100.000 Quadratmeter Fläche in zwölf riesigen Hallen hat die Messe Friedrichshafen zu bieten. Unter den Dächern wäre Platz für rund 20 Fußballfelder, grob gerechnet. Und da soll keine halbe Halle frei sein für ein Volleyball-Spielfeld?

Mit dieser Frage wurde Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen, in den vergangenen Monaten oft konfrontiert. Denn als die ZF-Arena am Sportpark wegen Bauschäden von heute auf morgen dicht gemacht wurde, standen neben Schulen und Vereinen auch die VfB-Profis samt Bundesstützpunkt und Geschäftsstelle vor verschlossener Tür. „Wir haben damals proaktiv gesagt, dass wir wohl helfen“, zeichnet Wellmann die Situation Ende September 2020 nach.

Viel Platz ist unter den Messedächern. 100.000 Quadratmeter misst die Ausstellungsfläche.
Viel Platz ist unter den Messedächern. 100.000 Quadratmeter misst die Ausstellungsfläche. | Bild: Messe Friedrichshafen
„Auch bei Spielbetrieb können die Foyers und weitere Hallen für das Messe-Kerngeschäft genutzt werden.“
Aus der Pressemitteilung der Messe Friedrichshafen vom 3. November 2020

Nur wenige Tage später teilte die Messe mit, dass der VfB-Volleyballsport in der Halle A 1 eine Übergangsheimat erhält – und zwar bis April 2022. Zwar ist von Unterbrechungen in der zweiten Saison die Rede, „die gegebenenfalls auch einen Umzug innerhalb des Geländes erfordern“. Aber dass die Volleyballer schon im April 2021 aus der größten Messehalle ganz raus müssen, damit rechnete niemand beim VfB. Klaus Wellmann hat dafür eine einfache Erklärung: „Das Messegeschäft geht vor. Das war die Grundbedingung, auf die wie uns verständigt hatten.“

Nicht nur eine Notlösung

Der Rest ist bekannt: Erst tingeln die Profis den Rest der Saison durch die Schulsporthallen in der Stadt, dann wird die B 4 auf der Messe zur Trainingsstätte. Ausgerechnet eine der zwei Hallen, die nicht hoch genug sind, um Profispiele darin zu absolvieren. Für Bundesliga und Champions League wird für die Saison 2021/22 notgedrungen die 100 Kilometer entfernte Ratiopharm-Arena in Neu-Ulm gebucht.

Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt plant der VfB, der trotz aller widrigen Umstände Deutscher Vizemeister und Pokalsieger geworden ist, die neue Spielzeit. Doch mit welcher Halle? In Sitzungsunterlagen für den Gemeinderat steht, dass von 298 Tagen, in denen der VfB in der nächsten Spielzeit ein Dach überm Kopf braucht, „an 139 Tagen (ca. 47 Prozent) keine der Messehallen bzw. keine halbe Messehalle zur Verfügung steht“. Und: Das erneute Messe-Gastspiel würde für eine Saison rund 520 000 Euro kosten. Die Hälfte davon allein dafür, dass man Spielfeld und Tribüne sechs Mal auf- und abbauen müsste.

Temporäre Volleyball-Halle viel zu teuer

Doch wo bleibt der VfB dann an den vakanten 139 Tagen? Aus Ratsunterlagen geht hervor, dass die Messe im Auftrag des Oberbürgermeisters eine temporäre Profi-Volleyball-Halle als Leichtbau auf einem ihrer Grundstücke in Alt-Allmannsweiler durchgerechnet hat. Doch die wäre mit geschätzten Baukosten von 8,3 Millionen Euro nicht nur teuer, sondern könnte erst im Herbst 2024 stehen.

Hat der VfB Platz in der Messe? Video: Benjamin Schmidt

„Die Belegung, die wir in den Hallen anbieten konnten, reicht für den VfB nicht“, stellt Klaus Wellmann nüchtern fest. An den 139 Tagen sei durch Messen, Parallelveranstaltungen sowie Auf- und Abbau nichts frei. Die Messe könne schon gar nicht eine konkrete Halle weder durchgängig noch dauerhaft freiräumen oder Veranstaltungen „drumherum planen“. Beim Proficlub hingegen spricht man unter der Hand von „Verhinderungsplanung“.

Das könnte Sie auch interessieren

Nun suchen nicht nur die Volleyballer dringend eine Halle, sondern die Stadt auch für den Schul- und Vereinssport. Wäre es nicht fair, eine Messehalle für etwa vier Jahre der Stadt zur Verfügung zu stellen? Damit könnte man viel Geld sparen, um eine Traglufthalle (2,7 Millionen Euro) oder andere Alternativen zu finanzieren. Außerdem hat die Stadt als Gesellschafter der Messe mitten in der Pandemie auch unter die Arme gegriffen und eine Kapitalspritze von fünf Millionen Euro gezahlt, damit die Messe GmbH nicht Insolvenz anmelden muss.

Wellmann: „Es geht nicht um fair oder nicht fair“

Diese Rechnung geht für Klaus Wellmann nicht auf, selbst wenn er dann quasi einen Dauermieter „zum Freundschaftspreis“ hätte. „Es geht nicht um fair oder nicht fair. Man kann das Problem des VfB nicht zu einem existenziellen Problem der Messe machen.“ Wellmann befürchtet, große Messen würden Friedrichshafen als Standort verlassen. „Das geben die Verträge her.“ Abgesehen davon seien Messehallen baulich als Sporthallen nur wenig geeignet. Dazu kämen immense Heizkosten.

Der Jubel war groß, als der VfB Friedrichshafen im März gegen Lüneburg den Pokaltitel gewannen – trotz aller Hallenprobleme des Clubs.
Der Jubel war groß, als der VfB Friedrichshafen im März gegen Lüneburg den Pokaltitel gewannen – trotz aller Hallenprobleme des Clubs. | Bild: Sebastian Wells

Vor diesem Hintergrund hat sich der VfB selbst noch einmal auf die Suche gemacht. Denn weder die Bodensee-Sporthalle noch die Oberschwabenhalle in Ravensburg stellen machbare Alternativen für den Proficlub dar. Die Spieltage noch eine Saison in Neu-Ulm auszutragen, wäre erneut mit hohen Mehrkosten verbunden und sorgt für noch mehr Entfremdung bei den heimischen Fans. Und löst das Problem einer fehlenden Trainingshalle nicht.

Nicht auf dem Messegelände (oben), sondern am Flughafen kann sich der VfB für die nächsten Jahre einmieten – wenn der Gemeinderat ...
Nicht auf dem Messegelände (oben), sondern am Flughafen kann sich der VfB für die nächsten Jahre einmieten – wenn der Gemeinderat dem Finanzpaket zustimmt. | Bild: Gerhard Plessing Flug und Bild

Am Montag zog der VfB in nicht öffentlicher Sitzung den Joker aus dem Ärmel: Der Club könnte sich in einer Halle am Flughafen einmieten, die sich für knapp zwei Millionen Euro zur neuen Spiel- und Trainingsstätte umrüsten ließe – plus laufende Kosten und Miete. Ob der Gemeinderat diesem Finanzpaket am nächsten Montag zustimmt, bleibt abzuwarten. Im Ausschuss gab es nach Informationen aus Ratskreisen weder ein eindeutiges Stimmungsbild noch eine Beschlussempfehlung.

Letzte Konsequenz: Abwicklung des Proficlubs

Ohne Hallenlösung bekommt der VfB keine Bundesliga-Lizenz mehr. Dies würde ein „Entzug der Geschäftsgrundlage“ der VfB Volleyball GmbH bedeuten, und das schlussendlich die Abwicklung des Proficlubs, steht in den nicht öffentlichen Ratsunterlagen. Ob die Stadt den Volleyball-Rekordmeister in Deutschland so unsportlich vom Spielfeld stellt?

Mehr rund ums Thema Messe