen, die Kerstin Hans vorliegt, bemühen sich die Reiseveranstalter zunächst darum, die Gäste aus den Urlaubsgebieten zurück nach Deutschland zu bekommen. "Alle Reisen mit einem Germania-Flug nach Paphos oder Sharm-El-Sheik bis einschließlich 28. Februar werden von Thomas Cook abgesagt", heißt es in der Mitteilung. "Für alle weiteren Pauschalreisen ab dem 6. Februar wird unsere Kundenbetreuung in den nächsten Tagen einen alternativen Flug anbieten", so Thomas Cook, die auch Reisen von Neckermann, Bucher, Air Marin und Öger Tours betreuen.
Für Flughafen Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr kommt die Germania-Pleite zur Unzeit. "Eigentlich sind die Märkte und die Kunden da, die das Angebot von Germania genutzt haben. Ich bin überzeugt, dass es in naher Zukunft eine Alternative geben wird", so Wehr.
Das müssen betroffene Kunden jetzt beachten:
- Wer über einen Reiseveranstalter einen Flug mit Germania gebucht hat, muss sich direkt an den Veranstalter wenden. "Die Kunden, die einen Germania-Flug als Pauschalreise innerhalb eines Komplett-Pakets gebucht haben, sind über den jeweiligen Reiseveranstalter abgesichert", kommuniziert der Flughafen.
- Wer allerdings ein Ticket direkt über die Website von Germania gebucht hat, hat keinen Anspruch auf Ersatzbeförderung. Kunden können versuchen, ihre Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Jedoch ist nach Angaben des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ) noch nicht bekannt, wie das Insolvenzverfahren überhaupt durchgeführt wird. "Passagiere insolventer Airlines gehen in den meisten Fällen oft leer aus", so die EVZ.
- Verbraucher, die ein Germania-Ticket per Kreditkarte bezahlt haben, sollten ihre Kreditkartenbedingungen auf einen möglichen Insolvenzschutz prüfen, rät die EVZ.
- Es bringt nichts, beim Flughafen Friedrichshafen direkt anzurufen. Zuständig sind die Kundenhotlines der Reiseveranstalter
- Laut dpa bietet die Lufthansa Sonderkonditionen für betroffene Passagiere von Germania-Flügen an. Die Fluggesellschaften Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines wollen Betroffenen demnach bei Verfügbarkeit für Flüge von und nach Deutschland innerhalb Europas Tickets für 50 Euro zuzüglich Steuern anbieten, für Flüge zwischen Deutschland und dem Nahen Osten für 200 Euro zuzüglich Steuern. Die Tickets sollen "in den kommenden Tagen buchbar sein". Über das genaue Verfahren zur Buchung dieser Sonderkonditionen werde "zeitnah" auf der Website LH.com informiert.
- Die Lufthansa-Tochter Eurowings stelle aktuell im Ausland gestrandeten Germania-Passagieren "mit sofortiger Wirkung stark rabattierte Konditionen für Rückflüge nach Deutschland mit Eurowings in der Zeit bis Ende Februar 2019 an". Betroffene Germania-Kunden können sich demnach auf eurowings.com einen neuen Flug nach Deutschland buchen und erhalten "im Nachgang 50 Prozent Rabatt auf den Preis, wenn sie entsprechende Unterlagen einreichen".