114 Dauercamper-Stellplätze hatte der Camping Wirthshof – bis Ende September. Künftig werden es nur noch 45 sein. 69 teils jahrzehntelang treuen Dauercampern hatte Wirthshof-Chef Claudius Wirth zum 30. September gekündigt – und sich damit eine Menge Ärger eingehandelt. „Die Kündigungen waren aber alternativlos, wir hatten keine andere Wahl“, betont Wirth im Gespräch mit der Redaktion.

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Es geht um die wirtschaftliche Existenz

Auslöser, sagt er, sei der Starkregen am 26. Juni gewesen, bei dem der Campingplatz binnen ein, zwei Stunden von den Fluten des über die Ufer getretenen Muldenbachs überschwemmt worden war. Mit Schäden, die erst nach Wochen von den Versicherungen auch nur annähernd beziffert werden konnten. Hätte es die Flut nicht gegeben, hätte er seinen Dauercampern nicht kündigen müssen, sagt Wirth. Nun aber gehe es schlicht um die wirtschaftliche Existenz des Betriebes. Die Schäden gehen in die Hunderttausende, insgesamt rund 200 Stellplätze waren verwüstet.

Blick von oben auf den Campingplatz. Die Stellplätze in der unteren Hälfte waren die Dauercamperplätze.
Blick von oben auf den Campingplatz. Die Stellplätze in der unteren Hälfte waren die Dauercamperplätze. | Bild: Tscho Müller

Aktuell sind die Aufräum- und Reparaturarbeiten noch in vollem Gange. Um aber die Stellplätze überhaupt wieder herrichten zu können, mussten sie frei sein. „Wir haben die Dauercamper gebeten, ihre Plätze bis Mitte September vorläufig zu räumen“, sagt Wirth: „Wir haben ihnen aber auch angeboten, ihre Wohnwagen erst einmal draußen abzustellen.“

Versicherungen ließen sich lange Zeit

Wochen nach der Überschwemmung sei auch er noch nicht davon ausgegangen, den Dauercampern kündigen zu müssen, sagt Wirth. Denn erst unlängst hätten die Versicherungen mitgeteilt, dass sie die Schäden nicht gänzlich ersetzen würden. So werde etwa der Betriebsausfall nur zu den Preisen bis 2023 ersetzt, nicht nach den aktuellen Preisen:“Wir haben ein Delta von einer hohen sechsstelligen Summe“, sagt Wirth. Er müsse schauen, dass der Betrieb wirtschaftlich wieder auf die Beine komme und auch eine tragfähige Zukunft habe. „Da stehen natürlich auch Banken dahinter“, verhehlt er nicht.

Nach dem Starkregen: Kreuz und quer stehen die Wohnwagen, Schlamm bedeckt die Wiese, die Parzellen sind sanierungsbedürftig.
Nach dem Starkregen: Kreuz und quer stehen die Wohnwagen, Schlamm bedeckt die Wiese, die Parzellen sind sanierungsbedürftig. | Bild: Jörg Büsche

Dauercamper sind frustriert

Das ist einer der Hauptkritikpunkte der Dauercamper: Dass die Wirthshof-Führung sich auf ihre Kosten sanieren wolle und sie rauswerfe, weil man an ihnen zu wenig verdiene. „Für mich sieht das so aus, als wäre es ein gefundener Anlass, den Platz umzugestalten auf ein Konzept, auf dem wir keinen Platz mehr haben“, schreibt etwa Sebastian Prosser an die Redaktion. Er und die anderen Dauercamper seien verzweifelt und frustriert. „Viel Wut, viel Tränen, viel Trauer, viel Enttäuschung und viel Unverständnis“, dies sei in der Gemeinschaft, in der fast jeder jeden kenne, die Gefühlslage.

So sahen die Dauercamperplätze auf dem Wirthshof vor dem Unwetter Ende Juni aus. Viele Dauercamper hatten sich seit vielen Jahren dort ...
So sahen die Dauercamperplätze auf dem Wirthshof vor dem Unwetter Ende Juni aus. Viele Dauercamper hatten sich seit vielen Jahren dort schon quasi häuslich eingerichtet. | Bild: Tscho Müller

„Dass 100 Familien ihr langjähriges Urlaubsdomizil verloren haben, Kinder, die hier ihre zweite Heimat gefunden haben und Erwachsene, denen ihr Erholungsort genommen wurde, viele Tränen vergossen haben“, dies vermisse er an den bisherigen Artikeln über die Flutschäden auf dem Wirthshof. Ein anderer Dauercamper, Tscho Müller aus der Schweiz, schreibt, nach dem Unwetter seien sie „lange vertröstet“ worden, hätten den Platz nicht betreten dürfen, aber trotzdem weiter zahlen müssen. Alles mit der Begründung, die Abwicklung mit den Versicherungen sei noch offen.

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Während der Corona-Jahre dem Wirthshof die Stange gehalten

Müller wie auch Prosser fühlen sich quasi undankbar behandelt – und vermutlich ergeht es den anderen Dauercampern ebenso. Denn sie seien es gewesen, die während der Corona-Jahre mit ihren Beiträgen den Betrieb am Laufen gehalten hätten. „So sind es während der Corona-Zeit ja vor allem die Dauercamper gewesen, welche brav ihren Platz bezahlten, keine Ferien darauf machen durften und weder einen Dank noch ein kleines Entgegenkommen der Wirthshof-Leitung bekamen“, schreibt Müller verbittert.

Auch das ist einer der Dauercamperplätze, die inzwischen geräumt sind.
Auch das ist einer der Dauercamperplätze, die inzwischen geräumt sind. | Bild: Tscho Müller

All dies will Claudius Wirth nicht in Abrede stellen. Er verweist aber darauf, dass die Preise für die Dauercamper seit vielen Jahren auch nicht erhöht worden seien und dass sie stets auch nur Jahresverträge von Oktober bis Oktober hatten, die sich ohne Kündigung stillschweigend um ein Jahr verlängerten.

1400 Euro pro Saison waren in der Region ein Schnäppchen

1400 Euro pro Saison, die die Dauercamper zahlten, sind am Bodensee tatsächlich ein Schnäppchenpreis für einen Dauercamperplatz. Am See zahlt man das Doppelte und mehr. Und so günstig gibt es in der gesamten Region keine Dauerplätze mehr. Umso bitterer für die Ex-Wirthshof-Camper. Denn sie werden hier in der Region keine Plätze zu diesem Preis mehr finden – und die eventuell auch ins Familienbudget passen.

Verwüstung allenthalben: Drei Monate nach der Flutwelle sind weite Teile des Campingplatzes immer noch schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Verwüstung allenthalben: Drei Monate nach der Flutwelle sind weite Teile des Campingplatzes immer noch schwer in Mitleidenschaft gezogen. | Bild: Jörg Büsche

Andersherum wird aber auch ein Schuh draus: Mit 1400 Euro pro Saison und Platz und das bei bislang über 100 Dauerplätzen bei insgesamt rund 250 Stellplätzen können die Wirths nicht in die Zukunft schauen. Bei den nun anstehenden Investitionen würden sie auf Jahre hinweg Miese machen. Dass es das Recht des Betreibers sei, die Plätze zu kündigen, sehe auch er, schreibt Müller. Die Betreiber seien jedoch nie zu Gesprächen bereit gewesen. Auch Prosser berichtet von wochenlanger „Hinhaltetaktik“. Müller wirft der Wirthshof-Leitung vor, einfach einen Grund gesucht zu haben, „um die Dauercamper loszuwerden, um teurere Touristikplätze zu schaffen“.

Touristikplätze bringen das sechsfache an Umsatz

Erreichbar seien sie grundsätzlich immer gewesen, notfalls auch auf dem Handy, entgegnet Wirth auf die Vorwürfe. Außerdem blieben künftig noch rund 45 Dauerplätze bestehen. Ihm tue es auch leid, wenn er die Reaktionen sehe. „Das war natürlich schon eine Gemeinschaft untereinander, und das ist vielleicht auch das Hauptproblem, dass diese Gemeinschaft nun auseinandergerissen ist“, bekennt Wirth. Zugleich gesteht er auch freimütig ein: „Ein Touristikplatz macht das sechs- bis siebenfache an Umsatz im Jahr.“ Die Kündigungen seien „die einzige Lösung“ gewesen, um die Verluste zumindest in einigen Jahren wieder hereinholen zu können, sagt Wirth.