Der Streit zwischen Mehrheitsgesellschafter und Altgesellschafter des insolventen Zulieferers Weber Automotive spitzt sich dramatisch zu und erreicht eine neue Eskalationsstufe: Der Finanzinvestor Ardian, bisheriger Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens, hat nach eigener Mitteilung vom Donnerstag Strafanzeige gegen die Familie Weber sowie gegen Mitglieder der Geschäftsführung, die 2016 im Amt waren, eingereicht.
Ermittlungen gegen vier Personen
Auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte die Staatsanwaltschaft Frankfurt, dass sie den Fall bereits aufgenommen habe. „Ich kann Ihnen bestätigen, dass ein Ermittlungsverfahren gegen vier Beschuldigte wegen des Verdachts des Betruges geführt wird“, so Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. Die Einleitung des Verfahrens beruhe auf der Strafanzeige von Ardian, die der Investor bereits im Juli eingereicht und nun öffentlich gemacht hatte. „Aktuell wird den Beschuldigten über ihre Verteidiger rechtliches Gehör gewährt“, so Niesen.
Die Vorwürfe des Mehrheitsgesellschafters sind gravierend. Man habe Strafanzeige wegen „des Verdachts des gemeinschaftlichen Betrugs in besonders schwerem Fall, dem Verdacht des Kreditbetrugs sowie des Verdachts der unrichtigen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Weber Automotive GmbH im Geschäftsjahr 2016“ eingereicht, lässt Ardian verlauten. Die Anzeige sei von einer von Ardian kontrollierten Gesellschaft bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main im Juli eingereicht worden.
Vorwurf der Finanzmanipulation
Konkret wirft Ardian den Altgesellschaftern um die Familie Weber sowie der Geschäftsführung von 2016 Finanzmanipulation und Bilanzfälschung vor. Der Sachverhalt sei im Zuge der Erstellung des Sanierungsgutachtens vor der Insolvenz aufgedeckt worden. Es geht um eine Falschbuchung von 21 Millionen Euro, die in die Bilanz des Geschäftsjahres 2016 eingeflossen sei und sie geschönt habe.

Verdeckt über Schweizer Holding
Die 21 Millionen Euro seien laut Ardian einem Kunden in Rechnung gestellt worden, für Ausgleichszahlungen. Tatsächlich habe sich nun aber herausgestellt, dass der Kunde der Rechnung widersprochen und die 21 Millionen Euro nie einbezahlt habe. Lediglich 800 000 Euro seien anlässlich eines Vergleiches seinerzeit auf den Konten des Unternehmens eingegangen. Dessen ungeachtet sei die Forderung nicht ausgebucht, sondern stattdessen „verdeckt aus dem Vermögen der Familie Weber über eine Schweizer Holding-Gesellschaft an die Weber Automotive GmbH gezahlt und dort als Umsatz und sonstige betriebliche Erträge gebucht“ worden, schreibt Ardian. Seither seien sowohl Ardian, wie auch die Mitarbeiter des Unternehmens und die finanzierenden Banken über Jahre hinweg im Glauben gelassen worden, dass die Forderungen seinerzeit von dem Kunden einbezahlt worden seien.

Bewusste Täuschung vor Verkauf?
Seitens des Mehrheitsgesellschafters wird dies als bewusste Verschleierung interpretiert. Mehr noch: Mutmaßlich, so lässt der Investor verlauten, hätten die Altgesellschafter das Ziel gehabt, Ardian und die Banken durch diese Buchungen „über die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft im Geschäftsjahr 2016 sowie über die Geschäftsaussichten zu täuschen“. Auf diese Weise, so Ardian, habe wohl ein absehbarer Bruch von Kreditvereinbarungen spätestens zum vierten Quartal 2016 vermieden und zudem auch der Unternehmensverkauf zum Dezember 2016 an Ardian gesichert werden sollen.
Mit anderen Worten: Der Investor wirft der Familie Weber vor, ihn beim Verkauf der Mehrheit des Unternehmens getäuscht zu haben. Damit ist nun auch klar, was Ardian zu Beginn des Insolvenzverfahrens Anfang Juli mit seinem Statement, „angesichts des beschriebenen Verhaltens existiert allerdings keine Vertrauensbasis mehr zwischen den Altgesellschaftern und Ardian, die eine Fortsetzung der Beziehung als Co-Gesellschafter ermöglicht“ gemeint hatte.

Persönliche Bereicherung?
Doch die Vorwürfe des Investors an die Altgesellschafter gehen noch weiter: Aus den „manipulierten Zahlen“ hätte sich eine höhere Bewertung des Unternehmens ergeben. Dadurch bestehe für Ardian auch der Verdacht, dass sich die Altgesellschafter persönlich bereichern wollten. Auch diesen Umstand hatte der Investor in seiner Mitteilung zum Insolvenzeintritt bereits verklausuliert benannt: „Ardian hat dem Unternehmen seit seinem Einstieg 2016 einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an Eigenkapital zur Verfügung gestellt und Weber Automotive in dieser Zeit dadurch signifikant entschuldet, während die Altgesellschafter in Summe deutlich mehr Kapital aus dem Unternehmen abgeschöpft als eingebracht haben“, hatte der Investor am 8. Juli mitgeteilt.
„Pragmatisches Handeln“
Konfrontiert mit den Vorwürfen Ende Juni habe ein Mitglied der Altgesellschafter eingeräumt, die betreffenden Forderungen aus seinem Privatvermögen beglichen zu haben, schreibt Ardian. Das Mitglied der Altgesellschafter habe dies als „pragmatisches unternehmerisches Handeln“ beschrieben.
Familie dementiert Anschuldigungen
Zwei Stunden nach Eingang der Mitteilung von Ardian reagierte die Familie. Über ihre Agentur ließen die Altgesellschafter eine Stellungnahme herausgeben. „Wir haben Kenntnis von dem laufenden Ermittlungsverfahren. Die Strafanzeige ist nicht nachvollziehbar. Die darin erhobenen Vorwürfe weisen wir entschieden zurück“, heißt es darin. Man werde die Vorwürfe „im Rahmen des Verfahrens unschwer widerlegen“ und kooperiere mit den ermittelnden Behörden. Und: Man respektiere die Ermittlungshoheit der Staatsanwaltschaft, weshalb man sich derzeit nicht ausführlicher äußere.