So sang- und klanglos wollen sie die Sparmaßnahmen nicht hinnehmen, die der Doppelhaushalt 2025/2026 für alle Friedrichshafener Bürgerinnen und Bürger bereithält, vor allem aber viele Eltern bewegt: Kurz vor dem Beschuss des Zahlenwerks im Gemeinderat mitsamt den Gebührenerhöhungen für Kitas haben am Montagnachmittag etwa 70 Demonstranten, darunter viele Eltern mit kleinen Kindern, vor dem Häfler Rathaus ihrem Protest Ausdruck verliehen.

An der Grundsatzentscheidung, die Elternbeiträge zu erhöhen, hat es am Ende nichts geändert, denn der Gemeinderat stimmte wenig später bei einer Enthaltung und vier Gegenstimmen dieser Maßnahme zu. Gleichwohl kamen die Botschaften bei Räten und in der Verwaltung an: Das Thema ist mit dem Beschluss nicht vom Tisch und bedarf weiterer Aufmerksamkeit. Oberbürgermeister Simon Blümcke und einige Gemeinderäte hatten die Kundgebung vor Ort verfolgt.

Parolen auf Plakaten

„Unsere Zukunft kürzt man nicht!“: Unter diesem Motto hatten die Kreisverbände von Linke und Volt zu der Kundgebung eingeladen. Sie kritisieren, dass die erheblichen Kürzungen im sozialen Bereich vor allem Familien, Kinder, Kultur und Klimaschutz hart treffen. Insbesondere die zum Teil happigen Steigerungen bei Kitagebühren in den kommenden drei Jahren bezeichnete Charlie Ruck (Die Linke) als „unfair“ und „mit dramatischen Folgen für Familien“.

Viele Mütter und Väter sind mit ihren Kindern zum Kirchplatz gekommen.
Viele Mütter und Väter sind mit ihren Kindern zum Kirchplatz gekommen. | Bild: Ambrosius, Andreas

Sander Frank (Linke-Gemeinderat) berichtete davon, dass ihn viele Mails und Anrufe erreicht hätten, wonach sich Eltern und Betroffene nicht richtig gehört fühlten und ihre Bedürfnisse nicht wahrgenommen würden. Auf Plakaten waren Botschaften zu lesen wie „Gleiche Chance für alle? Nicht wenn du Kinder hast“, „Mama kann sich Arbeit bald nicht mehr leisten“ oder „Kein Geld für Kids? How dare you“ (wie könnt ihr es wagen) – in Anlehnung an Greta Thunbergs inzwischen berühmte Rede 2019 beim UN-Klimagipfel.

Lohnt sich Arbeiten noch?

Etliche Teilnehmer nutzten die Gelegenheit und traten ans Mikro. Ingo Wünsch berichtete von seiner familiären Situation und sagte: „Wir gehen hart arbeiten und arbeiten am Ende dafür, dass unsere Kinder in Kindergärten gehen können. Warum sollen wir dann überhaupt noch zur Arbeit gehen und nicht lieber Unterstützung holen? Das kann doch nicht sein!“

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Nicole Langhirt, Mutter zweier Kinder, fragt sich, ob sich die Familie die Betreuung künftig leisten kann bei einem Kind unter und einem über drei Jahren in der Kita: „Ab Herbst müssen wir 370 Euro mehr bezahlen. Wie sollen wir das machen?“

Blümcke reagiert im Rat

Oberbürgermeister Simon Blümcke hörte zu und griff das Thema im Gemeinderat auf und nutzte nochmal die Gelegenheit, aus einer Sicht ein paar Punkte geradezurücken. „Es ist ein guter Ausdruck bürgerlicher Diskussionskultur“, sagte er in Richtung der Demo-Organisatoren und Teilnehmer. Aber: „Wir machen das nicht mit Absicht und weil wir wollen, sondern weil wir müssen“, so der Oberbürgermeister. „Wir hätten schon vor Jahren reagieren müssen.“

Keine Stadt in Süd-Württemberg investiere so viel im Kita-Bereich wie Friedrichshafen, so Blümcke: „26 Millionen Euro gehen direkt in den Kita-Zuschuss“, die Deckung der Kosten werde zu 95 Prozent durch die Zeppelin-Stiftung getragen. Er bedauerte, dass „es einige Familien hart treffen wird“ und verwies auf die Häfler Karte, die Unterstützung gewährt. Diese zum Förderungsinstrument für Familien auszubauen sei sinnvoll und erforderlich. „Hier dürfen die Gedanken nicht stoppen.“

Bei der ganzen Diskussion dürfe man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, so der Rathaus-Chef, der gerade mal 114 Tage im Amt ist: Ein Flughafen könne nicht gegen Kitas ausgespielt werden. „Wir bleiben günstiger als die Kommunen im Umland.“ Bund und Land könnten Kita beitragsfrei machen, so der OB, „dann sollen sie auch zahlen.“ Friedrichshafen sei in der Tat ein Sonderfall, so Blümcke: „Weil wir die günstigen Gebühren haben.“

Hinweis: Auf Arbeitgeber zugehen

Christine Heimpel (Grüne) zeigte Verständnis für Eltern und deren Sorgen. Auf kommunaler Ebene gebe es aber nur die Option, Gebühren anzupassen. „Es nicht zu tun, würde bedeuten, an der Qualität der Betreuung zu sparen.“ Eltern empfahl sie, an Arbeitgeber heranzutreten, diese könnten Zuschüsse zu Kitas gewähren.

Wer die „Häfler Karte“ hat, braucht für einen Kitaplatz künftig nichts mehr zahlen.
Wer die „Häfler Karte“ hat, braucht für einen Kitaplatz künftig nichts mehr zahlen. | Bild: Lena Reiner/Stadt Friedrichshafen

Matthias Eckmann erneuerte für die SPD die Kritik: „Die Erhöhung fällt zu schnell und zu hoch aus, vor allem im U3-Bereich.“ Nach zwei Jahren will SPD überprüfen, ob es weitere Erhöhungen geben muss, Kriterien für die Häfler Karte müssten überprüft werden. Christoph Högel (AfD) bezeichnete es als „schmerzlich, dass man an Kita-Gebühren rangehen müsse, diese seien aber immer noch günstiger als im Umland. Emre Yilmaz, Vorsitzender des Jugendparlaments, sprach sich dagegen aus, die Gebühren zu erhöhen, die Stadt dürfe sich das „Geld nicht bei den Kleinen holen“.

„Müssen solidarisch miteinander umgehen“

Oberbürgermeister Blümckes Appell am Ende: „Wir müssen in dieser Krise solidarisch miteinander umgehen.“ Klar sei aber auch, dass er „nicht jeden einzelnen glücklich machen kann“. Blümcke hatte in den letzten Wochen die Kürzungen und Einsparungen mehrfach bedauert, diese aber als unumgänglich bezeichnet, um handlungsfähig zu bleiben und einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen. Jahrelang hatten Stadtverwaltung und Gemeinderat die Finger von den Kita-Gebühren gelassen, was einige Räte in ihren Beiträgen selbstkritisch anmerkten. Nun fallen die Erhöhungen umso massiver aus.