Moritz, es waren im vergangenen Jahr Sekundenbruchteile, die gefehlt haben zum ersten Platz. Und es war spannend wie ein Krimi.
Ich glaube, es waren 0,1 Sekunden. Irgendsowas.
Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen sah es so aus, als ob du zuerst im Ziel warst. Erst später stellte sich heraus, dass es doch nicht gereicht hat. Was geht einem da durch den Kopf?
Gefühlt war ich vorne. Aber mein Gegner ist in der zweiten Reihe gestartet, und der Transponder löst erst dann aus, wenn man beim Start über die Linie läuft. Eigentlich darf bei einem Laufwettkampf laut Leichtathletikordnung nur die Zeit vom Startschuss bis zum Überlaufen der Ziellinie zur Festlegung der Platzierung herangezogen werden. Auf der Ziellinie waren wir aber mindestens gleichauf. Somit hätte das Rennen anders gewertet werden müssen, dies war mir aber selber zu dem Zeitpunkt so nicht bekannt. Irgendwann hab ich mal auf den Computer geschaut, und dann stand da plötzlich eine Zwei. Und das war dann schon ein bisschen ärgerlich. Nein, es war für mich tatsächlich eine Enttäuschung.
Du warst Dir ziemlich sicher, das Rennen zu gewinnen. Hast Du nicht damit gerechnet, dass ein ebenso starker Gegner mitlaufen könnte?
Nein. Den hatte auch gar keiner gekannt. Und dass der so laufen konnte, wusste niemand. Aber dadurch, dass er zwei Jahre älter ist als ich, kann man das verschmerzen. Und ich weiß, dass ich dieses Jahr noch schneller rennen kann, wenn ich einen guten Tag habe.

Dann hast Du also gezielt auf den Gehrenberglauf trainiert, um dieses Jahr zu siegen und Deinen Streckenrekord erneut zu brechen?
Jein, nicht wirklich. Ich nutze den Gehrenberglauf eher als Einstiegswettkampf. Ich hatte zum Ende der Sommersaison einen Bahnwettkampf in Fischbach, bin dann aber über den Sommer nicht mehr viel gelaufen. Erst seit drei oder vier Wochen bin ich wieder am Trainieren. Und langsam rollt‘s wieder ganz gut.
Einerseits ist es der Sieg beim Gehrenberglauf, der Dich antreibt. Und andererseits?
Grundsätzlich ist es die Kurzstrecke oder die Mittelstrecke. Am stärksten bin ich auf der Mittelstrecke. Und da laufen mir diese 2,3 Kilometer am Gehrenberg ganz gut rein.
Bist Du die Strecke in diesem Jahr schon mal abgelaufen, um zu schauen, wie viel geht?
Ja, einmal. Es hat sich gut angefühlt. Ich hab immer wieder Tempo reingegeben und bin einzelne Passagen auch schneller gelaufen. Da kann man taktisch schon mit dem Tempo spielen, wenn man weiß, wo man ein bisschen anziehen muss, damit man auf der zweiten Hälfte noch etwas mehr Tempo geben kann. So wirklich viel gewinnen kann man auf der ersten Hälfte sowieso nicht. Die Schnelligkeit kann man erst auf der Geraden oben erreichen oder wo‘s dann wieder runter geht. Einmal werd‘ ich die Strecke wohl noch ablaufen – dann sitzt es (lacht).
Weißt Du, wer am Sonntag Deine Konkurrenten sein werden? Die Anmeldeliste ist ja bereits annähernd voll.
Nein, nicht wirklich. Aber ich glaube, dass keiner so stark sein wird wie der Afghane letztes Jahr. Es kann natürlich immer sein, dass sich jemand noch kurz vor Start anmeldet. Von der Schule zumindest weiß ich, dass keiner stärker ist als ich. Insofern denk ich, dass ich schon einer der Stärksten bin und sicher um den Sieg mitlaufen kann.
Setzt man sich da nicht wahnsinnig unter Druck, wenn man von sich behauptet, ganz vorne mitlaufen zu können und das auch öffentlich preisgibt?
Eigentlich nicht. Also ich zumindest nicht. Ich brauch das eher. Ich bin auch davon überzeugt, dass ich recht weit vorne sein kann. Es kann natürlich immer sein, dass ich einen schlechteren Tag habe oder dass es regnet und die Strecke aufgeweicht ist. Aber von der Leistung her sollte ich tendenziell stärker sein als letztes Jahr. Auf jeden Fall fühle ich mich so. Aufs Podium werde ich mindestens laufen können.
Gehst Du jeden Wettkampf so ambitioniert an?
Nein, das kann ich gar nicht. Denn es gibt in Baden-Württemberg schon noch genügend, die stärker sind als ich. Da bin ich in Deutschland nicht irgendwo an der Spitze. Ich kann zwar meine Läufe weit vorne abschneiden, aber in meiner Altersklasse gibt‘s in Baden-Württemberg schon noch ein paar, die deutlich stärker sind.
Du bist vergangene Woche 16 geworden. Ist das eher die Ausnahme, sich in diesem Maß für den Laufsport zu begeistern oder haben Jugendliche nicht ganz andere Interessen?
Nicht unbedingt. Ich kenn‘ schon einige in meinem Alter, um Stuttgart rum ist das sogar ganz extrem. Da herrscht schon eine hohe Leistungsdichte im Jugendbereich, wo schon mal drei in einem Verein schneller sind als ich. Im Bodenseekreis ist das nicht so extrem, aber in Großstädten wie Stuttgart gibt‘s tatsächlich viele Vereine, bei denen es relativ junge Athleten gibt. In Friedrichshafen bei meinem Verein bin ich allerdings der Zweitjüngste. Aber auch ich bin ein „Normaler“, der sich auch noch für andere Sachen als Laufen interessiert und ab und zu mit Kumpels feiern geht (lacht).
Kannst Du Dir vorstellen, dass Du nach dem Abi den Sport zu Deinem Beruf machst?
Eigentlich nicht. Ich werd‘ sicher weiterhin auch Sport machen als Hobby oder auch mal bei kleineren Wettkämpfen starten. Da müsste ich jetzt, was die Leistungsdichte in Deutschland betrifft, schon einen extremen Sprung machen, damit sich das lohnen würde. Ich war zwar letztes Jahr in Baden-Württemberg unter den Top 10. Aber da gibt‘s halt schon noch ein paar, die, egal auf welcher Distanz, deutlich schneller sind als ich. Also je nach Strecke bis zu einer Minute. Das wäre zwar für mich nicht völlig unerreichbar, wenn ich etwas mehr Kontinuität reinbringen würde. Auch habe ich mit 13 Jahren etwas zu spät mit dem Laufen angefangen, um das koordinativ noch wirklich aufholen zu können. Denn das geht schon in der Kinderleichtathletik los, wo alles ausprobiert wird. Insofern wird Laufen bei mir immer ein schönes Hobby bleiben.
Letzte Frage: Was erhoffst Du Dir vom Gehrenberglauf?
Hoffentlich einen Sieg, hoffentlich ein gutes Rennen, hoffentlich einen neuen Streckenrekord. Und hoffentlich eine schöne, sportlich-faire Veranstaltung.
Fragen: Helga Stützenberger
Zur Person
Moritz Grillmeier ist am 23. September 2003 in Überlingen geboren. Der 16-Jährige lebt bei seinen Eltern in Markdorf und besucht das Gymnasium am Bildungszentrum. Voraussichtlich wird er 2022 das Abitur machen und möchte danach BWL studieren. Moritz Grillmeier trainiert mehrmals wöchentlich beim VfB Abteilung Leichtathletik in Friedrichshafen. Auch zählt jegliche Art von Ballsport zu seinen Hobbys. Neben dem Laufen ist Moritz Grillmeier ambitionierter Gitarrist und wird von Gianni Dato unterrichtet. (hst)