Herr Linnig, Sie sind jüngst mit dem Speaker Excellene Award ausgezeichnet worden. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Darunter können Sie sich einen Rede-Wettstreit vorstellen. Bei dieser Veranstaltung in Stuttgart traten 66 Redner aus 14 Nationen auf, die in einem jeweils 300 Sekunden Adrenalinschub, die Jury und das Publikum für sich begeistern müssten.
Und wie ist es Ihnen gelungen, die Jury und das Publikum zu begeistern?
Nun, ich habe in einer sehr persönlich gehaltenen Reden dem Publikum verdeutlichen können, welch enormen Wandel es bedeuten kann, zu lernen, besser und achtsamer mit sich selbst umzugehen. Dies hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Wahrnehmung der eigenen Lebenswirklichkeit. Vielmehr wirkt sich dies auch vorteilhaft auf den Umgang mit dem privaten Umfeld, auch mit Kollegen, Vorgesetzten und nicht zuletzt den Kunden aus.
Sie sprechen aus eigener Erfahrung?
Ich habe mich nach mehr als 20-jähriger Erfahrung im Vertrieb und diversen Leitungsfunktionen 2015 als Business-Coach selbständig gemacht. Ich habe mir die Frage gestellt, wie kann ich besser mit mir selbst umgehen? Ich wollte mein Leben wieder mehr selbst gestalten, denn je höher man in Unternehmen in der Hierarchie steht, desto einsamer wird man. Als Führungskräfte haben wir täglich viel zu bewegen, allerdings bewegen wir uns selbst kaum noch. Dadurch entfremden wir uns mehr und mehr von unserer wahren Natur – mit erheblichen Konsequenzen für Wohlbefinden, Kreativität und Leistungsfähigkeit.
Und nun unterstützten Sie Führungskräfte?
Bei mir war das ein jahrelanger Prozess und ich hätte mir damals einen Mentor an meiner Seite gewünscht. Ich unterstütze Unternehmer, Selbstständige und Führungskräfte dabei besser mit sich selbst umzugehen. Ich habe die nötige Erfahrung, gute, zielführende Fragen zu stellen. Vor allem bin ich aber auch ein guter Zuhörer, der weiß, wie anspruchsvoll es ist, einsame Entscheidungen zu treffen. Deshalb nehme ich meine Klienten mit nach draußen – bewusst raus aus dem uns limitierenden Denkkarton Büro.
Interessante Beschreibung, Denkkarton Büro.
Wir sitzen einfach zu viel drin. Ich mache meine Coachings im Freien, in den Bergen, am See. Im Denkkarton Büro sind wir gefangen, in unseren Ideen eingeengt, alles ist begrenzt. Darunter leidet unsere Kreativität. Im Outdoor-Office bekommt man viel mehr Input. Wenn ich in den Bergen bin, bekomme ich ganz andere Bilder und bin viel offener.
Also sollten wir mehr draußen arbeiten?
Da kommt es natürlich erst mal auf den Beruf an. Aber alle, die in einem Büro und einem kreativen Beruf arbeiten – warum nicht? Was braucht man? Ich brauche ein Notebook, Internetempfang und Ideen. Dafür brauche ich nicht in einem geschlossenen Raum sitzen, das geht auch woanders.
Wie sieht für Sie der perfekte Arbeitstag aus?
Ich bin mit meinen Kunden unterwegs und gebe Seminare. Am liebsten an einer schönen Berghütte und mit viel Bewegung.
Was genau ist nun Ihre Aufgabe?
Durch bewusste Selbstwahrnehmung helfe ich meinen Klienten ihre Mitte zu finden, sich nach und nach von ihrem Ego zu lösen und sich stattdessen selbst wahre Wertschätzung entgegenzubringen. Bei gesunder Bewegung kommen sie wieder in Kontakt mit sich selbst, reduzieren ihr Stressniveau erheblich und entdecken brachliegende Ressourcen, die ihnen bei der Bewältigung ihrer Führungsaufgaben helfen können.
Wie hat sich Ihr Leben verändert, nachdem Sie sich selbstständig gemacht haben?
Mir war es wichtig, aus den geschlossenen Räumen herauszukommen, ich wollte etwas Neues machen. Ich lebe nun mehr nach meinem persönlichen Rhythmus. Früher habe ich viele Entscheidungen ganz unbewusst getroffen. Nun schaue ich mehr darauf, dass der Weg, den ich gehe, auch zu mir passt.
Wie schaffen Sie das?
Ich führe zum Beispiel ein Tagebuch, dem ich morgens und abends jeweils drei Minuten widme und reinschreibe. Ich stehe jeden morgen um 5 Uhr auf, mache Sport, frühstücke, bringe meinen Sohn in den Kindergarten. Ich kümmere mich viel um meine Familie, meditiere, mache Nord-Walking und arbeite natürlich auch. Wir leben entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft, dadurch verpassen wir das Jetzt. Ich gehe mit einer positiven Einstellung durchs Leben.
Und das funktioniert jeden Tag?
Es gibt natürlich auch Tage, an denes es einem nicht so gut geht. Das muss man dann einfach auch akzeptieren, denn unser gesamtes Leben ist Zyklen unterworfen.
Kommen wir noch mal auf den Rede-Wettstreit zurück. Was gefällt Ihnen daran, auf der Bühne zu stehen?
Ich möchte Menschen dafür gewinnen besser mit sich selbt umzugehen und der Weg auf die Bühne ist ein möglicher Weg, Bewusstsein dafür zu schaffen. Ich habe eine Ausbildung zum Redner gemacht und nun geht es darum, darüber zu sprechen, was ich mache. Letztlich habe ich nur fünf Minuten Zeit, dann wird der Ton abgestellt. Aber wenn ich es in der Zeit schaffe, die Augen meiner Zuhörer zum Leuchten zu bringen, dann ist das ein tolles Gefühl.
Haben Sie Lampenfieber, bevor Sie auf die Bühne gehen?
Klar, ist man vor jedem Auftritt nervös, man hat ja auch nur fünf Minuten Zeit. Man sollte vor jedem Auftritt 30 bis 40-Mal seine Rede durchgehen und gut vorbereitet sein. Ich erinnere mich an einen Auftritt bei dem mir die Vorbereitung wahnsinnig schwer gefallen ist. So schwer, dass ich unvorbereitet auf die Bühne bin. Da hatte ich wirklich Angst, aber irgendwie hat es dann auf der Bühne funktioniert. Ich habe einfach das Publikum gefragt: Hatten Sie schon mal Angst? Da hatte ich die ersten Lacher bereits auf meiner Seite und ich habe gemerkt, dass ich mich auf mich verlassen kann. Ich bin durch die Angst gegangen und es war nicht so schlimm.
Was lernt man in einer Redner-Ausbildung?
Das war ein viertägiges Seminar und man lernt viel über Marketing. Aber zum Beispiel auch, wie man eine Rede aufbaut, wie man ein Thema wählt, wie man Menschen begeistern und berühren kann.
Wie kann man Menschen berühren?
Viele Menschen gehen sehr unbewusst durchs Leben. So war das bei mir auch. Wir leben alle sehr im Außen. Wir müssen uns mehr Selbstwert schaffen und aufhören, uns selbst und andere zu verurteilen. Wer Leute begeistern möchte, der muss ein authentischer Mensch sein.
Wie authentisch sind Sie?
Ich habe mich lange mit mir selbst auseinandergesetzt. Das war auch mit Arbeit und Schmerz verbunden. Aber ich habe in meinem Inneren Ordnung geschafft und das kann ich dann auch besser nach Außen kehren. Ich kommuniziere viel mit mir selbst und achte darauf, wie ich mit mir umgehe. Und wenn ich mit mir besser umgehe, dann gehe ich auch mit meinem Umfeld besser um und erziele bessere Ergebnisse.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich möchte noch mehr auf der Bühne stehen und Auftrittserfahrung sammeln. Ich habe gelernt, dass man gut vorbereitet sein muss. Unser Ego ist der Treiber von vielem. Wenn ich als Redner auf die Bühne gehe, dann brauche in mein Ego. Indem ich es bewusst einsetze, kann ich eine Präsenz entwickeln, die Authentizität, Echtheit, Ausstrahlung und Glaubhaftigkeit vermittelt.
Können Sie noch ein, zwei Tipps für ein glücklicheres Leben geben?
Wichtig ist, dass man Verantwortung für sein Leben übernimmt. Dann sollte man kritisch die eigene innere Kommunikation beobachten. Der Gedanke macht ein Gefühl und aus dem Gefühl entstehen Taten. Und man sollte aufhören, sich selbst und andere zu beurteilen. Beenden wir das Gespräch doch mit einem schönen Zitat von Mahatma Gandhi: Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.
Zur Person
Michael H. Linnig, 48 Jahre, geboren in Wadern (Saarland), lebt seit 2003 in Markdorf. Durch das Unternehmen seines Onkels Karl-Heinz Linnig, bei dem er in seiner Jugend in den Ferien gejobbt hat, lernte er die Bodenseeregion kennen. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmechaniker hat Michael H. Linnig in Saarbrücken Maschinenbau studiert. Anschließend hat er bei Linnig in Markdorf gearbeitet, bis die Firma 2007 verkauft wurde. Er war danach unter anderem für Zeppelin, Zim und Intimus tätig. Nach insgesamt 20-jähriger Erfahrung im Vertrieb und diversen Leitungsfunktionen hat er sich 2015 als Business-Coach selbständig gemacht. Linnig ist verheiratet und Vater eines fünfjährigen Sohnes. In seiner Freizeit ist er gerne in der Natur unterwegs, beim Walken oder Bergwandern. (shn)