Wer durchs Internet surft, findet viele Worte für diesen herrlichen Platz auf Erden direkt am Fischbacher Bodenseeufer. Er ist Lieblingsort oder Deutschlands Lieblings-Biergarten (zweiter Platz 2017), Gartenwirtschaft oder einfach nur „der Stärr-Schorsch“. Und auf seekids.de wird den Jüngsten geraten: „Dort gibst Du Deine Eltern ab, während Du selbst viel Spaß am Strand und im Wasser hast!“

Christine Stärr hat hier die meisten Monate in den vergangenen 43 Jahren verbracht. Für sie ist die legendäre Gartenwirtschaft jener Ort, wo man „auf den See hinaus guckt und den Gott einen lieben Mann sein lässt“. Ihr Ehemann Roland kennt das Stückle Strand dort nahe am Fildenplatz noch viel länger.

Hier ist er schon als kleiner Bub in Lederhosen herumgewetzt, als Papa Georg den Ausflugsgästen noch Boote verlieh und der Kiosk halb so groß war.
Georg „Schorsch“ Stärr war nicht nur der legendäre „Reiter über den Bodensee“, der 1963 bei der „Seegfröne“, als der Bodensee komplett zugefroren war, eine Eisprozession nach Müsterlingen hoch zu Ross anführte. Er drückte dieser Gartenwirtschaft, die seit 1948 eine Schanklizenz hat, seinen Namen und einen unverwechselbaren Stempel auf.

„Da gibt es keine weißen Decken auf den Tischen, sondern Würschtle, Kaffee, Bier und ein Viertele“, erklärt die Wirtin mit Überzeugung, was das heißt. Wer „Zum Schorsch“ geht, sagt sie, schätzt das Einfache, Normale. Viele Stammgäste kämen seit Jahrzehnten.
Biergarten gehört zu Großabnehmern der Brauerei
„Wir kennen Kunden, die sind in Pampers vor uns auf den Knien herum gerutscht und trinken heute ihre Halbe nach der Arbeit“, erzählt Christine Stärr lachend. Getrunken wird seit jeher reichlich beim „Schorsch“. Seit 70 Jahren gibt‘s nur Meckatzer, und ihr Biergarten gehöre zu den Großabnehmern der Brauerei. „Zu den Top 10, und zwar im vorderen Bereich“, verrät Roland Stärr verschmitzt lächelnd. Genau so soll es weiter gehen, wünscht sich das Wirtspaar.

Nach 43 Jahren hinterm Tresen beim „Schorsch“ legen Christine und Roland Stärr die Geschicke der Gartenwirtschaft in die Hände ihres Sohnes Stefan und ziehen sich sozusagen aufs Altenteil zurück. „Wir wollen uns Zeit nehmen für die Dinge, für die wir bisher nur wenig Zeit hatten, und uns den gemeinsamen Lebensabend noch ein bisschen schön machen“, sagt die 64-Jährige, während ihr Mann am Tisch im Wintergarten still nickt.
Von Ostern bis Oktober täglich Geschäft
Viel sei da auf der Strecke geblieben, wenn man Jahr für Jahr von Ostern bis Oktober jeden Tag manchmal bis zu 14 Stunden in der eigenen Wirtschaft schafft. „Da muss man durch. Nicht aufgemacht haben wir nur, wenn das Wetter zu mies war“, sagt der 68-jährige Chef, der mit dem zweiten Namen wie sein Vater „Schorsch“ heißt. Der gleichnamige Biergarten sei für sie „unser Wohnzimmer am See“ gewesen, sagt er. Oder „unser drittes Kind“. Eins, das man jetzt loslassen müsse.

Als beide an jenem Freitag, dem 13. Mai 1977, heirateten, war das kein böses Omen. Sie hatten sich erst wenige Monate zuvor im Kurhaus Bad Kissingen kennengelernt. Sie, die frisch ausgelernte Hotelfachfrau, hatte gerade eine Stelle als Saaltochter, also Kellnerin, angetreten.
Aus dem Techtelmechtel wurden 43 Ehejahre
Er war Kurgast. Ein Techtelmechtel zwischen beiden war mehr als verpönt. „Aber unsere Blicke trafen sich, und ich wusste, der ist es und kein anderer“, legte sich die damals 21-Jährige fest. Als er ihr den Verlobungsring ansteckte, kannte sich das Paar keine acht Wochen. „Da wusste ich noch nicht einmal, dass seine Familie eine Wirtschaft hat“, erzählt Christine Stärr.

Daraus wurden 43 Jahre Ehe und Geschäft, denn zum Jahresbeginn 1978 übergab Stärr-Schorsch Senior den Biergarten an das frisch vermählte Paar. „Opa wusste, er gibt ihn in die richtigen Hände“, erinnert sich Christine Stärr. Sie hätten die Wirtschaft immer in seinem Sinne weiter geführt. 1999 kam er bei einem Verkehrsunfall direkt vor dem Haus der Familie an der Bundesstraße ums Leben.

43 gemeinsame Jahre fast rund um die Uhr, durch dick und dünn: „Bis zum heutigen Tag hab‘ ich das nicht bereut. Freilich gab es nicht immer eitel Sonnenschein“, sagt Christine Stärr. Sie die Powerfrau, er der Chef, der „ein ganz sturer Hund“ sein kann, sagt sie und rempelt ihn liebevoll im Sitzen an. „Man kann mit ihm einfach nicht streiten.“
Mehr als ein Schicksalsschlag
Als Christine Stärr nicht nur zwei Schwestern verlor, sondern das Paar kurz vor Ostern 2014 den Tod ihres erstgeborenen Sohnes Christian verkraften musste, „da habe ich mal kurzzeitig an dem da oben gezweifelt“, sagt sie. Es blieben nur wenige Tage, um zu trauern, bis im „Schorsch“ wieder Saison war. „Es musste ja weiter gehen“, sagt Christine Stärr. Verarbeitet hätten sie diesen Schicksalsschlag bis heute nicht.

Aber auch jetzt wird es weitergehen, sagen beide. Seit 2003 ist ihr Sohn Stefan dabei, weiß, wie der Hase im Biergarten läuft. Sollte mal Not am Mann, wollen sie stundenweise gern helfen. „Wir werden sicher noch hier und da gebraucht“, sagt Christine Stärr. So ganz nach Abschied klingt es nicht. Doch wenn „Zum Schorsch“ Ostern 2021 öffnet, werden sie nicht mehr hinterm Tresen im Kiosk stehen.