Beim insolventen Automobil-Zulieferer Weber Automotive gibt es offenbar eine Kündigungswelle. Dies berichten auf Anfrage des SÜDKURIER Verantwortliche der Gewerkschaft IG Metall aus ihren Gesprächen mit dem Betriebsrat des Unternehmens. „Als problematisch sehen wir in der aktuellen Entwicklung gerade eine recht hohe Zahl an Eigenkündigungen an“, sagt Gewerkschaftssekretär Frederic Striegler von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben. In einigen Bereichen außerhalb der Produktion registriere man seit Beginn des Insolvenzverfahrens Anfang Juli eine Eigenkündigungsquote von rund zehn Prozent. Diese Zahl, die der Gewerkschaft in Gesprächen mit dem Betriebsrat genannt wurde, sei besorgniserregend. „Das sind überwiegend Angestellte, die gut bis sehr gut qualifiziert und in der Regel nur schwer zu ersetzen sind“, gibt Striegler zu bedenken.
Insolvenz vor zweieinhalb Monaten
Weber Automotive hatte am 8. Juli den Eintritt in das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung bekannt gegeben. Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung bleibt die Geschäftsführung im Amt, unterstützt von einem Generalbevollmächtigten, in diesem Falle Rechtsanwalt Martin Mucha, und koordiniert und kontrolliert von einem Sachwalter, zu dem Christian Gerloff, Fachanwalt für Insolvenzrecht in der Münchner Kanzlei Gerloff Liebler, berufen wurde.

IG Metall: Die Kündiger-Quote könnte noch zunehmen
Derweil rechnet Striegler eher noch mit einer Zunahme der Eigenkündigungen. „Diese Zahl könnte noch steigen, denn viele, die sich wegbeworben hatten, werden erst jetzt ihre Zusagen bekommen, nachdem die Entscheider in den Unternehmen wieder aus ihren Sommerurlauben zurück sind“, befürchtet der IG Metall-Funktionär. Diesbezüglich mache man sich in der Gewerkschaft „große Sorgen“.
Eine Halteprämie für die Belegschaft
Auf der anderen Seite gebe es aber auch positive Nachrichten für die Belegschaft. Nachdem mit Eintritt der Insolvenz die Schichtzulagen für den Juni nicht mehr ausbezahlt worden seien, was vom Insolvenzrecht her gedeckt sei, habe der Betriebsrat im Gläubigerausschuss eine so genannte Halteprämie durchgesetzt, sagt Striegler. Mit dieser Halteprämie seien die Schichtzulagen nachträglich ausbezahlt worden. „Diese Prämie hat der Betriebsrat durchgesetzt und der Gläubigerausschuss ist der Forderung nachgekommen.“

Leute werden durch die Firma geführt
Am 16. September findet laut Striegler die nächste Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Darin werde es um den Investorenprozess gehen. Das heißt: Es wird konkretisiert, ob und an wen Weber veräußert werden könnte. Bereits jetzt würden viele Leute durch das Unternehmen geführt, berichtet der Gewerkschafter von seinen Beobachtungen. Welche Leute dies seien, ob Abgesandte von Mitbewerbern oder von Geschäftspartnern, wisse man nicht. „Die Großen haben aber bereits abgewunken“, so Striegler.
Die IG Metall werde im Zuge des Investorenprozesses darauf hinwirken, dass ein Investor gefunden werde, der ein „begründetes Interesse“ am Erhalt des Standortes und der Belegschaft habe. „Das wird unser Schwerpunkt sein und das ist unser oberstes Ziel“, betont der IG Metall-Sekretär. Er und sein Singener Kollege Raoul Ulbrich seien regelmäßig zu Gesprächen bei Weber Automotive. „Ich bin zurzeit jede Woche im Unternehmen“, sagt Striegler.

Springt Investor Ardian ab?
Dass der bisherige Mehrheitseigner von Weber, der französische Finanzinvestor Ardian, das Unternehmen halten wird, gilt als unwahrscheinlich. Ardian selbst hatte zu Beginn des Insolvenzverfahrens unmissverständlich klar gemacht, dass das Tischtuch zwischen ihm und der Gründerfamilie Weber, die Minderheitseigner geblieben war, durchschnitten sei. Es gebe „keine Vertrauensbasis mehr zwischen den Altgesellschaftern und Ardian, die eine Fortsetzung der Beziehung als Co-Gesellschafter ermöglicht“, ließ der Investor verlauten. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, hieß es seitens der Agentur von Ardian erneut auf eine Anfrage des SÜDKURIER Ende Juli.

Funkstille der Verantwortlichen
„Still ruht der See“, kommentiert auch Raoul Ulbrich, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Singen, die Funkstille seitens der handelnden Beteiligten der Eigenverwaltung. Weder die Unternehmensführung noch der Mehrheitseigner äußern sich zur aktuellen Situation im Insolvenzverfahren. Doch auch Ulbrich vermutet, dass es demnächst „eine Regung der Verantwortlichen“ geben wird – spätestens gegen Ende des Monats, wenn das Insolvenzgeld ausläuft, oder Anfang Oktober, wenn die Dreimonatsfrist endet und ein Insolvenzplan vorgelegt werden muss.
Die Fakten zur Weber-Insolvenz
- Der Insolvenzantrag: Weber Automotive hat am 5. Juli beim Amtsgericht Konstanz Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung verbleibt die unternehmerische Verantwortung in den Händen der Geschäftsführung. Unterstützt wird die Unternehmensführung von einem Generalbevollmächtigten. Außerdem wird vom Amtsgericht ein vorläufiger Sachwalter eingesetzt, der das Verfahren im Sinne der Gläubiger kontrolliert. Bei einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ist das Unternehmen vor Vollstreckungen und Zwangsmaßnahmen von Gläubigern geschützt.
- Die Gründe für die Insolvenz: Der Insolvenz vorausgegangen ist ein Streit zwischen dem Mehrheitseigner von Weber Automotive, dem französischen Finanzinvestor Ardian, und der Gründerfamilie Weber, die Minderheitseigner ist. Weil das Unternehmen seine Kredite nicht mehr bedienen konnte, wollte die Familie Weber eine Eigenkapitalerhöhung vornehmen lassen, also eine Finanzspritze. Ardian wollte keine weiteren Mittel zuschießen und verwies stattdessen darauf, dass die Ertragsziele der Geschäftsplanung „nicht im Ansatz“ realisiert wurden und dass die Familie Weber deutlich mehr Kapital aus dem Unternehmen abgeschöpft als eingebracht hätte. In der Stillhalteperiode konnte keine Lösung zur Fortführung des Unternehmens gefunden werden, es musste Insolvenz angemeldet werden.
- Wie geht es weiter? Bis Ende September sind die Gehälter noch über das Insolvenzgeld abgesichert. Am Mittwoch teilte die Kommunikationsagentur des Unternehmens auf Anfrage des SÜDKURIER mit, es gebe einen „zwischenzeitlich aufgesetzten strukturierten Verkaufsprozess“ und Weber Automotive sei auch über den Stichtag der Insolvenzeröffnung hinaus „ausreichend finanziert, um den Geschäftsbetrieb uneingeschränkt fortführen und damit auch seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können“. Diese Einschätzung wird von der IG Metall bestätigt: Dem Betriebsrat sei von den Verantwortlichen der Eigenverwaltung zugesichert worden, dass das Unternehmen auf alle Fälle bis Dezember fortgeführt werde.