Herr Amann, was war für Heiligenberg das wichtigste Ereignis im Jahr 2020?
Ganz klar der einstimmige Beschluss des Gemeinderates zum Bauantrag auf dem Post-Areal im Juli. Mit diesem Votum konnte ich nicht rechnen. Die Projektentwicklung dauert bereits über ein Jahrzehnt und keiner der jetzigen Gemeinderäte war von Beginn an mit im Gremium dabei. Die zahlreichen Gespräche, Diskussionen und Wendungen haben sie nicht hautnah mitbekommen. Aktuell hat der Bauträger Betz & Weber gemeinsam mit Aldinger Architekten noch einige Hausaufgaben zu erledigen, diese müssen abgearbeitet werden. Ich hätte mir eine zeitnahe Baugenehmigung gewünscht. Es ist schade, dass sich der Baubeginn verzögert. Aber wir müssen alle Auflagen erfüllen, das ist keine Frage.

Ist das Baugelände bereits bezahlt?
Nein, noch nicht. Das entspricht aber dem Vertrag. Betz & Weber ist mit Erteilung der Baugenehmigung zur Zahlung verpflichtet. Der Kaufpreis beträgt 1,25 Millionen Euro, keine ansprechende Summe. Das Postareal ist also nach wie vor im Eigentum der Gemeinde.
Mit dem Verkaufserlös will man das Projekt „Neues Soziales Wohnen“, das mit rund 1,2 Millionen Euro veranschlagt ist, finanzieren. Ist das Geld überhaupt vorhanden, wenn das Postareal noch nicht bezahlt ist?
Die Zahlungsströme waren eng aufeinander abgestimmt. Dass es Verzögerungen bei der Baugenehmigung für Hotel- und Wohnprojekt auf dem Postareal geben wird, war so nicht geplant. Das gebe ich gerne zu, das habe ich anders eingeschätzt. Beim Projekt „Neues Soziales Wohnen“ müssen wir, je nach Baufortschritt, Abschlagszahlungen leisten, wie es allgemein üblich ist. Im März sollen die erforderlichen Tiefbaumaßnahmen beginnen, dann werden auch weitere Abschlagszahlungen fällig. Es könnte sein, dass die Gemeinde einen Engpass in Bezug auf die Liquidität bekommt. Als Kommune haben wir eine hohe Kreditwürdigkeit, dazu einen niedrigen Schuldenstand, da ist es kein Problem, eine Zwischenfinanzierung zu erhalten, bis der Kaufpreis für das Postareal bezahlt ist. Einen Baustopp beim Projekt „Neues Soziales Wohnen“ in der Betenbrunner Straße aufgrund der finanziellen Situation wird es nicht geben.
Mit dem „Neuen Sozialen Wohnen“ realisiert Heiligenberg ein für eine Gemeinde mit 3000 Einwohnern ungewöhnliches Projekt. Was ist der Hintergrund?
Bei beiden Fraktionen stand vor der Gemeinderatswahl die Themen „Bezahlbarer Wohnraum“ und „Wohnraumbeschaffung“ ganz oben auf der Agenda. Bei uns ist der Vermietungsmarkt angespannt. Wir wollten den Erlös aus dem Verkauf des Postareals in ein anderes innovatives Projekt stecken und gleichzeitig einen sozialen Impuls setzen. Ich dachte, dass das gut zu diesem Grundstück passt, das wir an der Betenbrunner Straße haben. Dabei ging es auch um den gesellschaftlichen Aspekt, ein Miteinander von unterschiedlichen Bevölkerungs- und Altersgruppen innerhalb einer Wohnanlage umzusetzen. Die Idee wurde in der Verwaltung „geboren“, der Gemeinderat hat das sehr positiv aufgenommen und von Beginn an unterstützt. Uns war klar, dass wir mit einem eigenen Grundstück enorme Gestaltungsmöglichkeiten haben. Und wir waren und sind der Überzeugung, dass wir als Kommune selbst Geld in die Hand nehmen müssen, um das Projekt mit den Inhalten zu füllen, wie wir uns das wünschen. Deshalb verzichten wir bewusst auf öffentliche Zuschüsse, die auch immer mit Vorgaben zu den künftigen Mietern verbunden sind.
Das hört sich alles sehr positiv an. In der Anlage sollen auch Flüchtlingsfamilien wohnen?
Es ist eine spannende Sache, mit der wir Neuland betreten. Ich bin überzeugt, dass wir auftretende Probleme schnell lösen können, wenn wir entsprechende fachliche Hilfe in der Begleitung in Anspruch nehmen. Damit befassen wir uns aktuell. Das Positive und die Neugier überwiegen auf alle Fälle. Außerdem darf man nicht verkennen, dass wird im Hinblick auf die Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen unsere Quote noch nicht ausreichend erfüllt haben. Es war und ist in Heiligenberg unheimlich schwer, geeignete Mietobjekte für diesen Personenkreis zu finden. Und das macht das Projekt eben spannend, weil hier neben Flüchtlingen auch andere Personen wohnen und leben werden. Das wird zu mehr Akzeptanz, mehr Toleranz führen und hoffentlich zu einer gelingenden Integration beitragen. Wenn wir das neue Projekt gut hinbekommen und solide durchfinanzieren, werden wir darüber nachdenken, weitere Projekte dieser Art zu realisieren. Dann natürlich an anderer Stelle und auch in anderen Ortsteilen.

Wie geht es mit den Gewerbeflächen weiter?
Mit dem Gewerbegebiet „Further Öschle III“ in Hattenweiler konnten wir 2020 ein Projekt abschließen, an dem wir fünf Jahre gearbeitet haben. Jetzt können wir in Ruhe entscheiden, wer die rund 1,5 Hektar Grundstücksfläche bekommen soll. Alle Grundstücke sind voll erschlossen, Glasfaseranschluss ist garantiert. Weitere Flächen für potentielle Gewerbegebiete sind planungsrechtlich über den Flächennutzungsplan nicht ausgewiesen. Dazu bedarf es der Fortschreibung des Flächennutzungsplans. In das Verfahren steigen wir 2021 gemeinsam mit Salem und Frickingen ein. Die erforderlichen Prozesse nehmen viel Zeit in Anspruch, da sind fünf Jahre keine Zeit.
Und wie sieht es mit Baugebieten aus?
Da haben wir gute Vorarbeit geleistet. Wir haben uns planungsrechtlich über den Flächennutzungsplan in Richtung Pfullendorf (Gewann Ziegelhalde) bereits rund sieben Hektar gesichert. Erworben haben wir aber noch nichts. Wir wollen in einem ersten Schritt ein Wohngebiet – mit drei Mehrfamilienhäusern – kombiniert mit einem Nahversorger auf einer Fläche von etwa einem Hektar gegenüber dem Kindergarten realisieren. Derzeit liegen die Gespräche auf Eis. Unser vorhandenes Angebot an Einkaufsmöglichkeiten ist zwar ausreichend, aber es ist unsere Aufgabe, bereits rechtzeitig nach Alternativen zu suchen beziehungsweise diese anzudenken, bevor wir sie dann akut brauchen.
Die Grundschule besuchten im vergangen Oktober 68 Schüler. Im Jahr 2000 waren es noch 120 gewesen. Sehen Sie den Fortbestand gefährdet?
In den vergangenen Jahren haben auch schon weniger Schüler unsere Grundschule besucht. Die Geburtenzahlen sprechen aktuell eine klare Sprache. Wir werden in den kommenden Jahren immer zwischen 65 und 85 Grundschüler haben. Unsere Baulandentwicklung ist für junge Familien attraktiv und damit dürfte auch der Nachwuchs gesichert sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Land kleinere Schulen auflösen möchte, unsere ist übrigens digital bestens ausgestattet. Für eine Grundschule auf dem Land keine Selbstverständlichkeit. Für die Grundschulen im Land, wie auch für die Eltern, sollte weiterhin gelten: Kurze Beine – kurze Wege. Das ist aus meiner Erfahrung heraus klug und sinnvoll. Es sorgt dafür, dass sich unsere Jüngsten mit den gleichaltrigen unserer Gemeinde in der Schule treffen, mit ihnen lernen und sich austauschen. Damit entsteht eine stärkere Bindung und Identifikation mit der Gemeinde, auch im Freizeitbereich.
Mit der großen Freiflächenphotovoltaik in Rickertsreute geht es weiter?
Das ist eine wirklich spannende Thematik und war ein interessanter Diskussionsprozess. Dass der Gemeinderat die Bauvoranfrage fast einstimmig befürwortet hat, das war nicht nur für mich überraschend. Nach meinem Kenntnisstand geht es derzeit vor allem noch um die Frage, wo der erzeugte Strom ins Netz eingespeist werden kann. Dann starten wir das planungsrechtliche Verfahren.
Das Jahr 2020 in Heiligenberg – ein kurzer Überblick
- Mai: Die historische Linde auf dem Postplatz wird revitalisiert.
- Juni: Am 25. Juni gibt es Familienzuwachs auf Schloss Heiligenberg. Prinzessin Leontine kommt auf die Welt. Sie ist das vierte Kind von Erbprinzessin Jeannette zu Fürstenberg und Christian Erbprinz zu Fürstenberg.
- Juli: Gemeinde stimmt dem Bauantrag zur Bebauung des ehemaligen Postareals mit einem Hotel- und Wohnprojekt zu.
- August: Die Bauarbeiten am neuen Gewerbegebiet Further Öschle III in Hattenweiler werden beendet. Die Gemeinde hat rund 1,1 Millionen Euro investiert. – Die sanierte Ortsdurchfahrt wird frei gegeben.
- September: Der Gemeinderat stimmt dem Projekt „Neues Soziales Wohnen zu“. Die Kommune will rund 1,2 Millionen Euro aus dem Verkauf des Postareals in die Wohnanlage investieren. – In Steigen sammeln Einwohner 100 Unterschriften gegen geplantes Bauprojekt.

- Oktober: Die Sanierung der Friedhofsmauer in Röhrenbach wird abgeschlossen. Auch das Geläut wurde saniert.
- November: Der Gemeinderat lehnt einstimmig den Bau eines 5 G-Funkmastes ab. Die Gemeinde hat ein eigenes Mobilfunkkonzept in Auftrag gegeben. Im Laufe des Jahres wurde auch eine Bürgerinitiative gegründet.

- Dezember: Im Teilort Moss gibt es einen Großbrand einer Scheune. Der Sachschaden beträgt rund 150 000 Euro. 100 Feuerwehrleute sind im Einsatz.