Wann darf der Staat einem Eigentümer Grundbesitz wegnehmen? Wir klären die wichtigsten Fragen
Der Fall des Friedrichshafener Landwirts Anton Schraff zeigt, dass eine Enteignung auch im Rechtsstaat Deutschland möglich ist. Wir erklären, wann das erlaubt ist und was das für den Eigentümer bedeutet.
Die Trasse der B31 durchschneidet auf sieben Kilometern Länge Feld, Wald und Flur. Mit der Enteignung von 3,8 Hektar Ackerland, die dem Landwirt Anton Schraff gehört haben, sind heute alle Flächen im Besitz des Bundes, die für den Straßenbau und auch Ausgleichsflächen gebraucht werden.
| Bild: Julius Hiller/Achim Mende
Enteignung? Was dem Friedrichshafener Landwirt Anton Schraff schlaflose Nächte bereitet, ist auch im Rechtsstaat Deutschland möglich. Juristen sprechen zwar von absoluten Ausnahmefällen. Doch so selten sind sie dann doch nicht. Laut Regierungspräsidium Tübingen wurden in den vergangenen zehn Jahren im Land die Eigentümer von 28 Grundstücken enteignet – für den Bau von Fernstraßen, Eisenbahnstrecken oder für andere Bauprojekte. Rechtsanwalt Martin Glöggler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der den Bauern aus Schnetzenhausen in diesem Fall vertritt, hat nach eigenem Bekunden drei bis fünf Verfahren pro Jahr auf dem Tisch. „Wir versuchen immer zuerst, diese Streitfälle außergerichtlich zu regeln“, sagt er. Die von der Behörde verfügte Enteignung ist aus seiner Sicht immer die schlechteste Lösung für den Betroffenen.
Land weg: Bauer Anton Schraff hat auch diese nun eingezäunte Ackerfläche eingebüßt. Der Staat beansprucht das Feld heute als Ausgleich für den Bau der neuen B 31 zwischen Friedrichshafen und Immenstaad.
| Bild: Cuko, Katy
Für Anton Schraff, der 3,8 Hektar Ackerland wider Willen an den Staat abgeben muss, ist die Messe erst einmal gelesen. Am Dienstag erhielt sein Rechtsanwalt den Enteignungsbeschluss vom Regierungspräsidium Tübingen. 1,6 Hektar werden für den Bau der neuen B 31 zwischen Friedrichshafen und Immenstaad gebraucht, 2,2 Hektar für Ausgleichsflächen.
Dabei ist der Straßenbau bereits seit 2015 im Gang. Seitdem ist die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs und -bau GmbH als Bauherrin im Auftrag des Bundes auch in der Verantwortung, die noch offenen Grundstücksangelegenheiten abzuwickeln. Bis dahin hatte die Stadt Friedrichshafen die Vollmacht dafür und habe „alles getan, um Enteignungen zu vermeiden“, bekräftigte Monika Blank, Sprecherin der Stadt Friedrichshafen. Nur in diesem einen Fall sei dies bedauerlicherweise nicht gelungen.