Mit federndem Gang, immer aufrecht und mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein: So kennt man Frank Amann, den Bürgermeister von Heiligenberg. Immer freundlich, aber auch sehr bestimmt, wenn die Situation dies erfordert. Und ein Mann, der seinen Standpunkt ändert, wenn er dies für richtig hält. Er kann viel Verständnis aufbringen, in der Sache aber hart bleiben. Sich selbst hat Frank Amann in einem Interview mal als „empathischen Hardliner“ beschrieben.
Die letzte Ratssitzung nach 24 Jahren
Nach drei Amtsperioden geht Frank Amann am Freitag in den Ruhestand. Am Dienstag wird der 60-Jährige seine letzte Gemeinderatssitzung leiten. „Kann sein, dass die lange geht“, sagt Amann. Da der Rat in der Regel nur einmal im Monat tagt, kommt immer eine umfangreiche Tagesordnung zusammen. Die Vorlagen sind daher üppig – und auf Papier. Tablets hat der Bürgermeister nie befürwortet. „Da konzentriert man sich zu sehr auf den Bildschirm, das Scrollen, das Lesen, und nicht auf die Diskussion und die Reaktionen der Gremienmitglieder.“ Und die seien ein wichtiger Bestandteil der direkten Demokratie am Ratstisch.

Bürger bei Entscheidungen verstärkt eingebunden
In den vergangenen Jahren hat der Bürgermeister verstärkt die Bürger bei gewissen Entscheidungen mitgenommen. Denn wenn Pläne dann doch nicht realisiert werden, sorgt das für Frust in der Bevölkerung. So wie beim Großprojekt Post-Areal, das aus Gründen der Bausicherheit und Geologie deutlich abgespeckt wurde. Aus dem Leuchtturm, wie der Bürgermeister das Projekt gern nannte, ist eine Taschenlampe geworden – auch wenn diese hell leuchtet. Hat das sein Ego angekratzt? „Wenn etwas nicht zu machen ist, dann muss man nach Alternativen schauen. Wichtig ist aber, dass man dranbleibt, an ein Projekt glaubt und es bis zum Ende durchzieht. Aufgeben ist keine Alternative.“
2022 als Jahr der ganz großen Herausforderungen
In seiner Amtszeit hat er eine ganze Menge erlebt, aber 2022 war ein Jahr der ganz großen Herausforderungen. Ein zentrales Thema waren die schwindenden Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Das Schlosscafé mit Bäckerei machte dicht, die Bäckerei Baader-Jäger mit Lebensmittelabteilung ließ für immer die Rollläden herunter. Der geplante Nahversorger im neuen Baugebiet Richtung Pfullendorf konnte auch noch nicht realisiert werden.

Mittlerweile hat sich aber eine Menge getan. Das Schlosscafé hat einen neuen Betreiber und das aus der Bürgerschaft entstandene Projekt Dorfladen ist in der Realisierungsphase. Hatte Amann zunächst die Meinung vertreten, dass „der Markt es regeln muss“, so öffnete er sich in den vergangenen Wochen einer finanziellen Beteiligung der Gemeinde am Dorfladen. „Ich habe gemerkt, dass hier keine Luftschlösser gebaut werden, sondern dass hier eine echte Chance besteht, für die Einwohner einen Mehrwert zu schaffen“, begründet Amann. Das Dorfladen-Team habe das Projekt professionell durchgezogen. „Da fällt mir dann eine finanzielle Unterstützung leicht.“
Klimawandel als neue Herausforderung auch im Lokalen
Anders als der Dorfladen werden viele Themen, die den Bürgermeister und den Gemeinderat bewegen, in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, wie Amann festgestellt hat. Das Neue Soziale Wohnen, die Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine, all das machte der Verwaltung und dem Gremium viel Arbeit und Kopfzerbrechen. In Zukunft werde es der Klimawandel sein, der neue Themen und Fragestellungen aufwerfe. Da werde auch mehr Personal in der Verwaltung nötig. „Eine Person mehr täte uns gut“, doch man müsse Personal- und Sachkosten im Griff haben.
Nachfolger kommt aus dem eigenen Rathaus
Mit der Leistung seiner Crew („Ich sehe mich selbst als Mitarbeiter“) ist Frank Amann immer noch zufrieden. Mit Hauptamtsleiter Denis Lehmann kommt auch der neue Bürgermeister aus dem eigenen Rathaus und wird das Amt am 1. Juni antreten. Frank Amann wird bis zur Kommunalwahl 2024 Mitglied des Kreistags bleiben, bereits jetzt aber die rote Laterne des dienstältesten Bürgermeisters im Bodenseekreis an seinen Kollegen aus Neukirch abgeben.

Privilegiertes Leben mit vielen Kontakten
Im Rückblick auf seine Amtszeit spricht Frank Amann von einem privilegierten Leben. Dafür ist er dankbar. Und er bezieht dies nicht nur auf sein Gehalt. Man lerne als Bürgermeister Menschen kennenlernen, mit denen nicht jeder Kontakt habe. Dazu gehört auch das Haus Fürstenberg, zu dem Amann die Beziehungen als „stets spannend“ bezeichnet. Schließlich könne die Gemeinde ohne das Einvernehmen des Hauses Fürstenberg kaum ein größeres Vorhaben verwirklichen. Obgleich Fürstenhaus und Gemeinde immer noch in einer gerichtlichen Auseinandersetzung stehen, hegt der Bürgermeister keinen Groll. Bei dem Verfahren geht es um die Kosten für die Sicherung der Hänge an der Landesstraße nach Steigen.

Aufgrund der Grundbesitzverhältnisse bestehen Erbpachtverträge zwischen Fürstenhaus und Gemeinde, die auch von niedrigen Mieten für Flächen wie das Freibad- und Freizeitareal, Sport- und Tennisplätze so wie den zentralen Parkplatz an der Betenbrunner Straße mit seinen sechs Busbuchten profitiert. Dass hier kaum Reisebusse stehen, hat mit der Schließung des Schlosses seit 2019 zu tun. Hier leben Christian Erbprinz zu Fürstenberg und seine Familie, sie sind nun Bürger von Heiligenberg. „Für unseren Ort ist das eine Auszeichnung. Seine Familie und er fühlen sich bei uns sehr wohl“, weiß Amann aus persönlichen Gesprächen. Dass die Familie Schlossführungen wegen der Privatsphäre nicht haben möchte, das müsse man verstehen. Doch sonst unterstütze der Erbprinz Aktionen im Ort.
Weiterer Ausbau des Tourismus nötig
Mit Blick auf das Thema Tourismus räumt Amann ein, dass man noch einige Angebote entwickeln könnte. Aber diese müssten zum Profil der Gemeinde passen und erforderten Manpower. Grundsätzlich setze man auf Publikum, das Entschleunigung suche. Da seien gepflegte, gut ausgeschilderte Wanderwege ein großes Plus, ebenso wie Aussichtpunkte wie die Freundschaftshöhle. „Die gehört aber dem Haus Fürstenberg, samt der Wege.“ Daher habe die Gemeinde deren Instandsetzung übernommen und die fürstliche Verwaltung finanziell außen vorgelassen. „Viele Leute haben das nicht verstanden. Wir sind ja keine reiche Gemeinde, aber 30.000 Euro in den Tourismus zu investieren, das hat uns nicht arm gemacht.“
Kultur und Kunst ziehen viele Menschen in den Ort
Mit der Gesellschaft für Musik und Kultur und der Künstlergemeinschaft AllerArt ziehe man Menschen nach Heiligenberg, die sich für Kunst und Kultur interessieren. Der Sennhof habe sich als idealer Veranstaltungsort erwiesen. Doch das Gebäude habe ihn viel Nerven gekostet, bekennt der Bürgermeister. Es ging um Lärmimmissionen bei Veranstaltungen, die erst nach mehreren Jahren und drei Gerichtsverfahren zu Gunsten der Gemeinde entschieden wurden. „Da habe ich in Freiburg nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts im Münster eine Kerze angezündet, weil ich so erleichtert und dankbar war“, erinnert sich Amann.
Frank Amann privat: Billard, Mountainbike und Sonntagskrimi
Fällt man nach 24 Jahren in ein Loch, wenn die Dienstzeit zu Ende ist? Frank Amann überlegt nicht lange. „Ich glaube nicht“, sagt er und schmunzelt. Er werde sich mal eine kleine Auszeit gönnen, aber Depressionen werde er sicher nicht bekommen. Er hat sich vorgenommen, endlich das Kochen zu erlernen. „Meine Frau Carmen kocht ganz toll und ich kann da gar nichts“, gibt er zu. Er will sich für die Arbeit am Herd fortbilden, sein Lieblingsessen ist Spaghetti mit Spargel und Garnelen, dazu ein Glas Weißwein. „Mit Bier habe ich es in den letzten Jahren nicht mehr so, mit Ausnahme eines kühlen Kristallweizens.“

Der Pensionär plant auch mehr Sport ein. Viele Jahre hat er Fußball gespielt und war selbst Trainer. Da geht heute nichts mehr, auch das Tennisspiel musste er nach einer Schulterverletzung beenden. Aber man sieht ihn immer noch im Winter auf der Skipiste und bald auch öfter im Freibad. Wandern geht der 60-Jährige gern und ist mit seinem E-Mountainbike unterwegs.
In seiner Wohnung steht ein Billard-Tisch, an dem er oft eine Partie gegen einen Freund aus Deggenhausertal spielt. Im Fernsehen schaut er gern den Sonntagskrimi: „Tatort und Polizeiruf sind bei uns feste Bestandteile des Sonntags.“ Ansonsten wird er in den Mediatheken fündig oder geht ins Kino nach Überlingen oder ins Wirtshaus am Gehrenberg in Markdorf, wenn dort Programmkino ist. Und er liest sehr gerne. Ganz super findet er Baldur von Schirach. Und sonst? „Ich habe vor nochmals was ganz Neues zu probieren, mich selbstständig zu machen. Aber da ist jetzt noch Zeit und die brauche ich auch.“