Die Studie des Instituts für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund hatte Mitte des Monats für hohe Wogen in der Bildungslandschaft gesorgt: Die Lesekompetenzen von Viertklässlern hätten gegenüber jenen der Gleichaltrigen 2016 extrem abgenommen, hieß es dort. Bei 4300 Schülern war das sinnerfassende und flüssige Lesen getestet. Ergebnis: Die aktuellen Viertklässler hinken ihrer Entwicklung ein halbes Schuljahr hinterher. Das wäre gravierend. Doch was sagen die Rektoren dazu? Wir haben uns in den Grundschulen in der Region umgehört.

Julie Adam: „Ich konnte anderes beobachten“

Julie Adam, Rektorin der Teuringer-Tal-Schule in Oberteuringen, kann die Ergebnisse dieser Studie nicht pauschal bestätigen, aber auch nicht pauschal ablehnen. „Natürlich gibt es Kinder, die in der Fernlernzeit weniger Unterstützung bekommen haben als sie gebraucht hätten, aber ich konnte auch anderes beobachten. Gerade weil die Situation so war, wurden in manchen Familien wieder viel mehr Bücher in die Hand genommen. Es wurde mehr gelesen und mehr vorgelesen als in normalen Zeiten. Und in meiner Rolle als Deutschlehrerin kann ich wirklich bestätigen, dass manche Kinder sogar besser lesen können.“

Julie Adam, Rektorin der Teuringer-Tal-Schule, sieht bei ihren Schülern eher eine Stärkung der Lesekompetenz. Viele Eltern hätten ...
Julie Adam, Rektorin der Teuringer-Tal-Schule, sieht bei ihren Schülern eher eine Stärkung der Lesekompetenz. Viele Eltern hätten während der Pandemie gemeinsam mit ihren Kindern gelesen, sagt sie. | Bild: Claudia Wörner

Es sei viel praktiziert worden, es sei viel vorgelesen worden und gerade dabei würde das Zuhören und Verstehen geübt. „Die Zeit, die beim gemeinsamen Lesen miteinander verbracht wird, die Motivation und die Vorbildfunktion, die auch beim elterlichen Lesen mit einfließt, ist insgesamt sehr wichtig“, sagt Adam. Viele Eltern hätten in den Home-Schooling-Zeiten hervorragende Arbeit geleistet, betont die Schulleiterin und sie sei ihnen sehr dankbar für diese Unterstützung.

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Andreas Geiger: Ursachen für Leseprobleme liegen nicht an Corona

Auch Andreas Geiger, Rektor der Jakob-Gretser-Grundschule in Markdorf, hat andere Erfahrungen als die Autoren der Studie. „Mit Rückschau auf die Vera-Ergebnisse Lesen liegen wir in den letzten Jahren im Lesen um den Landesdurchschnitt. Ich kann die Ursachen für Leseprobleme einzelner Schüler oder Schülerinnen demnach nicht pauschal an Corona festmachen“, sagt Geiger. Dass das Leseverständnis insgesamt abgenommen habe, sei bereits in vielen Pisa-Untersuchungen vor Corona beschrieben worden.

„Ich kann die Ursachen für Leseprobleme einzelner Schüler oder Schülerinnen nicht pauschal an Corona festmachen“, sagt ...
„Ich kann die Ursachen für Leseprobleme einzelner Schüler oder Schülerinnen nicht pauschal an Corona festmachen“, sagt Andreas Geiger, Rektor der Gretser-Grundschule. Für ihn greifen die Ergebnisse der Studie zu kurz, jedenfalls was seine eigenen Erfahrungen an der Markdorfer Grundschule anbelangt. | Bild: Jörg Büsche

Die Gründe seien aber in ganz anderen Bereichen gefunden worden. „Manche Eltern verlassen sich zu sehr darauf, dass es ausreicht, was in der Schule zum Lesen gemacht wird.“ Leider reiche das aber nicht aus. „Eltern sollten Vorbild sein, selbst viel lesen und die Kinder zum Lesen animieren oder ihnen vorlesen. Nur so kann ein gutes Leseverständnis entwickeln werden“, bestätigt auch Geiger.

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Peggy Müller: „Kein signifikanter Unterschied“

„Wir können keinen signifikanten Unterschied zu früheren Jahrgangsstufen feststellen“, bestätigt auch Peggy Müller, Rektorin der Grundschule Deggenhausertal. In ihrer Schule seien Lehrer untereinander und mit den Eltern eng vernetzt, so dass die Zusammenarbeit und Unterstützung während der Lockdown-Zeit zwischen Eltern und Schule immer sehr gut funktioniert habe.

„Wir können keinen signifikanten Unterschied zu früheren Jahrgangsstufen feststellen“, sagt Peggy Müller, Rektorin der ...
„Wir können keinen signifikanten Unterschied zu früheren Jahrgangsstufen feststellen“, sagt Peggy Müller, Rektorin der Grundschule im Deggenhausertal. Sie nutzt, ebenso wie ihre Kollegin Julie Adam in Oberteuringen, das Programm des Landes „Rückenwind“, das dabei helfen soll, coronabedingte Lerndefizite aufzuholen. | Bild: Jörg Büsche

„Wir konnten schnell auf die digitale Lernplattform Moodle umstellen und dort wurde auch in kleinen Gruppen gelesen und vorgelesen“, sagt die Rektorin.

Individuelle Förderung durch „Lernen mit Rückenwind“

Um Kinder zu unterstützen, die coronabedingt in Lernrückstand geraten sind, nehmen sowohl die Teuringer-Tal-Schule als auch die Grundschule Deggenhausertal am staatlichen Förderprogramm „Lernen mit Rückenwind“ teil.

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In beiden Schulen seien über die einzelnen Lehrkräfte die Defizite der Kinder gesammelt worden. Je Schule unterstützt bei „Rückenwind“ eine externe Kraft einzelne Kinder nun individuell in der jeweiligen Stunde. „So versuchen wir, den Lernrückstand mancher Kinder aufzufangen, Elternbeirat und Lehrerkollegium befürworteten und unterstützten das Projekt sehr“, sagt Adam.