„Das wird nicht jedem gefallen, aber ich muss jetzt mal ein paar kritische Worte zum Thema Tuningworld Bodensee sagen.“ Mit diesen Worten beginnt der Facebook-Post von Uli Burchardt, CDU-Oberbürgermeister von Konstanz. Und mit seiner Prognose hatte er Recht: Seine Äußerungen haben auf der anderen Seeseite keine Begeisterung hervorgerufen.
„Sorry, Messe Friedrichshafen“
Konkret fordert Burchardt in seinem am Sonntag erschienenen Beitrag eine Art Tuning-Verbot – und er stellt auch die Messe Tuning World infrage. „Meiner Meinung nach sollten alle Vorrichtungen, Anbauteile usw., die den Lärm von Fahrzeugen absichtlich vergrößern, ab sofort nicht mehr für den Betrieb auf deutschen Straßen zugelassen werden“, schreibt Burchardt. Weiter kritisiert er: „Dass wir mit dieser Messe eine solche Szene und die zugehörige Industrie auch noch mit öffentlichen Mitteln fördern, halte ich persönlich für komplett falsch. Sorry, Messe Friedrichshafen.“
Mit der Anspielung auf die Förderung mit öffentlichen Mitteln dürfte die Unterstützung Friedrichshafens für die Messe gemeint sein. Die Stadt ist Hauptgesellschafter des Betriebs. Zudem unterstützte der Gemeinderat etwa im November 2020 die Messe mit sieben Millionen Euro: Diese war wegen der Corona-Krise ins Wanken geraten. Im Häfler Doppelhaushalt sind zudem Bürgschaften für den Betrieb in Höhe von gut 35,5 Millionen Euro veranschlagt.
Hintergrund von Burchardts Kritik dürfte Folgendes sein: Immer wieder sorgen sogenannte Poser, also Autotuner, für Gesprächsstoff in Konstanz, aber auch in Friedrichshafen. Im Juni vergangenen Jahres etwa sorgten gut 500 Autofreaks für Frust und genervte Anwohner in der Konzilstadt. Sie ließen in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Motoren ihrer Wagen aufheulen und legten in den Verkehr lahm.
Hinzu kommt: Burchardt steht in Konstanz unter einigem Druck, weil die Stadt auf die bundesweit erste Ausrufung des Klimanotstands vor rund drei Jahren in den Augen vieler Beobachter zu zögerlich reagiert hat. So ist es bisher nicht gelungen, für mehrere Straßenzüge auch im Interesse des Lärmschutzes Tempo 30 zu erlassen. Burchardt führt dafür fehlende rechtliche Grundlagen an. Zu diesen Routen gehören auch beliebte Strecken der Tuner, die sich dort bisweilen treffen.

Wenig Begeisterung auf anderer Seeseite
Wie reagiert man auf der anderen Seeseite auf die Konstanzer Anregungen? Und was sagen die Tuner? Dirk Kreidenweiß, Projektleiter der Tuning World, gibt sich kühl: „Leider war Oberbürgermeister Uli Burchardt wohl noch nie auf der Tuning World Bodensee zu Gast“, schreibt er. „Eine Airbrushlackierung, ein lederüberzogenes Armaturenbrett oder ein komplett gecleanter Motorraum machen keinen Lärm.“ Er lade den OB gerne ein, sich selbst ein Bild auf der Messe zu machen.

Ähnlich sieht es auch Harald Schmidtke, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Automobiltuner. Er schreibt auf Anfrage: „Der Post des Bürgermeisters zeigt, dass er Tuning bedauerlicherweise ganz pauschal mit unzulässiger Lautstärke verbindet und nicht ausreichend zwischen zulässiger und unzulässiger Änderung von Fahrzeugen differenziert.“ Die absolut überwiegende Anzahl der Tuner nutze regelkonforme Fahrzeuge für ihr Hobby.

Auch Oberbürgermeister Andreas Brand zeigt sich verschnupft nach Burchardts Äußerungen. „Die Kritik des Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt nehmen wir als Messestadt zur Kenntnis, zeigen uns aber auch irritiert über den Ratschlag aus der Nachbarstadt über dem See“, so Brand in einem Statement. Die künftige Zusammenarbeit zwischen den beiden Städten werde die Causa aber nicht beeinflussen.
Burchardt findet, er darf sich äußern
Der Konstanzer OB Uli Burchardt zeigt sich am Montag sichtlich bemüht, die Wogen zu glätten. Davon, dass er auf ein kommunales Unternehmen der größten Nachbarstadt Einfluss nehmen will, möchte er nichts wissen. Sein „Sorry, Messe Friedrichshafen“, mit dem der Facebook-Beitrag endet, sei ein Ausdruck des Bedauerns und nicht des Unverständnisses im Sinne von „geht‘s noch?“.
Als Konstanzer Oberbürgermeister fühle er sich aber sehr wohl berufen, sich zu der Messe in Friedrichshafen zu äußern: „Die Plakate mit qualmenden Reifen hängen auch hier in der Stadt, und Probleme mit dem Lärm getunter Autos gibt es auch in Konstanz.“ Tatsächlich seien den Städten – wie auch der Polizei – weithin die Hände gebunden, um die Praktiken in Teilen der Tuning-Szene abzustellen. Mit seinem Facebook-Post habe er vor allem ein Signal an die Bundespolitik senden wollten.
Und wie haben die Facebook-User auf das Statement reagiert? Hier erntete Uli Burchardt gemischte Reaktionen. Ein Nutzer schreibt: „Tuning hat nicht unbedingt was mit Krach zu tun.“ Ein anderer: „Gegen eine Messe ist überhaupt nix einzuwenden:“ Doch er räumt ein: „Wenn die Krachmacher zu viel Geld haben, sollten sie bestraft werden und berappen, dass es nur so kracht.
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