1. Friedrichshafen ist schon eine Art Utopia. Richtige Not gibt es bei uns nicht.

Andreas Brand: Beim Wort Utopia denke ich an Visionen. Ich bleibe lieber bei ganz konkreten Maßnahmen zur Hilfe. Gerade in der Vorweihnachtszeit nehme ich verstärkt wahr, dass es Menschen gibt, die Not haben. Die sich aber manchmal gar nicht trauen zu sagen, dass sie in dieser Situation sind. Das merken wir an den Aktionen der Zeppelin-Stiftung und auch bei der Aktion Häfler helfen. Wir helfen – zusammen mit Kirchen und Wohlfahrtsverbänden – im Rahmen der Möglichkeiten, etwa durch Einzelfallhilfen, Beratung, Geld- und Sachleistungen, manchmal mit Zeit und Wegbegleitung.

2. Es kommen viele Geflüchtete – aber wir schaffen das. Friedrichshafen ist offen für Menschen in Not.

Das Telekom-Areal an der Müllerstraße: Hier entsteht eine Unterbringung für Geflüchtete.
Das Telekom-Areal an der Müllerstraße: Hier entsteht eine Unterbringung für Geflüchtete. | Bild: Cuko, Katy

In meinem Berufsleben habe ich eine solch angespannte Situation, wie sie momentan herrscht, noch nicht erlebt. Im Jahr 2015 war die Hilfsbereitschaft groß. Jetzt sind wir in einer Lage, wo es mit Sätzen wie „Wir schaffen das“ nicht mehr getan ist. Was wir als erstes tun, ist Unterbringung zu schaffen. Wir sind permanent dran, es ist aber schwierig und wird immer schwieriger. Integration heißt aber auch: Kindergartenplatz, kinderärztliche Versorgung, Teilhabe an Schulen und an Vereinsangeboten sowie auch Arbeit. Wenn das nicht mehr ganzheitlich gelingt – sondern nur noch auf die Dimension Unterbringung beschränkt wird – dann ist das eine Überforderung in der Leistbarkeit. Ich sehe daher die Bundesregierung verantwortlich, endlich das Erforderliche zu tun, um den Zustrom an Menschen zu begrenzen, etwa durch Grenzkontrollen in Drittstaaten.

3. ZF und die Zeppelin GmbH sind perfekt vorbereitet auf die Zukunft. Auch in 50 Jahren profitieren wir noch vom Geld der Stiftung und von tausenden Arbeitsplätzen.

ZF und andere Firmen der Region stehen vor großen Herausforderungen.
ZF und andere Firmen der Region stehen vor großen Herausforderungen. | Bild: Felix Kästle / ZF

Ja, beide Unternehmen haben exzellente Produkte und Technologien. Klar ist aber auch: Der unternehmerische Druck nimmt massiv zu, das gilt es zu meistern. Dazu gehört aber auch, dass die Politik Unternehmen vertraut. Dass sie Rahmenbedingungen setzt, die für Technologien offen sind – und sich nicht darauf beschränkt, nur das eine zu zuzulassen und das andere ausschließen. Mit der Kritik am derzeitigen Kurs bin ich nicht allein. Diese überbordende Regulierung gefährdet Wohlstand, Stabilität und Wachstum der Unternehmen. Ich bin überzeugt: Auch ohne allzu viel Regelungen setzen sich die Lösungen am Markt durch, die Absatz finden – und für alle guten Nutzen bringen.

4. Wohnraum ist die zentrale soziale Frage unserer Zeit. Die Stadt und ihre Stiftungen schaffen genügend Raum für alle.

67 Wohnungen entstehen auf dem ehemaligen Hallenbadgelände in Friedrichshafen.
67 Wohnungen entstehen auf dem ehemaligen Hallenbadgelände in Friedrichshafen. | Bild: Wieland, Fabiane

Es ist unsere Aufgabe, für breite Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben das Privileg, dass wir mit der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) und der Zeppelin-Wohlfahrt zwei Wohnbauunternehmen haben. Die machen ein richtiges Powerprogramm. Zeppelin-Wohlfahrt hat gerade in der Ehlersstraße fast 70 Mietwohnungen fertiggestellt. Die SWG hat im Fallenbrunnen sowie an der Messezufahrt in den letzten Jahren kräftig gebaut. Wenn Sie die Kreisbaugenossenschaft Bodenseekreis noch dazurechnen, dann ist es wirklich gut. Wir hatten in den vergangenen Jahren avisiert, 300 bis 400 Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen. Im Jahr 2022 und 23 haben die Wohnbaugesellschaften und -unternehmen das nicht erreicht. Aber sie müssen da dranbleiben. Aktuell planen wir für die Wohngebiete Ittenhausen und Kluftern.

5. Seethermie, Solarkraft, Windkraft: In weniger als 20 Jahren ist die gesamte Region klimaneutral.

Künftig könnte der Bodensee als Energiequelle nutzbar gemacht werden.
Künftig könnte der Bodensee als Energiequelle nutzbar gemacht werden. | Bild: Santini, Jenna

Wichtig ist, dass wir mit den Klima- und Energieprojekten loslegen, Freude daran empfinden und auch Geld sparen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, erreichen können.

6. Wegen politisch extremer Parteien brauchen uns bei der Kommunalwahl 2024 nicht zu sorgen.

Wie sich künftig der Gemeinderat Friedrichshafen zusammensetzt, ist noch offen.
Wie sich künftig der Gemeinderat Friedrichshafen zusammensetzt, ist noch offen. | Bild: Benjamin Schmidt

Wir wissen nach dem 9. Juni, wie die Kommunal- und Europawahlen ausgegangen sind. Ich bin überzeugt, dass der Wähler sehr genau schauen wird, wer für seine Ziele in Friedrichshafen eintritt. Wir haben im Gemeinderat bisher niemanden von der AfD oder dem Bündnis Wagenknecht. Doch wenn die Hochrechnungen der Bundes- und Landtagswahl auf das Kommunale runtergerechnet würden, dann hätten wir andere Verhältnisse. Gleichwohl glaube ich, dass es eine zunehmende Vielfalt in den Gemeinderäten und Kreisräten geben wird. Ich versuche, das nüchtern zu betrachten.

7. Uferpark, Hinterer Hafen, Friedrichstraße, ZF-Arena: In fünf Jahren sind alle Stätten saniert und neue Projekte perfekt umgesetzt.

Über den optimalen Verkehrsfluss auf der Friedrichstraße in Friedrichshafen gab es zuletzt viele Diskussionen.
Über den optimalen Verkehrsfluss auf der Friedrichstraße in Friedrichshafen gab es zuletzt viele Diskussionen. | Bild: Benjamin Schmidt

Das sind kommunalpolitische Dauerbrenner, deren Umsetzung von Mehrheiten, aber auch den Finanzen abhängen. Was wir etwa bei der Friedrichstraße als großen Plan hatten, war nicht politisch mehrheitsfähig. Es gab Diskussionen – und diese haben zum Kompromiss geführt. Dasselbe gilt für den Uferpark. Der ist jetzt gedanklich und faktisch in Einzelbereiche aufgeteilt: Mit der Molesanierung beginnen und mit der Hafenmauer fortsetzen. Im Übrigen hätten wir auch nicht das Geld, alles gleichzeitig zu machen.

8. Auch die kleinen Häfler haben wir besonders im Blick. Für sie gibt es das optimale Angebot an Betreuung und Bildung.

In Fischbach wurde zum September eine Kita mit 60 Plätzen eröffnet.
In Fischbach wurde zum September eine Kita mit 60 Plätzen eröffnet. | Bild: Wienrich, Sabine

Das gilt in weiten Teilen. Im Kindergartenbereich bauen wir massiv Plätze aus, gerade hatten wir den Spatenstich für die Kita Habakuk und haben die Kita in Fischbach eröffnet. Zudem haben wir bei den letzten Stellenausschreibungen mehr Bewerberinnen gehabt, als wir brauchten – und konnten sie gleich an uns binden. Noch unzufrieden bin ich mit dem einen oder anderen Thema bei der Schulentwicklung, etwa der Albert-Merglen-Schule mit ihren verschiedenen Prüfschleifen. An der Schreienesch-Schule bremst uns derzeit noch der behördliche Natur- und Denkmalschutz.

9. Ende März 2024 wurden alle Vorwürfe gegen den MCB ausgeräumt. Die Aufarbeitung lief transparent und objektiv.

Der Medizin Campus Bodensee sieht sich derzeit mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
Der Medizin Campus Bodensee sieht sich derzeit mit schweren Vorwürfen konfrontiert. | Bild: Benjamin Schmidt

Die Selbsttötung hat uns alle getroffen und betroffen gemacht. Eine umgehende lückenlose und ebenso ergebnisoffene Aufklärung und Aufarbeitung des Sachverhalts sind jetzt unbedingt erforderlich. Fehl am Platz sind dabei Vorverurteilungen, Gerüchte und Spekulationen. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg führt derzeit Vorermittlungen durch. Zudem hat der Aufsichtsrat eine renommierte Strafrechts- und Compliance-Kanzlei mit der Aufarbeitung der tatsächlichen Abläufe beauftragt. Die Kanzlei war bisher nicht für das Klinikum tätig. Ziel ist es, die Aufarbeitung bis Ende März abzuschließen.

10. Andreas Brand flaniert nach der nächsten OB-Wahl im Jahr 2025 als gut gelaunter Rentner jeden Tag durch sein Friedrichshafen. Im Rathaus-Café blickt er zufrieden auf sein Lebenswerk zurück.

Oberbürgermeister Andreas Brand bei einem Grußwort zum Musikpreis 2022. Ob noch einmal als OB antritt, ist noch offen.
Oberbürgermeister Andreas Brand bei einem Grußwort zum Musikpreis 2022. Ob noch einmal als OB antritt, ist noch offen. | Bild: Lena Reiner

Netter Versuch. Für eine Festlegung, ob ich wieder kandidiere, ist es zu früh. Ich werde mich dazu rechtzeitig im nächsten Jahr äußern.