Spätestens mit dem ersten Verdachtsfall im Bodenseekreis am Wochenende ist das Thema Coronavirus auch in der Region angekommen. Apotheker und Supermarktbetreiber berichten von Hamsterkäufen, Unternehmen ergreifen für ihre Belegschaft Maßnahmen beim Gesundheitsschutz. Derweil warnen Experten vor Hysterie. Bei der durch den Virus ausgelösten Covid-19-Erkrankung handelt es sich um eine ganz gewöhnliche Grippe – mit dem Sonderfall, dass es keinen Impfstoff dagegen gibt.

Hamsterkäufe in der Apotheke und im Supermarkt
In der Markdorfer Panda-Apotheke herrscht am Montagvormittag Hochbetrieb. Das Thema sei „sehr unangenehm“, die Kunden teils extrem besorgt und verängstigt, berichtet Apotheker Matthias Maunz. Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel gibt es in seiner Apotheke keine mehr, weder für Geld noch für gute Worte: Ausverkauft. Ja, es habe Hamsterkäufe gegeben, sagt Maunz: „Jeder kauft den Mundschutz, aber keiner trägt ihn. Das wird für die Schublade gehortet“ – das sei aber widersinnig. Zwar stellen er und sein Team die Desinfektionsmittel selbst her. Doch auch das ist zurzeit nicht möglich. Denn es fehlen die Rohstoffe, die Lieferanten sind ausverkauft. „Klassische Sachen wie der Alkohol gehen aus und wir bekommen aktuell nichts nachgeliefert“, berichtet der Apotheker.

Zu Hysterie noch kein Anlass
Maunz warnt aber eindringlich vor Hysterie. Desinfektionsmittel sei nur dann nötig, wenn es kein Wasser gebe. Ansonsten täten es Wasser und Seife zum Händewaschen ebenso gut. „Auch die Seife wäscht das Virus ab“, klärt Maunz auf. Wichtig seien Hygiene und das Vermeiden von Menschenansammlungen, sagt er. „Eine solche Hysterie habe ich noch nicht erlebt, selbst beim Schweinegrippevirus war es nicht so schlimm“, schildert er seine Erfahrungen.
Handel bekommt nur noch schleppend Nachlieferungen
Von Hamsterkäufen berichtet auch Karin Sulger, Seniorchefin der Edeka-Sulger-Märkte in Markdorf. Desinfektionsmittel seien ausverkauft, Nachlieferungen gebe es derzeit keine. Selbst die Fläschchen für die Mitarbeiter an der Kasse würden in unbeobachteten Momenten mitgenommen werden. Das habe sie so noch nicht erlebt. Im Markt in der Ravensburger Straße gebe es kein Mehl mehr. Warum, wisse sie auch nicht. „Wir haben noch Reserven, aber wir bekommen immer weniger nach“, sagt Sulger.

Schulen informieren auch Eltern
„Wir befolgen die Anweisungen und Vorsichtsmaßnahmen, die das Kultusministerium herausgegeben hat“, erklärt Diana Amann, Schulleiterin des Gymnasiums am Bildungszentrum (BZM) Markdorf. Das bedeute beispielsweise, dass Schüler, die sich über die schulfreien Tage in Risikogebieten aufgehalten haben, vorsorglich daheim bleiben. Amann spricht von einer Handvoll Schüler, die beim Skifahren in der Lombardei gewesen seien. „Es sind alle Lehrer im Dienst, der Unterricht findet wie üblich statt. Außerdem werden in den Klassen Informationen und Instruktionen zur Einhaltung der Hygiene vermittelt.“ Auch die Eltern seien darauf sensibilisiert worden. Der Tag der offenen Tür für die künftigen Fünftklässler soll am Samstag, 7. März, von 10 bis 12 Uhr wie geplant stattfinden.

Informationen auf dem BZM-Internetportal
Im Schulverbund des BZM wird laut Schulleiterin Veronika Elflein gleich verfahren: „Das Kultusministerium hat sehr genaue Anweisungen gegeben. Wir haben die Informationen an die Kollegen weitergegeben und im Internet auf dem Portal des Bildungszentrums verlinkt. Und wir haben genau hingeschaut und die Schüler abgefragt, ob jemand in einem der Risikogebiete gewesen ist. Das ist bei uns nicht der Fall.“
Aktuell keine Risikofälle an der Gretser-Schule
„Stand heute haben wir keine Verdachtsfälle„, berichtet auch Andreas Geiger, Rektor der Jakob-Gretser-Grundschule. Elternvertreter sowie Lehrer werden laut Geiger per E-Mail zum Thema Coronavirus informiert, ebenso gebe es Belehrungen zum Einhalten der Hygiene. Auch die Gretser-Schule informiert im Internet über die Kultusministerium-Empfehlungen.
Stadtverwaltung: An Kindergärten bislang noch keine Verdachtsfälle
„Im Moment liegen uns keine Erkenntnisse über Verdachtsfälle vor. Wir hoffen natürlich, dass das weiterhin so bleibt“, erklärt Klaus Schiele, Leiter des Hauptamtes der Stadt Markdorf, zuständig für die beiden Grundschulen sowie die städtischen Kindergärten. Es werde nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und des Kultusministeriums gehandelt.
J. Wagner GmbH: Inzwischen gibt es Lieferengpässe
Bei der J.Wagner GmbH, dem größten Arbeitgeber in Markdorf, sind inzwischen alle Geschäftsreisen nach China gestrichen. „Damit folgen wir den Empfehlungen des Auswärtigen Amtes“, sagt Sprecherin Tanja-Christina Musik. Generell empfehle man statt jeglicher Dienstreisen auf Skype auszuweichen oder die Termine zu verschieben. In China gehe es aktuell um die Reihenfolge der Wiedereröffnung der Standorte nach den um eine Woche verlängerten Werksschließungen nach dem chinesischen Neujahrsfest. Geöffnet würden die Standorte dann unter strikten Sicherheitsmaßnahmen, etwa durch Fiebermesskontrollen an den Pforten.
Momentan sei man noch im Soll, so Musik, doch mit der Lieferkette werde es schwieriger, weil auch die chinesischen Logistikunternehmen geschlossen seien: „Tatsache ist, dass es Lieferengpässe gibt und auch die Kosten für die Transporte steigen.“ Notfalls werde man in der Lieferkette auf andere Regionen ausweichen müssen. „Wir gehen damit um, sind aber aktuell durchaus noch handlungsfähig“, sagt Musik.

Kendrion: Probleme von Zulieferfirmen wirken sich auch auf Markdorf aus
Bei Kendrion sei der Umgang mit dem Thema Coronavirus sehr standortabhängig, sagt Manfred Schlett, Geschäftsführer der Kendrion Markdorf GmbH. Am Standort Markdorf sei man konzernweit gesehen noch in der positiveren Lage, ein „sehr diversifiziertes Produktportfolio“ zu haben, sagt Schlett. Das heißt: Weil in Markdorf mit vielen verschiedenen Produkten gearbeitet wird, träfe der Ausfall von Lieferketten oder Zulieferungen in einem Produktsegment nicht gleich den gesamten Standort. Dennoch bereite man sich in Markdorf gründlich auch auf den Ernstfall vor, der dann die temporäre Schließung von Abteilungen, das Herunterfahren des Betriebes oder Kurzarbeit bedeuten könnte. „Das sind wir auch unseren Mitarbeitern natürlich schuldig, dass wir sehr verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen“, sagt Schlett im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Auch bei Kendrion gibt es keine Dienstreisen in Risikogebiete mehr. Stattdessen werde auf Skype oder andere Videokommunikationstechniken ausgewichen.

Verharmlosen möchte aber auch Schlett die aktuelle Lage bei Kendrion in Markdorf nicht. „Wir haben ein erhöhtes Risiko und rechnen auch in Markdorf in einigen Projekten mit Lieferproblemen“, sagt er. Dabei gehe es vor allem auch um Probleme von Zulieferfirmen. Wenn die dicht machen, fehlt in Markdorf der Nachschub an Teilen, was wiederum die eigene Produktion gefährde. Zu den Hauptkunden von Kendrion Markdorf zählen zum Beispiel die Bus-Hersteller. Dort gebe es aber häufig wiederum einheitliche Lieferketten sowohl der Kunden als auch von Kendrion. „Die Lieferketten sind sehr häufig miteinander vernetzt“, erläutert Schlett.
Problematisch sei, dass sich die gesamte Automotive-Branche in einer sehr schwierigen Situation befinde. Werde die Corona-Gefahr gravierender, berge dies tatsächlich das Risiko, dass die Branche in ernsthafte Schieflage gerate, so Schlett. Es sei „eine Tendenz für eine rezessive Phase“ zu beobachten, nennt er es.
Informationen
- Für Eltern von Schulkindern: Infos des Kultusministeriums und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sind auf der Startseite des BZM abrufbar (www.bzm-markdorf.de)
- Allgemein: Das Info-Telefon des Landesgesundheitsamtes ist werktags von 9 bis 16 Uhr unter der Tel. 07 11/90 43 95 55 erreichbar.