Am Sonntag sind bundesweit alle Corona-Maßnahmen gefallen. Nun gilt nur noch der sogenannte Basisschutz. Baden-Württemberg hat sich, ebenso wie die anderen Bundesländer, gegen diese Lockerungen ausgesprochen und lässt die bisherigen Regelungen noch bis zum 2. April weiterlaufen. Die Maskenpflicht in Innenräumen und dem ÖPNV sowie die Testpflicht in Schulen und die Zugangsbeschränkungen bei Veranstaltungen bleiben bestehen. „Das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes passt nicht zur derzeitigen Corona-Lage“, begründete Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Widerstand. Wie sehen das die Markdorfer? Stimmen sie Kretschmann zu oder wird es in ihren Augen Zeit für Lockerungen?

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An der Schule gibt es unterschiedliche Meinungen

Wenn es nach Schulleiterin Marianne Licciardi-Haberbosch am Schulverbund des Bildungszentrums Markdorf geht, könnten die Maßnahmen im Schulbetrieb gerne noch erhalten bleiben. Das bedeutet derzeit: zweimal statt dreimal die Woche testen und eine Maskenpflicht während des Unterrichtes.

„Es gibt unterschiedliche Meinungen, auch im Kollegium. Ich persönlich bin froh, dass die Regelungen noch weiter bestehen“, ...
„Es gibt unterschiedliche Meinungen, auch im Kollegium. Ich persönlich bin froh, dass die Regelungen noch weiter bestehen“, sagt Marianne Licciardi-Haberbosch, Schulleiterin am Bildungszentrum. | Bild: Leonie Georg

„Es gibt unterschiedliche Meinungen, auch im Kollegium. Ich persönlich bin froh, dass die Regelungen noch weiter bestehen, weil unsere Infektionszahlen bei den Schülern wie auch bei den Lehrern immer noch hoch sind“, betont Licciardi-Haberbosch: „Wir hatten vor einer Woche noch eine Klasse zuhause, weil da 22 Kinder krank waren.“ Die Schüler hingegen scheinen diese Meinung nicht unbedingt zu teilen: „Den Schülern geht es auf die Nerven, die wollen weder die Maske noch die Testpflicht, die wollen frei sein. Aber das ist auch schon lange so“, sagt die Schulleiterin. Einen Aufschrei unter den Schülern gab es nach dem Veto aus Stuttgart trotzdem nicht. „Das haben alle akzeptiert. Aber klar sind alle froh, wenn die Einschränkungen weg wären, aber das hätte natürlich Folgen. Das muss man auch sehen.“

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Die Gastronomie leidet nach wie vor unter den Maßnahmen

Die Folgen der verlängerten Maßnahmen sind jedoch auch in anderen Bereichen deutlich spürbar. Für die Gastronomie hätten die Maßnahmen während der gesamten zwei Jahre der Pandemie ein einziges Minusgeschäft bedeutet, sagt Raif Erbas von der Bar L‘Aviva: „Am Anfang, als nur bis 22 Uhr offen war, da war es eine Katastrophe. Jetzt ist es schon viel besser, aber wenn die Beschränkungen weg wären, wäre es noch besser.“ Er habe durch die Maßnahmen Kundschaft eingebüßt, sagt Erbas.

„Als die Maßnahmen so streng waren, haben wir viele Kunden verloren“, sagt Raif Erbas von der Bar L‘Aviva. Viele ...
„Als die Maßnahmen so streng waren, haben wir viele Kunden verloren“, sagt Raif Erbas von der Bar L‘Aviva. Viele hätten sich daran gewöhnt, nicht mehr auszugehen. | Bild: Leonie Georg

Dass die Maßnahmen erst mal noch weiterlaufen, verschlechtere die Situation eher noch: „Bei 100 Prozent sind wir noch nicht. Als die Maßnahmen so streng waren, haben wir viele Kunden verloren. Die gewöhnen sich nun daran, zuhause zu bleiben und nicht mehr auszugehen.“ In seinen Augen ergeben die Verordnungen wenig Sinn, gerade für die Gastronomie: „Das bringt wenig“, sagt Erbas: „Klar, die Nähe ist nicht gut, aber die hast du überall und durch die Corona-Maßnahmen bilden sich Schlangen und dort stehen die Gäste dann noch enger beisammen. Und wenn du reinläufst, ist Maskenpflicht, aber am Platz wird ohne Maske getrunken und gegessen.“

Warten auf die Gäste: Wirte und Hoteliers sehnen das Ende der Corona-Beschränkungen herbei. Einer Studie zufolge sollen bundesweit rund ...
Warten auf die Gäste: Wirte und Hoteliers sehnen das Ende der Corona-Beschränkungen herbei. Einer Studie zufolge sollen bundesweit rund 20 Prozent aller Gastronomien während der zweijährigen Coronazeit aufgegeben haben.

Hoffen auf die Lockerungen, aber mit Vorsicht, sagt die Händlerin

Auch für den Einzelhandel würde das Wegfallen der bisherigen Corona-Regeln einen Rückgewinn der Kundschaft bedeuten, sagen die Händler. „Wir haben auch Kunden, die gar keine Maske tragen wollen. Das ist jetzt weniger geworden, weil sich die meisten daran gewöhnt haben, aber manche kommen auch gar nicht mehr deswegen und die zurückzugewinnen, wäre natürlich auch wichtig“, sagt Yvonne Endres von der Buchhandlung Ravensbuch. Vor ein paar Wochen galt in der Buchhandlung noch 2G-Plus, jetzt ist der Zutritt ohne Beschränkungen möglich. „Ich hoffe, dass es sich nun ein wenig wiederbelebt. Und wir hoffen, dass die Zahlen dann nicht wieder hochgehen und es in die andere Richtung geht. Ich denke, das ist immer die Sorge, dass es vielleicht doch zu früh ist“, gibt Endres zu bedenken.

Yvonne Endres von Ravensbuch ist noch vorsichtig. „Ich freue mich schon auch darauf, dass ich hier irgendwann wieder ohne Maske ...
Yvonne Endres von Ravensbuch ist noch vorsichtig. „Ich freue mich schon auch darauf, dass ich hier irgendwann wieder ohne Maske stehen kann, aber noch sprechen die Zahlen nicht dafür“, sagt sie. | Bild: Leonie Georg

So richtig wohl fühle sie sich nicht bei dem Gedanken, dass bald alle Maßnahmen aufgehoben werden: „Ich finde, die Zahlen sprechen nicht unbedingt dafür, das so zu machen. Wir stehen doch in engem Kontakt mit vielen Menschen. Deswegen finde ich das Signal nicht ganz so richtig. Aber ich hoffe natürlich, dass es unserem Geschäft zugutekommt.“ Auch die Maskenpflicht erschwere die Arbeit zwar, sie sei jedoch noch nicht wegzudenken: „Ich freue mich schon auch darauf, dass ich hier irgendwann wieder ohne Maske stehen kann, aber noch sprechen die Zahlen nicht dafür“, gibt sich Endres vorsichtig.

Trauriges Bild während der Ausgangsbeschränkungen vor Weihnachten 2020: Das Proma ist mit Christbaum und Schmuck festlich herausgeputzt, ...
Trauriges Bild während der Ausgangsbeschränkungen vor Weihnachten 2020: Das Proma ist mit Christbaum und Schmuck festlich herausgeputzt, doch es verlieren sich nur wenige Menschen in dem Einkaufszentrum. | Bild: Jan Manuel Heß

Kritik an der Unübersichtlichkeit der Beschlüsse

Kundin Irmgard Teske hätte nichts dagegen, wieder ohne Maske in der Buchhandlung einkaufen zu gehen. „Also, ich würde mich schon sicher fühlen. Ich selbst bin viermal geimpft und mein Mann wird jetzt auch das vierte Mal geimpft. Ich hätte da keine Probleme für mich, aber ich will keinen anderen infizieren“, sagt sie. Was Teske stört, ist die Unübersichtlichkeit der Beschlüsse und Maßnahmen. Sie könne sich gar kein Bild mehr machen, weil man nicht mehr mitgeteilt bekomme, wie es überhaupt aussehe mit den Infektionszahlen, sagt sie.

„Ich hätte da keine Probleme für mich, aber ich will keinen anderen infizieren“, sagt Kundin Irmgard Teske zum Wegfall der ...
„Ich hätte da keine Probleme für mich, aber ich will keinen anderen infizieren“, sagt Kundin Irmgard Teske zum Wegfall der Corona-Beschränkungen. Sie selbst ist bereits vierfach geimpft. | Bild: Leonie Georg

Bürgermeister spricht sich klar für ein Ende der Beschränkungen aus

Bürgermeister Georg Riedmann hingegen hält die Verlängerung der Regelungen nicht für sinnvoll. „Aus meiner Sicht erschließt sich die Sinnhaftigkeit nicht. Ich wäre der Überzeugung gewesen, man hätte jetzt der Bundesregelung folgen können, auch in Baden-Württemberg und auch in Markdorf.“

Bürgermeister Georg Riedmann verweist auf die geringen Hospitalisierungszahlen. „Ich wäre der Überzeugung gewesen, man hätte jetzt ...
Bürgermeister Georg Riedmann verweist auf die geringen Hospitalisierungszahlen. „Ich wäre der Überzeugung gewesen, man hätte jetzt der Bundesregelung folgen können, auch in Baden-Württemberg und auch in Markdorf“, sagt er. | Bild: Jörg Büsche

Riedmann sieht die hohen Infektionszahlen nicht als ausschlaggebend, sondern wendet den Blick in die Krankenhäuser. „Wir waren uns alle mal einig, dass der Fokus nicht auf der Inzidenz liegen sollte. Wir hatten uns politisch auf Bundes- und Landesebene darauf geeinigt, dass man die Hospitalisierungsinzidenz und insbesondere die Intensivstationenbelegung in den Blick nimmt.“ Es sei notwendig, dass das bundesweit beschlossene Gesetz am 2. April auch im Land in Kraft trete, betont Riedmann: „Eine andere Möglichkeit haben wir gar nicht mehr.“