Sonnenschein und Frühlingswetter wirkten offenbar nicht als Hemmschuh: Knapp 200 interessierte Bürger waren am Samstag in die Stadthalle geströmt, um am Auftakt des Bürgerdialogs der Verwaltung zur künftigen Stadtentwicklung mitzuwirken. "Beeindruckt" von der Resonanz zeigten sich sowohl Bürgermeister Georg Riedmann wie hernach auch Professor Frank Brettschneider, der für die Stadt das Ergebnis des Bürgerentscheides analysiert hatte und die Stadt in Sachen Optimierung ihrer Kommunikationskultur berät.
Auch viele "Zufallsbürger" gekommen
"Ein gut durchmischtes Publikum" sei eines der Ziele der Auftaktveranstaltung gewesen, so Riedmann. Daher habe die Stadt per Losverfahren auch "Zufallsbürger" angeschrieben und eingeladen. Der Hintergrund: In den Infoveranstaltungen der Stadt sieht man regelmäßig die selben Gesichter: Bürger und Gruppen, die sich immer schon engagierten. Die Absicht, auch Bürger zu erreichen, die bislang solchen Angeboten fern geblieben waren, fruchtete: In der Stadthalle hatten sich auch zahlreiche Personen eingefunden, die man zum ersten Mal sah.

Fünf Themen für die Bürger
A und O eines gelingenden Bürgerdialogs sei das „wertschätzende Gespräch“ zwischen den Beteiligten, erklärte Tina Hekeler von dem moderierenden Konstanzer Beratungsbüro translake. Der Bürgerentscheid habe die Rahmenbedingungen für die Stadtentwicklung verändert, so die Stadtplanerin. Fünf Themen sollten sich die Bürger an diesem Nachmittag an den Arbeitstischen widmen: Rathaus, Rathausareal, Sanierung und Nutzung Bischofsschloss, Zukunftsstrategie Standortmarketing und städtebaulicher Rahmenplan. Los ging es nach den Vorträgen.

Brettschneider appelliert an Akzeptanz und Respekt
Frank Brettschneider fasste das "Wertschätzen" später in seinem fesselnden, mit humorvollen Anekdoten angereicherten Vortrag noch konkreter: „Kein Hauen und Stechen", sondern die Akzeptanz auch anderer Meinungen sei gefragt, damit sich gemeinsam Lösungen finden ließen: "Der andere, der eine andere Meinung hat, ist nicht böse und will Markdorf auch nicht in Schutt und Asche legen", sagte er. Respekt sei die Grundlage jeglicher Beteiligungskultur, so Brettschneider: "Man muss nicht immer Recht haben, es gibt unterschiedliche Sichtweisen, die auch berechtigt sind."
„Warum wird das Pferd von hinten aufgezäumt?“ fragte Juliane Wiljotti, Sprecherin der Gruppe Rathausareal, am Ende der Veranstaltung. Ihr wollte nicht einleuchten, warum der Bürgerdialog mit dem Thema Rathaus begonnen hatte. Die Debatte über die Entwicklung der Stadt sei stattdessen bis 2020 zurückgestellt. Riedmann erklärte, „dass wir das Pferd durchaus nicht von hinten aufzäumen“. Im Gemeinderat werde parallel gearbeitet. Wie die Innenstadt ausgestaltet werden könne, dafür gebe es schon seit 2009 Entwürfe. Ausdrücklich verwies er darauf, dass Fördermittel allein kein Entscheidungsgrund seien. „Damit werden keine Pflöcke hineingehauen.“ Die aktuelle Frage an die Bürger sei: „Wo sehen Sie das Rathaus?" Saniert und erweitert am bestehenden Ort oder anderswo?

So arbeiteten die Bürger an den Thementischen
Wenn der Rat sowie die Stadtverwaltung auf der einen und die Bürger auf der anderen Seite in einen Dialog treten wollen, dann brauchen sie vor allem eines: Klarheit. Bei Rat und Stadtverwaltung besteht die – per Auftrag und Mehrheitsbeschlüssen. Anders sieht es mit der Bürgerschaft aus. Die muss sich zunächst verständigen, ein Meinungsbild machen. Eben das ist letzten Samstag in der Stadthalle geschehen, in eineinhalb Stunden konzentrierter gemeinsamer Arbeit an den Thementischen.
Von einer tatsächlich wertschätzenden Gesprächsatmosphäre berichtet Uwe Achilles, Sprecher der SPD-Fraktion im Gemeinderat. So wie etliche seiner Stadtratskollegen habe er sich mit an die Tische gesetzt, an denen die Bürger sich über die Zukunft des Rathauses, des Bischofsschlosses oder der Gesamtstadt verständigten. „Ich habe auch Argumentationen gehört, die ich so noch gar nicht auf dem Schirm gehabt hatte“, berichtet er von seinen Erfahrungen in den Arbeitsgruppen. Ihm gefiel, wie entspannt der Austausch stattfand.

Bürger erarbeiten Ideen für ihre Stadt
Ganz ruhig, sehr konzentriert werden die einzelnen Argumente festgehalten. Zum Beispiel die zum Thema Rathaus-Neubau, auch an anderer Stelle, oder Rathaus-Sanierung. Hier bringt Frank Hartel ein, dass in einem Neubau vollständige Barrierefreiheit möglich sei. Mit seinem Rollstuhl ist der Behindertenbeauftragte der Stadt ganz dicht an den Tisch mit dem DIN-A-O-Plakat darauf herangerückt. Ein anderes Argument wird gerade festgehalten: Für eine Sanierung des Rathauses flössen höhere Fördermittel. Auf dem Plakat stehen schon Vorschläge wie altes Rathaus aufstocken, Reparaturwerkstatt in den Adler.
Per Gongschlag signalisiert Moderator Wolfgang Himmel, dass es Zeit zum Wechsel sei. An jedem Tisch bleibt ein Gastgeber. Dann kommen neue Gesprächspartner, arbeiten sich in das vorgefundene Thema ein. So Matthias Kern, der für eine Rathaussanierung sieht, „dass es dann eine Interimslösung braucht“. Gefragt, welchen Eindruck sie vom Bürgerdialog hat, antwortet Karin Matt: „Ich denke, dass hier schon Vorschläge dabei sind, die die Sache voranbringen.“ Knud Gossmann schränkt ein: „Ganz ohne Fachleute, ohne deren Expertise geht es aber auch nicht.“ (Über die Ideen und Ergebnisse der Arbeitsgruppen berichten wir am Montag.)