Herr Weber, Sie waren bis zum Herbst 2018 Mitglied der Geschäftsführung von Weber Automotive und sind aktuell Geschäftsführer der nun ebenfalls insolventen Weber Industrie Holding GmbH. Wieso musste die Weber Automotive GmbH einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen?
Die Welt der Automobilindustrie hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Die Unsicherheiten nehmen zu, Investitionen werden zurückgehalten. Die Wachstumsdynamik wird nicht so ausgeprägt sein wie erwartet, auch wegen der Dieselproblematik. Auch wir sehen die anderen Technologien und haben erkannt, dass eine Transformation des Unternehmens nötig ist. Diese Diskussion haben wir auch im Beirat geführt. Aber der Einstieg in die neuen Technologien ist mit extrem hohen Investitionen verbunden und diesbezüglich gab es eine Diskrepanz zwischen den Gesellschaftern.
Aber was waren die konkreten Gründe?
Unsere jetzige Schieflage ist entstanden, weil wichtige Kernkunden ihre Verträge nicht verlängert haben und Kreditlinien ausgelaufen sind. Wir benötigten zusätzliches Kapital, konnten dafür aber mit unserem Mehrheitsgesellschafter keine gemeinsame Lösung finden. Die Banken hätten auf unseren Vorschlag einer Kapitalerhöhung übrigens mitgezogen, aber darüber wurden wir uns mit unserem Mehrheitsgesellschafter nicht einig.
Wie beurteilen Sie aktuell die Chancen für eine Rettung des Unternehmens?
Im Kern ist Weber Automotive gesund. Neuinvestitionen kosten immer zuerst viel Geld und wir haben einen sehr hohen Kapitalbedarf, aber die Substanz des Unternehmens ist gut und wir wollen uns in dem Verfahren zügig neu aufstellen. Dort müssen wir nun aber alle an einem Strang ziehen, deswegen auch die Entscheidung für eine Insolvenz in Eigenverwaltung.

Ihr Mehrheitsgesellschafter, der französische Finanzinvestor Ardian, erhebt gegenüber der Gründerfamilie Weber schwere Vorwürfe: Er sehe keine Vertrauensbasis mehr, die Familie habe mehr Geld aus dem Unternehmen abgeschöpft als eingebracht. Wie stehen Sie zu diesen Vorwürfen?
Wir haben gegenüber Ardian immer unsere Pflichten erfüllt. Unser Unternehmen ist eben in einem sehr zyklischen Markt unterwegs. Die Frage, ob eine Zusammenarbeit noch Sinn macht, hat sich zunächst einmal erübrigt. Nun ist das Unternehmen in den Händen von neutralen Verwaltern, die agieren ohne Emotionen. Der Vorwurf, dass wir Geld abgeschöpft hätten, ist absurd. In den vergangenen Monaten haben wir als Familie unter intensiven Anstrengungen versucht, eine Insolvenz zu verhindern. Wir haben eine Kapitalaufstockung vorgeschlagen und wir haben auch vorgeschlagen, als Familie das Unternehmen wieder zu übernehmen. Anders als Ardian verlauten ließ, wären wir auch bereit gewesen, eine deutliche Mietminderung bei unseren Firmenimmobilien vorzunehmen, ganz im Sinne des Sanierungsgutachtens. Miete für Immobilien zu bekommen, ist eine ganz normale Sache, das ist kein Geld herausziehen.
Ardian hat nun sehr unmissverständlich deutlich gemacht, dass er für seine Seite die Gesellschafterbeziehung für beendet ansieht. Wenn sich Ardian zurückziehen sollte, welche konkreten Auswirkungen hat das für Weber Automotive? Droht dann die Abwicklung?
Nein, die Gefahr sehen wir absolut nicht. Zuerst einmal muss die weitere Vorgehensweise auf der Gläubigerversammlung diskutiert werden. Es würde dann voraussichtlich einen Verkaufsprozess geben, mit dem Ziel, einen Käufer zu finden, der das Unternehmen weiterführt. Von dem Sachwalter und dem Generalbevollmächtigten müsste dann eine neue Konstellation gefunden werden.

Und wenn es auf einen anderen Finanzinvestor hinausläuft?
Letzendlich entscheiden das der Sachwalter und der Generalbevollmächtigte sowie auch der Gläubigerausschuss. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, dass die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter gewährleistet ist und dass die Ansprüche der Gläubiger befriedigt werden. Das sind die beiden Eckpfeiler.
Sie deuteten an, dass Sie auch einen Rückkauf des Unternehmens durch die Familie in Erwägung ziehen würden.
Wir wollen das jetzt auf uns zukommen lassen und abwarten, wie die drei oben genannten Organe agieren und was die Kunden möchten. Das Wichtigste ist, dass die Arbeitsplätze der Mitarbeiter gesichert werden. Dann sehen wir weiter.
Ist Weber Automotive zu schnell zu stark gewachsen und wurden dabei die Ertragslage und die Risiken aus den Augen verloren?
Es ist richtig, dass Weber Automotive insbesondere in den Jahren 2011 bis 2015 in einem zyklischen Markt stark gewachsen ist. Allen Beteiligten war aber natürlich bewusst, dass in einem zyklischen Markt auch Umsatzrückgänge möglich sind. Zudem können Sie bei einem derartigen Wachstum die Ertragslage nicht optimal gestalten. Wir haben ja dann auch erkannt, dass wir zunächst einmal bestimmte Prozesse an die neue Situation des Unternehmens anpassen müssen. Das haben wir stets sehr transparent gegenüber Ardian kommuniziert.
Es scheint, dass Sie als Gründerfamilie und Ardian von Anfang an, seit der Mehrheitsübernahme durch Ardian im Dezember 2016, unterschiedliche Auffassungen vom richtigen Weg in die Zukunft hatten. Sie wollten wachsen, der Investor vermutlich eher eine schnelle Rendite für sein Investment und damit vor allem eine gute Ertragslage.
Es gab in Details natürlich schon unterschiedliche Sichtweisen. Aber über die Ziele, wohin man das Unternehmen führen sollte, auch von seiner Größenordnung her, darin waren wir uns schon einig. Problematisch war das Wie: Eine konsequente Transformation in Richtung neue Technologien, alternative Antriebe, andere Branchen und Internationalisierung zieht eben auch hohe Investitionen nach sich. Uns war das völlig klar. Diesen Weg wollten wir auch konsequent gehen. Für einen Finanzinvestor ist solch ein Kurs natürlich schwieriger. Die eigentliche Schwierigkeit war, dass wir als Familie grundsätzlich langfristig denken. Dies sehen Sie gerade am Bau der neuen Fertigungshalle.
Kann es sein, dass Ardian schlicht die Geduld verloren hat, weil zu viel investiert werden musste und keine nennenswerte Rendite erwirtschaftet wurde?
Dazu möchte ich mich nicht äußern. Wir sprechen ja nicht für den Mehrheitsgesellschafter.
Aber der Schluss liegt nahe.
Ein Finanzinvestor denkt immer in anderen Zeitdimensionen als ein Familienunternehmer und hat alleine deswegen schon einen anderen zeitlichen Druck als eine Unternehmerfamilie. Wir haben auch kein Problem mit zwei Jahren Verlusten, Hauptsache danach stimmt dann wieder die Rendite. Insofern ist das nicht von der Hand zu weisen.

Angesichts des Wachstums und der Internationalisierung: Hätten Sie als Familie nicht viel früher schon die Führung des Unternehmens und dessen operatives Geschäft professionalisieren und in andere Hände geben müssen? Sie und Ihr Bruder, ebenso wie Ihr Vater, Unternehmensgründer Albert Weber, kommen ja aus der Tradition des mittelständischen Familienunternehmens.
Wir haben ja bereits 2014 einen externen Finanzgeschäftsführer eingestellt. Natürlich muss man sich immer auch selbstkritisch hinterfragen. Hätten wir schon früher die Geschäftsführung abgeben sollen? Die Frage ist sicherlich legitim, weil wir unsere Stärken natürlich in der unternehmerischen Freiheit haben, so wie wir es bis 2016 ja hatten. Es bringt aber nun wenig, permanent in die Vergangenheit zu schauen. Wir müssen und wollen jetzt nach vorne schauen, das ist wichtig für die Gesellschaft und für unsere Mitarbeiter.
Die aktuelle Perspektive mit der Insolvenz in Eigenverwaltung ist aber zunächst einmal nur eine sehr kurzfristige. Wie lange kann der Geschäftsbetrieb tatsächlich weitergeführt werden?
Wir haben ja sehr langfristige Verträge mit unseren Kunden und wir haben seitens unserer Kunden das klare Signal, dass sie zum Unternehmen stehen. Von daher denken wir, dass wir durchaus eine langfristige Perspektive haben. Aber wir sollten, und das haben ja auch der Sachwalter und der Generalbevollmächtigte deutlich gemacht, nun vor allem für unsere Mitarbeiter eine rasche Lösung finden. Wir haben die Unsicherheit für unsere Mitarbeiter und dort geht es darum, so schnell wie möglich für gesicherte Verhältnisse zu sorgen.
Es droht also keine unmittelbare Zahlungsunfähigkeit?
Nein, die droht aus unserer heutigen Sicht nicht.
Was bedeutet die Insolvenz für die Stadt Markdorf? Müssen Sie Immobilien oder Grundstücke verkaufen? Gibt es Auswirkungen auf das Wirtshaus am Gehrenberg, das in Ihrem Besitz ist?
Die Insolvenz sollte für Markdorf keine Auswirkungen haben. Wir als Familie werden alles dafür tun, dass Markdorf und seine Bürger davon überhaupt nichts bemerken. Wir sind fest überzeugt, dass es für Weber Automotive und seine Mitarbeiter wieder in eine gute Zukunft geht. Die Insolvenz ist eine ärgerliche Operation, aber der Patient lebt und es ist keine tödliche Krankheit.
Zur Person
Christian Weber (47) war von 2000 bis 2018 Technikgeschäftsführer (CTO) der Weber Automotive GmbH (Markdorf, Bodenseekreis). Aktuell ist der Maschinenbauingenieur Geschäftsführer der Weber Industrie Holding GmbH. Beide Unternehmen hatten Ende vergangener Woche einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Weber Automotive erwirtschaftete 2018 mit rund 1500 Mitarbeitern einen Umsatz in Höhe von 328 Millionen Euro, schrieb zuletzt aber Verluste. (gup)