Seit ihrem Durchbruch im Jahr 2004 zählen Silbermond mit mehr als sechs Millionen verkauften Tonträgern ihrer Rock-Hymnen von „Symphonie“ und „Das Beste“ bis hin zu „Irgendwas Bleibt“ und „Leichtes Gepäck“ zu den hiesigen Top-Acts. Am 17. Juni spielt die Band in Meersburg und stellt das neue Album „AUF AUF“ vor.
„AUF AUF“ lädt zum Tanzen ein. Auf der neuen Platte menschelt es sehr. Hatten Sie keine Lust mehr auf politische Statements?
Stefanie Kloß: Es stimmt, auf dem neuen Album geht es viel ums Miteinander und um Verbundenheit. Besonders um die Verbundenheit zwischen Menschen. Und auch um die Kraft, die man daraus ziehen kann. Wir haben durch die Entstehung der neuen Songs gemerkt, dass es sich in Zeiten, die nicht so easy sind, stark herauskristallisiert, welche Menschen an deiner Seite sind. Oder wie stark die Beziehung zu diesen Menschen ist, die dich begleiten. Und ob sie Potenzial haben, so etwas auszuhalten. In dem Sinne ist die Platte schon auch politisch, weil sie sich mit der Gesellschaft in dieser schweren Zeit befasst. Wir haben auch auf uns geschaut, wie wir uns verändert haben.
Wie denn?
Andreas Nowak: Man verändert sich jeden Tag, weil man verschiedene Erfahrungen macht. Es ist ein Gefäß, in das viel reingeschüttet wird. Als Band wollen wir immer mehr das tun, was uns guttut und das war uns auf dem neuen, dem siebten Album vor allem wichtig. Wir filtern Dinge inzwischen raus, die uns nicht mehr so guttun. Was nicht heißt, dass es künstlerisch nicht auch mal weh tun darf.
Kloß: „AUF AUF“ spiegelt ganz gut wider, wo wir aktuell stehen. Wir werden als Band gerade herausgefordert unseren Platz zu finden. So wie sich die Musikbranche entwickelt hat, ist es schwerer für uns. Die neue Platte hat uns wieder mehr zusammengebracht. Es gibt ein neues Wir-Gefühl. Und wir wollen, dass wir als Band gehört werden. Wir wollen nicht aus der Zeit fallen, aber uns auch nicht dem neuen Sound da draußen anbiedern.
In Beziehungen gibt es das verflixte siebte Jahr. Gab es vor dem siebten Album auch mal dunkle Momente bei Silbermond?
Kloß: Ja. Es gab eine Phase, in der das Gepäck sehr schwer wurde. Das war, bevor wir „Leichtes Gepäck“ geschrieben haben. Nach unserem vierten Album wurde es schwierig, denn das Konstrukt mit den Leuten um uns herum wurde uns zu viel. Wir mussten uns um viel Bürokram kümmern und hatten keine Zeit mehr für die Musik. Das hat keinen Spaß mehr gemacht. Wir mussten also etwas verändern, damit es uns als Band besser geht. Es war schwer für mich zu akzeptieren, dass sich Wege auch mal trennen müssen. Es hätte für uns eng werden können. Heute ist „Leichtes Gepäck“ einer unserer wichtigsten Songs.
Im Song „Hey Ma“ beschreiben Sie, dass Sie sich besser in Ihre Mutter reindenken können.
Kloß: Ich habe gemerkt, dass sich die Beziehung zu meiner Mama verändert hat und das immer wieder neu passiert. Auch die Sicht zu ihr. Auch, weil ich selber Mutter geworden bin. Ich verstehe besser, was sie da geleistet und aufgegeben hat. Wie oft sie auch zurückgesteckt hat. Bei meiner Mama sah vieles leicht aus. Sie hat mir immer das Gefühl gegeben, dass sie alles unter Kontrolle hat. Obwohl das nicht immer so war, wie ich heute weiß. Wenn Du als Mutter deinem Kind vermitteln kannst, dass alles okay ist und du musst keine Zweifel haben, dann ist alles wunderbar. Ich bin für die enge Beziehung zu meiner Mutter sehr dankbar. Viele haben das nicht.
Sie sind mit Ihrem Gitarristen Thomas Stolle liiert und haben einen gemeinsamen Sohn. Wie schwierig ist es eigentlich? Es gibt ja sicher auch mal Zoff.
Kloß: Es ist komplett easy und es ist auch eine Frage der guten und ehrlichen Kommunikation, ob da ein Pärchen in der Band ist oder nicht.
Wie kriegen Sie Ihre Mutter-Rolle und die Rolle als Sängerin unter einen Hut?
Kloß: Es ist viel Organisation und viel Vordenken. Das merken wir auch an dem Support, den wir brauchen, wenn beide Elternteile auf der Bühne stehen. Wir brauchen immer jemanden, der uns hilft. Wir haben die Zerrissenheit in uns, lieben das, was wir tun, aber wir lieben auch unser Kind. Das sind zwei Lieben, zwischen denen ich gerne hin- und hergerissen bin. Man muss eine gute Balance finden.
„Lieber laufe ich davon“ handelt von Angst. Wovor haben Sie Angst?
Kloß: Ich habe Angst davor, dass man entlarvt wird, dass man eigentlich gar nichts kann. Ich komme aus keiner musikalischen Familie, habe mit 13 nur festgestellt, dass ich gerne singe. Und in einem Chor in Bautzen konnte ich das zum Glück tun. Und die Chorleiterin hat mich da gefördert. Dort haben wir uns auch als Band gefunden.
Ein bisschen Glück braucht man auch, oder?
Kloß: Ich hatte viel Glück, dass ich diese Stimme habe und weiß das auch wertzuschätzen. Aber ich habe es nie gelernt und ich weiß, dass es da draußen wesentlich talentiertere Sängerinnen gibt. Wir sind alle zu streng mit uns und sind zu selten richtig zufrieden mit uns. Man muss oft zufriedener mit sich sein. Das steckt auch in dem Song.
Wie ist es bei Ihnen mit der Angst?
Nowak: (lacht) Männer haben keine Angst. Ich habe natürlich Angst vor Situationen, die das Leben von jetzt auf gleich komplett umkrempeln und die man nicht beeinflussen kann. Das ist nicht schön. Und ich habe Angst vor unbequemen Situationen, will mich davor aber nicht verschließen. Ich will nicht nur Opfer sein.