Die Idee ist nicht neu. Vor dreieinhalb Jahren reiste der Stuttgarter Oberbürgermeister a.D. Wolfgang Schuster eigens nach Friedrichshafen, um sie breit zu platzieren. Bei einem Pressegespräch im Januar 2020 präsentierte der CDU-Politiker in seinen Augen die Lösung im Streit um die Zeppelin-Stiftung. Mit den Millionenbeträgen könne – ganz im Sinne des Stiftungsgründers Graf Zeppelin – eine Art Silicon Valley der Luft- und Raumfahrt am Bodensee entstehen.

Dabei blieb es, bis Mittwoch. In einem exklusiven Gespräch mit dem SÜDKURIER und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) legte Wolfgang Schuster in Stuttgart das Konzept für ein europäisches Forschungszentrum vor, das am Flughafen Friedrichshafen entstehen könnte. Ein Zentrum, das sich dem ökologischen Fliegen widmet, Akteure vernetzt, Start-ups fördert. Jedoch ein Projekt, das mit Stiftungsgeldern der Stadt Friedrichshafen wachsen soll.

Wolfgang Schuster, Alt-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, hat den Zeppelin-Freundeskreis für Ecoflying gegründet.
Wolfgang Schuster, Alt-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart, hat den Zeppelin-Freundeskreis für Ecoflying gegründet. | Bild: Cuko, Katy

Neuausrichtung der Zeppelin-Stiftung?

Davon wissen zurzeit aber weder das Rathaus noch der Gemeinderat. Für Wolfgang Schuster kein Problem: „Meine Vision lautet: Mittels einer Neuausrichtung der Zeppelin-Stiftung revitalisieren wir einen der bedeutendsten Akteure für nachhaltiges Fliegen in Europa.“ Gemeint ist Ferdinand Graf von Zeppelin, der Luftschiffpionier.

Prominente Unterstützer

Hinter dem Konzept steht der Alt-OB der Landeshauptstadt nicht allein. Er ist Vorsitzender eines neuen Vereins, der sich Zeppelin-Freundeskreis für Ecoflying nennt. Mit an Bord sind unter anderem Wolfgang Ressel, Rektor der Uni Stuttgart, mit Jürgen Ahlers der Chef des Forums Luft- und Raumfahrt in Baden-Württemberg oder Georg Fundel, langjähriger Geschäftsführer des Stuttgarter Flughafens, der auch beim Bodensee-Airport im Aufsichtsrat saß.

Der Enkel des Gründers der Dornier-Werke, Conrado Dornier, gehört ebenso zum Unterstützerkreis wie Roger Kehle, bis 2021 langjähriger Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg. „Mit den Erträgen der Zeppelin-Stiftung als Drittmittel werden bedeutende Forschungsgelder nach Friedrichshafen fließen. Damit wird Friedrichshafen zum großen Gewinner“, sagt Kehle.

Bild 2: In Zeppelins Namen: Neuer Verein will am Flughafen Friedrichshafen Erfolgsgeschichte schreiben
Bild: Bernd Weissbrod
„Mit den Erträgen der Zeppelin-Stiftung als Drittmittel werden bedeutende Forschungsgelder nach Friedrichshafen fließen. Damit wird Friedrichshafen zum großen Gewinner.“
Roger Kehle, Ehrenpräsident des Gemeindetags Baden-Württemberg

Der Grundstein sei längst gelegt, argumentiert Wolfgang Schuster. Firmen wie Rolls-Royce und Liebherr-Aerospace, Airbus oder Diehl Aerospace entwickeln und produzieren Hochtechnologie für Luft- und Raumfahrt. Neben diesen großen Unternehmen gibt es reihenweise mittelständische Firmen, die zur sogenannten Bodensee AIRea gehören wie Hochschulen, das Fraunhofer Institut oder die IHK Bodensee-Oberschwaben.

Was in diesem Cluster aber fehle, sei ein „Forschungsleuchtturm mit internationaler Ausstrahlung“, stellte bereits 2019 die Initiative „Denkraum Bodensee“ fest. Genau diese Empfehlung will der Freundeskreis umsetzen, „damit sie nicht in Positionspapieren verharrt, sondern eine praktische Bedeutung bekommt“, so Schuster.

Vorbild Sonderflughafen Oberpfaffenhofen

Als Vorbild nennt er den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen, an dem sich mit Fördergeldern der bayrischen Landesregierung im Lauf der Jahre ein Airtech-Campus etabliert hat. Hier unternimmt nicht nur das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Forschungsflüge. Hier haben sich zahlreiche Unternehmen und Institutionen mit etwa 8000 Beschäftigten, davon rund 4000 auf dem Flughafen, angesiedelt.

Ankunftsterminal am Bodensee-Airport: Der ist für eine Million Passagiere ausgebaut, die hier pro Jahr noch nie gestartet oder gelandet ...
Ankunftsterminal am Bodensee-Airport: Der ist für eine Million Passagiere ausgebaut, die hier pro Jahr noch nie gestartet oder gelandet sind. | Bild: Flughafen Friedrichshafen GmbH

Der Flughafen Friedrichshafen biete sich als Standort für das vom Zeppelin-Freundeskreis geplante Zentrum geradezu an. „Der Flughafen steht unter hohem wirtschaftlichen Druck“, stellt Wolfgang Schuster fest. Gemeinsam mit der Stadt Friedrichshafen ließe sich aber eine ähnliche Entwicklung wie in Oberpfaffenhofen anstoßen. Die Stiftungsgelder würden als Drittmittel eine solch große Hebelwirkung erzeugen, dass dreistellige Millionenerträge für Forschungszwecke verfügbar würden. Eine große Chance auch für qualifizierte Arbeitsplätze und neue Steuereinnahmen.

Rechnung ohne den Wirt

Doch aktuell wird die Rechnung ohne den Wirt gemacht. 2020 schlugen Schusters Versuche, mit Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand darüber zu sprechen, fehl. Auch diesmal habe er sich an das Stadtoberhaupt gewendet. Das bestätigt das Rathaus. „Uns hat ein Schreiben von Herrn Professor Dr. Schuster erreicht, in dem er das Projekt kurz skizziert und um einen Gesprächstermin bittet“, erklärt Stadtsprecherin Monika Blank auf Anfrage unserer Zeitung. Aufgrund der Urlaubszeit habe Wolfgang Schuster einen Zwischenbescheid erhalten. „Eine konkrete Antwort unsererseits ist noch offen“, so das Rathaus. Solange die noch nicht erfolgt ist, gebiete es die Höflichkeit, „dass wir uns nicht weiter dazu äußern“.

Oberbürgermeister Andreas Brand, hier im Gespräch mit SÜDKURIER-Redaktionsleiter Benjamin Schmidt, sieht keinen Gesprächsbedarf.
Oberbürgermeister Andreas Brand, hier im Gespräch mit SÜDKURIER-Redaktionsleiter Benjamin Schmidt, sieht keinen Gesprächsbedarf. | Bild: Lena Reiner

„Die Frage liegt nahe, wie die Stadt Friedrichshafen mit dem Erbe und dem Stifterwillen von Ferdinand Graf von Zeppelin umgeht und dem gerecht werden will“, so Schuster. Die Stadt habe 1957 per Satzungsänderung mit dem Stifterwillen gebrochen, sagt Schuster. Er nennt es „missbräuchliche Verwendung“, dass mit den Dividenden der Stiftungsbetriebe ZF und Zeppelin GmbH gemeinnützige und kommunale Aufgaben finanziert werden. Aussagen, denen die Stadt seit Beginn des Stiftungsstreites vehement entgegen tritt. Der Gemeinderat könne morgen den Stiftungszweck so ändern, dass er wieder dem Willen des Luftschiffpioniers von einst entspricht. Sein Ziel sei, das Forschungszentrum „einvernehmlich“ zu schaffen, so Schuster.

Notvorstand könnte klagen

Rein vorsorglich unterstütze er aber auch den am Mittwoch von der Stifterfamilie beim Amtsgericht Ulm eingereichten Antrag auf Bestellung eines Notvorstands für die Zeppelin-Stiftung. „Für den Fall, dass die Gespräche ohne befriedigendes Ergebnis bleiben“, sagt der Freundeskreis-Chef, der als Mitglied des Notvorstands benannt ist. Der könnte am Ende sein Mitspracherecht einklagen.