Stau im Tunnel, und ein Fahrzeug beginnt zu brennen: Allein diese Vorstellung erzeugt ein flaues Gefühl in der Magengegend. Genau dieses Szenario war eines von acht, das Brandschutz-Experten am Donnerstag im neuen Waggershauser Tunnel der B 31-neu bei Friedrichshafen durchgespielt und so die Technik getestet haben. Der SÜDKURIER konnte live dabei sein.
Rauch, überall ist Rauch. Erst sammelt er sich unter der Tunneldecke. Nach und nach breitet er sich in der Röhre aber wie dichter Nebel fast bis zur Fahrbahndecke hinunter aus. Die Flammen schlagen aus dem Auto. „Achtung, Achtung“, meldet sich eine Frauenstimme aus den Lautsprechern: „Bitte verlassen Sie umgehend Ihr Fahrzeug! Lebensgefahr! Verlassen Sie den Tunnel!“

Mittendrin im Qualm steht Christian Sellheim von der Deges, der für den Brandversuch zuständig ist. Er tauscht sich mit B-31-Projektleiter Andreas Irngartinger aus. Beide sind zufrieden.
Acht Brandtests an einem Tag
Auch der dritte Brandtest an diesem Vormittag läuft, wie er laufen soll. Die Sensoren an der Tunneldecke haben das Feuer erkannt, die Brandmelder den Alarm ausgelöst. Das Tunnellicht und die weißen Leitleuchten am Fahrbahnrand wurden auf volle Leistung hochgefahren, die grüne Beleuchtung für die Rettungswege ging an. An den Notausgängen begannen Lichter zu blinken.

Zeitgleich wurden die Zufahrten zum Tunnel gesperrt, die Feuerwehr und parallel die Leitstelle benachrichtigt. Und die Autofahrer mit der Lautsprecherdurchsage in mehreren Sprachen gewarnt. Spätestens 60 Sekunden nach Brandausbruch muss die automatische Alarmierung hochfahren sein, erklärt Christian Sellheim. „Wir liegen hier zwischen 30 und 45 Sekunden“, sagt er zufrieden.

Das Wichtigste bei einem Tunnelbrand sind jedoch die riesigen Lüfter an der Decke. Drei Mal drei Stück sind in dem 700 Meter langen Waggershauser Tunnel verbaut. Die gehen normalerweise nur dann automatisch an, wenn die Abgaswerte zu hoch sind oder sich Nebel breit macht. Aber ihre Hauptaufgabe ist es, den Qualm aus dem Tunnel herauszublasen, wenn es brennt.
„Der Rauch ist das Gefährlichste“, sagt Christian Sellheim. Deshalb müssen die Autofahrer auch sofort die Tunnelröhre verlassen, in der es brennt und qualmt. Entweder nach draußen oder auf dem schnellstem Weg zur nächsten Fluchttür in der Mittelwand. Die führt in die zweite Tunnelröhre. Hier wird der Verkehr gestoppt.
Hochleistungslüfter sind das Herzstück des Tunnels
Welche Kraft die Hochleistungslüfter an der Decke haben, erleben die Beobachter beim Brandtest, als die neun Ventilatoren – laut brummend – ihre volle Leistung unter Beweis stellen, um den Rauch aus dem Tunnel zu blasen. Die erzeugen einen Luftstrom, der einer sehr steifen Brise mit Windstärke fünf ähnelt – bis zu zehn Meter pro Sekunde, sagt Christian Sellheim.

Acht verschiedene Szenarien testet die Leipziger Brandschutzfirma, die mitten im Tunnel ihre Technik aufgebaut hat. Acht Mal wird die Auto-Attrappe auf dem Hänger mit Gas in Brand gesetzt, „wie ein großer Grill“, scherzt Christian Sellheim. Der Qualm wird künstlich erzeugt und ist wie Diskonebel. Der stinkt nicht, verrußt die frisch geweißelten Tunnelwände nicht und schadet vor allem nicht der Gesundheit. Nur so können die Brandtechniker und die Beobachter überhaupt in der Tunnelröhre bleiben. Echter Brandqualm hingegen ist meistens schwarz und giftig, was Tunnel zur tödlichen Falle machen kann. Deshalb wird viel in die Brandschutztechnik investiert, werden Tunnel rund um die Uhr überwacht.

Ende August soll der Waggershauser Tunnel und damit auch das Endstück der neuen B 31 in Betrieb genommen werden. Dann hat die Deges binnen acht Jahren insgesamt rund 170 Millionen Euro auf dem sieben Kilometer langen Stück der neuen Bundesstraße verbaut. Den Tunnel allerdings bezahlt zum Großteil die Stadt; rund 30 Millionen Euro werden allein dafür fällig. Fertig ist der eigentlich schon. Nur die Fahrbahnmarkierungen fehlen noch.
Doch bis täglich rund 27 000 Autos und Laster hier durchrollen dürfen, muss die Betriebssteuerung des Tunnels hundertprozentig funktionieren. Auch wenn die Überwachungskameras bereits Bilder in die Leitzentrale senden und alle Sensoren mit 30 000 Datenpunkten, so Sellheim, scharf geschaltet sind: Freigegeben wird die gesamte Strecke erst, wenn der Tunnel an die neue Mobilitätszentrale in Stuttgart angeschlossen ist. Und dafür muss noch mehr Technik eingebaut werden als ursprünglich geplant.