Ein siebenjähriger Junge wird beim Überqueren einer Landstraße von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert: Erwartet hatten dieses Szenario im Heiligenberger Ortsteil Steigen schon viele. Entsprechend kommentierten dann auch etliche Bürger die besonders für Fußgänger gefährliche Verkehrssituation in ihrer Ortsmitte: „Muss denn hier erst etwas passieren?“ Gemeint ist die Kreuzung der Durchgangsstraße L201 und der Straßen Am Bühl und Alte Steige, die von der Tal- beziehungsweise Bergseite in die Landstraße einmünden.

Schulkind wird an Gefahrenstelle von Auto angefahren

Das lange Befürchtete trat dort vor Kurzem ein: Ein Siebenjähriger versuchte, vom Bühl kommend, noch den Schulbus Richtung Heiligenberg zu erreichen. Der Bus stand auf der gegenüberliegenden Seite der L201 mit eingeschalteten Warnblinkern zur Abfahrt bereit. Beim Überqueren der Landstraße wurde das Kind von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert, hieß es im Bericht der Polizei. Da die Fahrerin noch bremsen konnte, verlief der Zusammenprall einigermaßen glimpflich. Dennoch erlitt das Kind erhebliche Verletzungen und einen Schock.

Maßnahmen sollten schon längst umgesetzt sein

Nun hat dieser Unfall eine lange Vorgeschichte. Dem SÜDKURIER liegt eine verkehrsrechtliche Anordnung der Straßenverkehrsbehörde des Bodenseekreises vom November 2019 vor. Diesem Dokument zufolge ist an der Kreuzung ein Fußgängerüberweg, also Zebrastreifen, mit entsprechender Beleuchtung und Beschilderung anzulegen.

Zuvor, so wird angeordnet, sei die Bushaltestelle in Richtung Leustetten nach oben zu verlegen. Außerdem sei gegenüber ein Gehweg mit Wartefläche zu installieren. Zwischen den beiden Haltepunkten habe der Zebrastreifen dann zu verlaufen. Die Verkehrsbehörde vergisst nicht, das Kreisstraßenbauamt als Adressat der Anordnung um Vollzugsmeldung zu bitten.

Problemlage ist in der Gemeinde seit Langem bekannt

Dem Dokument ist auch zu entnehmen, dass die Kreisbehörde auf Antrag der Gemeinde Heiligenberg aktiv wurde. Den Verantwortlichen im Rathaus ist die brisante Verkehrssituation also seit langem bewusst.

Vor Ort ist ist jedoch zu sehen, dass seit Erlass jener Anordnung vor etwa dreieinhalb Jahren beinahe nichts passiert ist. Zwar wurde die Haltestelle verlegt, aber von Maßnahmen, um die Gefahren für Fußgänger einzudämmen, ist nichts zu erkennen.

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Bürgermeister verweist auf bürokratische Umstände

Auf Bitte um Stellungnahme hat Denis Lehmann als designierter Heiligenberger Bürgermeister dem SÜDKURIER eine detaillierte Sachdarstellung zugeleitet. Lehmann drückt sein Bedauern über den Unfall aus, verweist aber auf eine Reihe von Umständen, die eine schnelle Entschärfung der Gefahrenstelle bisher verhindert hätten. So sei es bisher nicht gelungen, ein Grundstück für die Wartefläche an der Haltestelle bergseits zu erwerben. Für den barrierefreien Ausbau der beiden Haltestellen gebe es Landeszuschüsse, für die man ein zweistufiges Antragsverfahren habe durchlaufen müssen.

Arbeiten sollen im Sommer ausgeschrieben werden

Auch soll ein Ingenieurbüro ein bauliches Konzept und Ausschreibungsunterlagen entwickeln, was aufgrund von zahlreichen Abstimmungen mit Behördenvertretern und pandemiebedingten Verzögerungen nur langsam vorangekommen sei. Mit einer Ausschreibung der Bauarbeiten rechnet Denis Lehmann im Sommer, im Herbst soll dann Vollzug gemeldet werden.

Die Pressestelle des Landkreises schließt sich in ihrer Stellungnahme den Ausführungen Lehmanns an. Zudem verweist sie auf den nach wie vor verfolgten Plan, „über den Fußgängerüberweg hinaus weitere sicherheitsmäßige Verbesserungen baulich umzusetzen. Diese gilt es, baulich in Einklang zu bringen.“

Grundschul-Leitung sieht Gefahr im Verzug

Dass dann seit Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnung vier Jahre ins Land gegangen sein werden und sich mehrere Teilmaßnahmen offenbar bürokratisch endlos blockieren, trifft bei vielen Steigenern auf Unverständnis. Auch Leitung und Elternbeiräte der Grundschule in Wintersulgen äußern Besorgnis. Viele sehen durchaus Gefahr im Verzug.

Anwohner Christian Adolph berichtet, dass es nur wenige Tage nach dem Unfall mit dem siebenjährigen Jungen beinahe wieder zu einer Kollision gekommen sei: Der Fahrer eines aus Richtung Leustetten kommenden Lastwagens habe einen Bus, der an der Haltestelle wartete, verbotenerweise überholt, um dann bei wenig geminderter Geschwindigkeit nach links in den Bühl abzubiegen.

Überhaupt haben viele den Eindruck, dass das erlaubte Fahrtempo von innerorts 50 Kilometern pro Stunde auf der L201 oft deutlich überschritten wird. Betroffene, vor allem Anwohner mit Schulkindern, erwarten daher endlich verkehrsdämpfende Maßnahmen.

Anwohner fordern Tempo 30 durch den Ort

So auch Familie Adolph, die im Steigener Mühlenweg wohnt und deren zwei Töchter das Gymnasium in Wald besuchen. Die Familie wundert sich, „dass inzwischen in fast jeder Gemeinde Tempo 30 möglich ist, aber in unserer gefahrträchtigen Ortsdurchfahrt nicht“. Andere Anwohner befürworten zusätzlich zu einem Zebrastreifen eine Bedarfsampel, die insbesondere am frühen Morgen von den Schulbuskindern bedient werden kann. Weiter werden Geschwindigkeitskontrollen gefordert.

Sollten nun tatsächlich auch noch Tempo 30 und die Ampel-Frage geprüft werden, dann, so die verbreitete Sorge, werden nach den bisherigen Erfahrungen noch weitere Jahre im Behördenaustausch verrinnen. Die Eltern der Steigener Schulbuskinder aber erwarten sofortiges Handeln.