Theodor Borowski hat einen festen Platz in Owingens kollektivem Gedächtnis. Der polnische Zwangsarbeiter wurde im Februar 1942 gehängt. Das nationalsozialistische Regime warf ihm die Liebesbeziehung zu einer deutschen Magd vor. Während ein Gedenkkreuz in Hohenbodman an den Mord an Borowski seit Kriegsende erinnert, kommt die Magd in der Erinnerungskultur der Öffentlichkeit bislang nicht vor. Obwohl auch sie von den Nazis ermordet wurde.

Die Magd heißt Monika Rinderle. Ihre Großnichte stieß eher zufällig bei einem Besuch in Auschwitz auf das Schicksal ihrer Großtante, die ebendort getötet wurde. Monja Rinderle, so heißt die Großnichte, wandte sich mit ihren Recherchen an die Gemeinde Owingen und – als sie dort im Rathaus eher ausgebremst als eingeladen wurde – an den SÜDKURIER. Nach zwei großen Berichten zu dem Thema kommt nun Bewegung in die Sache.

Monja Rinderle im Gespräch mit einem Bürger vor dem Rathaus in Owingen.
Monja Rinderle im Gespräch mit einem Bürger vor dem Rathaus in Owingen. | Bild: Hilser, Stefan

Schicksal soll nun aufgearbeitet werden

In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats wurde der einstimmige Beschluss gefasst, das Schicksal Monika Rinderles historisch aufzuarbeiten, mit dem Ziel, ihr ein würdiges Andenken zu ermöglichen. Der Beschluss fiel in Anwesenheit von Monja Rinderle. An die Gemeinderätinnen und -räte gewandt sagte sie: „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken.“

Öffentliches Interesse überwiegt

Bei den Verantwortlichen in der Gemeinde hatte sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Interesse an einer historischen Aufarbeitung und der Möglichkeit, für Monika Rinderle eine Gedenkstätte zu schaffen, überwiegt. „Wir haben eine moralische Verpflichtung dazu“, sagte Bürgermeister Henrik Wengert, der die Einstimmigkeit im Beschluss als „ein gutes Zeichen“ wertete.

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Was folgt dem Beschluss? Zunächst beauftragt die Gemeinde einen Doktoranden am Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Universität Konstanz damit, die Geschichte von Monika Rinderle aufzuarbeiten. Im September soll damit begonnen werden, der Zeitaufwand liege bei vier Monaten. In einem zweiten Schritt, so Wengert, werde im Gemeinderat darüber beraten und entschieden, wie ihrer gedacht werden kann. Zunächst plante die Gemeinde, die erste Debatte in nicht-öffentlicher Sitzung zu führen, bekam aber Bedenken, nachdem unsere Redaktion nach dem Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit gefragt hatte. Umso wertvoller waren nun die Beiträge der Räte in öffentlicher Sitzung – übrigens der letzten Sitzung des alten Gemeinderats.

Wortbeiträge im Gemeinderat

Gemeinderätin Elisabeth Matzner bezeichnete die Aufarbeitung als „einen Kampf gegen das Vergessen – es ist wirklich ein Kampf“. „Wir wissen viel zu wenig über die grausame Zeit zwischen 39 und 45.“ Es gebe viele junge Frauen, denen ein ähnliches Schicksal wie Monika Rinderle widerfahren ist, „an die kaum erinnert wird, die vergessen werden“. Sie habe Verständnis dafür, wenn Nachkommen den Verschluss von Dokumenten einfordern, aus der Befürchtung heraus, in Verantwortung genommen zu werden für etwas, das ihre Vorfahren gedacht oder getan haben. „Es darf keine Schuldzuweisung geben. Das ist auch nicht gewünscht. Im Vordergrund muss die Erinnerung stehen, stellvertretend für die vielen Frauen, die ein ähnliches Schicksal wie Monika Rinderle erlitten haben.“

Elisabeth Matzner: „Viel können wir nicht machen, aber wir können erinnern.“
Elisabeth Matzner: „Viel können wir nicht machen, aber wir können erinnern.“ | Bild: SK-Archiv

Weiter sagte Elisabeth Matzner: „Es ist unheimlich wichtig, dass man den Naziopfern posthum ein Stück Würde zurückgibt. Viel können wir nicht machen, aber wir können erinnern, wir können gegen das Vergessen angehen. Wir sind vielleicht so auch besser gewappnet gegen die politischen Strömungen, die jetzt wieder auftauchen und einem manchmal Angst machen.“

Evelin Veitinger: „Es werden Mechanismen erkennbar, wie damals agiert wurde.“
Evelin Veitinger: „Es werden Mechanismen erkennbar, wie damals agiert wurde.“ | Bild: FWV

Evelin Veitinger pflichtete ihr direkt bei. „Es ist wichtig, dass wir es aufarbeiten. Gerade bei politischen Strömungen werden Mechanismen erkennbar, wie damals agiert wurde und dass das heute nie mehr passieren darf.“

Jörg Schirm: „Wie weit kann man Namen rauslassen?“
Jörg Schirm: „Wie weit kann man Namen rauslassen?“ | Bild: FWV

„Wir geben eine ergebnisoffene Recherche in Auftrag“, sagte Jörg Schirm. Es müsse deshalb damit gerechnet werden, dass in einem öffentlichen Historikerbericht steht, wer Rinderle und Borowski denunzierte. „Ein heißes Eisen“, findet Schirm, der die Frage aufwarf: „Wie weit kann man Namen rauslassen?“

Susanne Riester: „Es gab niedrige menschliche Beweggründe, die in diesem Regime Menschen zerstörten.“
Susanne Riester: „Es gab niedrige menschliche Beweggründe, die in diesem Regime Menschen zerstörten.“ | Bild: SK-Archiv

Es sei ihr wichtig, so Gemeinderätin Susanne Riester, dass in der Arbeit des Historikers herausgearbeitet wird, „dass es niedrige menschliche Beweggründe gab, die in diesem Regime zu Maßnahmen geführt haben, die Menschen zerstörten“. Und Markus Veit sagte: „Es geht um Geschichtsschreibung. Man kann das nicht auslassen.“

Markus Veit: „Es geht um Geschichtsschreibung. Man kann das nicht auslassen.“
Markus Veit: „Es geht um Geschichtsschreibung. Man kann das nicht auslassen.“ | Bild: FWV