Bernd Schmid hat zu tun. Kein Wunder, denn auf den 18 Hektar des Immenstaader Früchtebauers hat die Apfelernte begonnen. Helfer aus Rumänien pflücken draußen auf den sonnigen Feldern Gala-Äpfel, in einem benachbarten Café warten schon Kollegen, um mit Schmid über die laufende Ernte zu diskutieren. Trotz des Trubels will sich der 55-Jährige Zeit nehmen. Er will die Zukunft seiner Früchte zeigen.
Bodensee-Äpfel sind nicht gleich Bodensee-Äpfel. Was entlang des Schwäbischen Meers von zahlreichen Betrieben angebaut und zu einem großen Teil von der Vertriebsgesellschaft Obst vom Bodensee (OvB) in die Märkte gebracht wird, ist ein breites Portfolio.
Auch Bernd Schmid vertreibt seine Produkte zu einem großen Teil über die OvB. Auf deren Webseite sind 22 Hauptsorten gelistet. Sie alle sind angepasst an die Bedürfnisse der Bauern vor Ort, des Einzelhandels und natürlich der Kunden. Es beginnt bei B wie Boskoop endet bei S wie Swee-Tango. Von Letzterer wird noch die Rede sein.

Bauer Schmid pflanzt Trendsetter
Bernd Schmid steigt in seinen verstaubten weißen Kombi und fährt los. “Ich selbst baue fünf unterschiedliche Sorten an“, erzählt er und manövriert zwischen Apfelbäumen hindurch. Cameo mache bei ihm etwa 30 Prozent aus, Elstar und Gala je 20 Prozent, Mairac zehn. Und dann ist da eben noch Swee-Tango, mit ebenfalls 20 Prozent. Das ist die neueste Sorte auf Schmids Feldern – und für ihn eine Art Trendsetter für künftige Äpfel.
So sieht es auch Ulrich Mayr, den Bernd Schmid nur „den Uli“ nennt. Mayr ist Fachbereichsleiter für Sortenprüfung am Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee (KOB) in Ravensburg. Der Agrarwissenschaftler sucht seit 25 Jahren nach Apfelsorten, die geeignet sind für den Anbau in der Region.
Mayr berät Bauern wie Bernd Schmid und weiß, was neue Produkte leisten müssen: “Sie müssen crunchy sein“, betont er, “es muss also laut knacken, wenn man in die Frucht beißt.“ Fruchtfleisch und Saft sollten sich schnell im Mund verteilen, ein süß-säuerlicher Geschmack ist erwünscht. In den Zähnen darf keine Haut hängen bleiben. Aber es kommen noch weitere Kriterien hinzu.
Guter Geschmack reicht nicht aus
“Die Früchte müssen haltbar sein, dürfen mit der Zeit nicht mehlig werden“, so Mayr. Auch Resistenz gegen Erreger ist gefragt, also gegen Pilze wie Schorf oder Mehltau. “Selbst die Größe muss standardisiert sein, am besten 70 bis 75 Millimeter im Umfang.“
Damit, so der Wissenschaftler, lassen sie sich gut in Sechserpacks verkaufen, die in Summe etwa ein Kilogramm wiegen. Und natürlich müssen die Bäume jährlich Ertrag liefern. Bliebe dieser mal eine Saison aus – es wäre fatal für die Bauern. Das alles weiß auch Bernd Schmid. Doch lassen sich neue, vielleicht auch bessere, Apfelsorten einfach mal so schnell anbauen?
Mittlerweile ist Bernd Schmid an den Bäumen angekommen, die er zeigen will: In rot-grün, der derzeit beliebtesten Apfelfärbung, schimmern die Swee-Tango im Sonnenlicht. Schmid beschäftigt sich schon lange mit der Sorte: Erste Probepflanzung vor neun Jahren, erste größere Baum-Bestellung vor sieben – die Lieferzeit beträgt zwei Jahre. Vor fünf Jahren wurden dann die Setzlinge gepflanzt, seit drei Jahren tragen sie Früchte. “Es braucht seine Zeit“, sagt Schmid und pflückt einen Apfel.

Das Angebot an Bodensee-Äpfeln wandelt sich langsam
Es ist also ein weiter Weg, bis neue Sorten vom Bodensee beim Kunden landen. Von ihrer Entwicklung – Swee-Tango etwa stammt von der University of Minnesota in den USA – geht es über das Kompetenzzentrum, wo Experten wie Ulrich Mayr die Sorten prüfen. Dann kommen die Bauern an die Reihe, und schließlich landen sie beim Kunden. Kein Wunder also, dass sich das Angebot an Äpfeln nur langsam wandelt.
Michael Büser, Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft Bodensee, sagt am Telefon: “Wir versuchen, Stück für Stück Premium-Sorten am Markt zu platzieren.“ Swee-Tango, die derzeit geerntet werde, sei dabei lediglich eine von mehreren neuen Sorten. Auch andere Produkte, wie etwa Kanzi oder Fräulein, werden später in der Saison geerntet und sollen sich gegen günstigere Ware, etwa aus Osteuropa, am Markt durchsetzen. Wie groß genau der Anteil welcher Sorte im Angebot der Vertriebsgesellschaft ist, das will Büser allerdings nicht verraten.

Fragt man den Experten Ulrich Mayr und den Bauern Bernd Schmid, gibt es neben den aktuellen Sorten schon weitere interessante in der Testung. So etwa Rave, die besonders knackig sein soll. Auch diese wurde von der Universität in Minnesota entwickelt. Ulrich Mayr testet den Apfel bereits auf Herz und Nieren – und auch Bernd Schmid hat zu Testzwecken einige Bäumchen gepflanzt.
Noch allerdings ist nicht klar, ob sich die Sorte für den hiesigen Anbau bewährt, die Prüfungsphase läuft noch. Auch andere Sorten werden erprobt. Etwa solche, die optisch besonders auffällig sind: rotfleischige Apfelsorten etwa. Sie werden, so Mayr, zum Teil schon produziert und etwa unter dem Namen Kissabel vermarktet. Bauer Schmid testet sie noch.

Experte: Äpfel sind wie Autos
Aber wenn neue Sorten auf den Markt kommen – verschwinden dann andere? “Klar“, sagt Wissenschaftler Ulrich Mayr. Für den Boskoop etwa sieht er keine rosige Zukunft. “Der wird zwar gerne zum Backen verwendet, aber ist zu mehlig für einen breiten Absatz.“ Gleichzeitig möchte er diejenigen beruhigen, die die traditionellen Sorten schätzen.
Der Gravensteiner etwa sei bereits aus dem breiten Handel verschwunden, denn er werde bereits nach kurzer Lagerung mehlig. Dennoch sei er noch zu finden. „Es gibt ein schier unendlich breites Angebot an Früchten“, so Mayr. Besonders in Hofläden sei das Angebot oft bunt. Denn: “Bei Äpfeln ist es ein bisschen wie bei Autos.“ Zwar kauften die Kunden hauptsächlich moderne Autos für ihren Alltag. “Aber ihr Herz gehört den Oldtimern.“