Ungläubig steht am Montagnachmittag eine Frau vor den verschlossenen Glastüren des Kinocenters Cineplex in Friedrichshafen. Erst ein Gespräch mit Theaterleiter Alexander Ronkartz überzeugt sie davon, dass die Kinos aufgrund der Corona-Situation wieder schließen mussten. Wer Filme schauen möchte, muss dies die nächsten vier Wochen wieder auf dem heimischen Sofa vor dem Fernseher tun.
Ausgefeiltes Hygienekonzept und aufwändiges Lüftungssystem
Trotz ausgefeiltem Hygienekonzept und einem Lüftungssystem mit zwei getrennten Kreisläufen, bei denen der eine die frische Luft in die Kinosäle bläst und der andere die verbrauchte Luft nach außen transportiert, ist nach nicht einmal fünf Monaten wieder Schluss mit Popcorn im Kinosessel. Alexander Ronkartz ist enttäuscht: „Wir haben unser Menschenmögliches getan, um den Kinobesuch sicher zu machen.“

Penibel habe sein Team darauf geachtet, dass sich die Kunden an die Vorschriften hielten, auch wenn die Reaktion mancher Maskenmuffel das volle Programm an Deeskalationsstrategie forderte. „Von daher ist es enttäuschend, dass wir wieder schließen müssen“, findet der Theaterleiter. Unter seinem Mund-Nasen-Schutz steht ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Er liebt sein Kino.
Zweiter Lockdown beschleunigt Kinosterben
Digitalisierung und Streaming-Dienste setzen der Kinobranche zunehmend zu. Der zweite Lockdown in diesem Jahr und dazwischen der Betrieb unter Extrembedingungen beschleunigen das bisher langsame Kinosterben. Von diesem sind vor allem die kleinen Kinos, wie das Kitt in Tettnang, und die ganz großen mit hohen Fixkosten betroffen.
Nur 25 Prozent der Plätze im Saal durften belegt werden
Die Maschine lief auch im Cineplex nicht rund. Lief ein neuer Kinderfilm an, mussten an den Wochenenden enttäuschte Kunden abgewiesen werden, da nur 25 Prozent der Plätze im Saal belegt werden durften. Der Science-Fiction-Spionage-Action-Film „Tenet“ lief deshalb in fünf Sälen gleichzeitig. Nicht gut für ein Kino, das ein breites Spektrum an Filmen zeigen will.
Am Wochenende wollten zu viele, unter der Woche zu wenig Fans ins Kino
Dazu kommt, dass neue Produktionen fehlten. Hoffnungen wie der neue James Bond platzten wie eine Seifenblase. So stieß die Kapazität der Kinos unter der Woche bei weitem nicht an ihre Grenzen. Von den 25 Prozent der möglichen Sitze waren im Durchschnitt die Hälfte belegt, schätzt Ronkartz. Doch zwölf Prozent des maximalen Umsatzes sind zu wenig, um auf Dauer ein Überleben zu sichern.
Umbau- und Sanierungsarbeiten im Cineplex auf Eis gelegt
Kurzarbeit und das Hilfspaket für Kulturbetriebe federten zwar das Schlimmste ab, doch können die Kinobetreiber jetzt im Winter keinen Speck für die traditionell schwächeren Sommermonate anlegen. Projekte im Cineplex wie der geplante Umbau des Foyers und der Sanitäranlagen wurden deshalb auf Eis gelegt und Ronkartz hofft, dass keiner der Projektoren den Dienst quittiert. „Wir haben derzeit keine Perspektive, dass sich eine solche Investition amortisiert.“
Im Dezember wäre mit einem Besucheransturm kaum zu rechnen
Denn selbst wenn die Kinos im Dezember wieder öffnen sollten, blieben die Hygienevorschriften bestehen und der Filmverleih hätte keine Neuerscheinungen auf Lager. Somit wäre mit einem Besucheransturm kaum zu rechnen. Alexander Ronkartz fürchtet: Sollte sich die gegenwärtige Situation noch länger ins neue Jahr ziehen, gehe auch den vier Rabe-Kinos die Luft aus, zu denen neben dem Cineplex Friedrichshafen die in Konstanz, Singen und Reutlingen gehören.
Festangestellte wieder in Kurzarbeit
Im Cineplex werden jetzt die Getränkeanlagen stillgelegt, dann wird Inventur gemacht. „Anschließend gehe ich blutenden Herzens nach Hause“, sagt der Kinofan Ronkartz. Festangestellte wie er gehen wie bereits bei der ersten Schließung in Kurzarbeit. Von der Corona-Hilfe, die 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 betragen soll, können die geringfügig Beschäftigten weiterbezahlt werden. Eine Kreditaufnahme wäre das allerletzte Mittel, sagt Ronkartz.
Noch gibt er aber die Hoffnung nicht auf und betont: „Alle Mitarbeiter von Herrn Rabe lieben und leben ihre Kinos. Wir werden alle dafür kämpfen, dass dieses Stück Kultur nicht verloren geht.“ Vielleicht wird derzeit auch dem Publikum bewusst, was es unter Umständen verliert, wenn das Kino für immer schließen muss. An den vier Tagen vor der angekündigten Schließung des Cineplex stiegen die Besucherzahlen massiv.