Ob City- oder Tourenrad, Rennmaschine, Mountainbike oder Liegerad: So ziemlich jedes Fahrrad ist inzwischen sowohl mit als auch ohne elektrische Unterstützung erhältlich. Aber E-Bikes, vor allem Pedelecs, werden immer beliebter. Mehr als 75 Millionen Fahrräder besitzen die Deutschen, davon sind schon rund 4,5 Millionen E-Bikes, so die Zahlen des Zweirad-Industrieverbands (ZIV) im Sommer 2019. Und es werden immer mehr. Im vergangenen Jahr entschied sich nach Angaben des Verbandes jeder vierte Fahrradkäufer für eine Variante mit elektrischer Unterstützung; 1,2 Millionen Pedelecs wurden in Deutschland verkauft, ein Wachstum erneut im zweistelligen Bereich. Zum Vergleich: 2017 waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verkaufte 720 000 E-Bikes, 2018 rund 980 000.

Kann man von einem Trend hin zum E-Bike sprechen? „Definitiv“, sagt Jens Gohres, Leiter des Radolfzeller E-Bike-Centers von Zweirad Joos, der auch am Standort Immenstaad ausschließlich Fahrräder mit Motor verkauft. Der Händler plant, an seinen insgesamt vier Standorten am See in diesem Jahr 13 000 Räder zu verkaufen, davon 5000 E-Bikes. Das sind 40 Prozent. „Der Anteil ist stark gewachsen“, sagt Jens Gohres, „und die Nachfrage hält an. Es ist enorm, was wir im Januar schon verkauft haben“. Deshalb verdoppelt Zweirad Joos gerade seine Hallenfläche im E-Bike-Center in Radolfzell. Dabei seien die Kunden deutlich jünger, sportiver und anspruchsvoller geworden. Nicht nur Berufspendler, sondern auch Mountainbiker und sogar Rennradfahrer entdecken das E-Bike für sich.
Taugt das E-Bike auch am Bodensee für die Verkehrswende? „Selbstverständlich“, sagt Kreisvorsitzender Bernhard Glatthaar vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). „Alles, was sich auf zwei Rädern fortbewegt, ist besser als auf vier Rädern.“ Denn jedes Rad oder E-Bike in der Stadt bedeutet weniger Staus, bessere Luft und mehr Bewegungsfreiheit. Außerdem brauchen E-Bikes genauso wenig Platz wie herkömmliche Räder, wobei auf der Fläche eines Autos acht Fahrräder stehen können. Nach seinen Beobachtungen steige mit den Pedelecs der Anteil der Menschen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren, auch wenn sie mehr als zehn Kilometer entfernt wohnen. Für die Verkehrswende müssten allerdings Radwege und -stellplätze deutlich ausgebaut werden. Die Infrastruktur sei nicht mitgewachsen. „Die meisten Radwege sind für die schnelleren Radler einfach nicht gemacht“, sagt er.
Macht sich der E-Bike-Trend in den Unfallzahlen bemerkbar? Ja, sehr deutlich. Während sich die Zahl der Unfälle mit herkömmlichen Rädern im Bodenseekreis in den vergangenen fünf Jahren kaum veränderte, hat sich die Zahl der Unfälle mit E-Bikes mehr als verdoppelt. 2018 war an jedem vierten Radunfall im Kreisgebiet ein E-Bike beteiligt. Auffällig ist zudem, dass ein Radler auf dem E-Bike bei einem Unfall häufiger schwer verletzt wird. 2018 landete nahezu jeder vierte E-Bike-Fahrer nach einem Verkehrsunfall im Krankenhaus. Hauptgrund: Viele ältere Menschen entdecken das E-Bike für sich. Altersbedingt sind sie viel anfälliger für Verletzungen.
Das Stadtwerk am See fördert den Kauf von E-Bikes seiner Kunden schon seit Jahren – mit welchen Erfahrungen? Schon vor zehn Jahren legte damals die TWF – heute Stadtwerk – dieses Förderprogramm auf. Ein Jahr später zog das Stadtwerk Überlingen nach. „Wir waren die Ersten mit einem derartigen Programm in der Bodenseeregion“, sagt SWSee-Pressesprecher Sebastian Dix. Das Angebot gilt heute noch: Wer bei Partnerfirmen des Stadtwerks ein E-Bike oder einen E-Roller kauft, bekommt 50 Euro zurück. Voraussetzung ist die SWSee-Kundenkarte. Das Programm wurde von Anfang an rege genutzt. 70 bis 100 Motor-Räder werden jährlich gefördert. Bis zum Jahresende 2019 wurden seit Start des Programms zirka 960 Anschaffungen vom Stadtwerk gefördert, so Dix.
Standpunkt: Sind E-Biker „richtige“ Radler?
Kommt der ZF-Sachs-Antrieb dieses Jahr serienmäßig auf den Markt? ZF ist der vierte Automobilzulieferer, der das motorisierte Fahrrad für sich entdeckt hat. Für einen E-Bike-Antrieb der neuen Generation kaufte sich ZF bei Sachs ein und gründete 2018 mit weiteren Partnern das Joint Venture ZF Sachs Micro Mobility. Der hier entwickelte Antrieb – ein Mittelmotor mit kraftvollen 110 Newtonmeter – soll Marktführer Bosch auf dem E-Bike-Markt Konkurrenz machen. „Die mit dem Sachs-RS-Antrieb ausgestatteten Fahrräder sollen wie geplant dieses Jahr in den Handel kommen“, antwortet ein ZF-Sprecher auf Nachfrage.
Und hat ZF das Thema Jobrad im eigenen Unternehmen zum Laufen gebracht? ZF hat Ende 2019 beschlossen, den Mitarbeitern an seinen deutschen Standorten Fahrradleasing anzubieten. „Derzeit schaffen wir die konkreten Voraussetzungen, um das Leasing praktisch im Unternehmen einzuführen“, teilt ein Sprecher von ZF mit. Ziel sei es, dass die Beschäftigten von diesem Frühjahr an die Räder leasen können – freilich auch E-Bikes oder die mit ZF-Sachs-Antrieb.