Als die Feuerwehr zu seiner Wohnung eilt, steigt Anthony Schweizer gerade aus einem Zug am Bahnhof Sipplingen. Es ist kurz nach 19 Uhr am Fastnachtsdienstag. Dass es bei ihm zu Hause brennt, merkt er, als ihm die Feuerwehr den Weg versperrt. An seiner Hand hält er seine fünfjährige Tochter Anastasya. Sie hat ihren Vater, gemeinsam mit einer Mitbewohnerin des Hauses, am Bahnhof abgeholt. Zufällig stecken in seinem Rucksack zwei Kuscheltiere. Anthony Schweizers Mutter schildert dem SÜDKURIER, wie sie in der Schreckensnacht mit ihrer Enkeltochter telefoniert. „Oma“, habe das Mädchen gesagt, „ich habe noch zwei Kuscheltiere.“ Alles andere sei verbrannt.

Anthony Schweizer steht in der Wohnung, die ein Raub der Flammen wurde.
Anthony Schweizer steht in der Wohnung, die ein Raub der Flammen wurde. | Bild: Hilser, Stefan

Sämtliche Erinnerungen und Haushaltsgegenstände, Bettwäsche, Kleidung, Möbel – alles wird ein Raub der Flammen. Besonders schmerzlich sind für ihn der Verlust von Musik-Sammlungen, die er für seine Tätigkeit als Discjockey zusammenschnitt. Die Datenträger sind nur noch ein Stück verschrumpeltes Plastik. Was einmal seine Wohnung war, ist nun verborgen unter einer schmierig staubigen schwarzen Rußdecke.

Schwer in Mitleidenschaft gezogen werden auch die darunterliegenden Wohnungen. In der Nachbarschaft bildet sich rasch eine Gemeinschaft, die Geld- und Sachspenden sammelt. Anthony Schweizer ist dankbar für die Unterstützung. Sie haben aber nichts mehr außer dem, was sie am Leib trugen, berichtet der 30-Jährige. Das Wichtigste sei die Kleidung, die man ihm und seiner Tochter überreicht.

Nach dem Brand in die Asylunterkunft

Anthony Schweizer und seine Tochter lebten in der nun ausgebrannten Dachgeschosswohnung, die ihnen von der Gemeinde Sipplingen zugewiesen wurde. Es war eine von der Gemeinde für Notfälle, beziehungsweise als Anschlussunterbringung angemietete Wohnung, wenn man so will: um eine Obdachlosenunterkunft. Diese Wohnung ist vernichtet und Schweizer von Neuem von Obdachlosigkeit betroffen. Die Gemeinde weist ihm und seiner Tochter nach dem Brand fürs Erste einen Platz in der Asylunterkunft zu, im ehemaligen Haus Silberdistel.

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Wegen Mukoviszidose besondere Anforderungen

Dort können der 30-Jährige und seine Tochter aber nicht bleiben. Denn das Mädchen leidet an Mukoviszidose, einer laut ihren Ärzten angeborenen unheilbaren Multisystemerkrankung. Wie Schweizer schildert, bestehe ein erhöhter Bedarf nach Hygiene. Die in einer Gemeinschaftsküche natürlicherweise vorkommenden Keime seien schlecht für seine Tochter, beziehungsweise ein Quell ständiger Infektionen. Das bestätigt eine fachärztliche Stellungnahme des Klinikums Stuttgart am Olgahospital. Mehrmals täglich seien Inhalationen nötig und bestimmte Anforderungen an die Hygiene. Schweizer wandte sich an Bürgermeister Oliver Gortat, und der, so Schweizer, habe ihn an den SÜDKURIER verwiesen. Deshalb meldete sich der junge Vater bei unserer Redaktion und fragte an, ob ein Bericht möglich sei, in dem er sich an die Öffentlichkeit wendet. Er verspreche sich davon, einen Vermieter zu finden, der Herz und Türen öffnet.

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Im Interview zeigt der 30-Jährige, was nach dem Brand von seiner Wohnung übrig geblieben ist. Das Ergebnis: nichts! Am meisten schmerzt ihn der Verlust von Tüchern, die er mit fluoreszierender Farbe künstlerisch gestaltete. Sein Plan sei es gewesen, mit den Tüchern und mit Schwarzlicht Partyräume für Musiknächte zu dekorieren, wo er selbst als DJ Musik auflegen wollte. Hunderte Stunden Arbeit steckten darin, berichtet Schweizer.

Für den jungen Vater war das künstlerische Wirken eine Möglichkeit, sich zu beschäftigen, während er gleichzeitig seine Tochter betreuen konnte. Sie hat Pflegestufe 2. Er selbst ist noch ohne Berufsabschluss. Wie er sagt, winken potenzielle Arbeitgeber ab, wenn er darauf hinweist, dass er als alleinerziehender Vater flexibel auf den Gesundheitszustand seiner Tochter reagieren müsse und es sein könne, dass ihn von jetzt auf sofort die Kita anrufe, damit er seine an einem akuten Hustenanfall leidende Tochter abholt. Ab Herbst kommt Anastasya in die Schule und ihr Vater hofft, dass er dann wieder etwas mehr Zeit für sich, beziehungsweise für eine regelmäßige Arbeit findet.

Von Pforzheim an den Bodensee

Anthony Schweizer stammt aus Pforzheim. Wie er berichtet, verschlug es ihn vor drei Jahren eher zufällig nach Sipplingen. Die Mutter seiner Tochter kümmere sich nicht um das Mädchen, das Sorgerecht liege alleine bei ihm. „Was die Kindsmutter macht, ist ihre Sache. Ich jedenfalls bin für mein Kind da.“ Auf Anastasya lege er voll und ganz seinen Fokus.

Als der Pflegeaufwand wegen Anastasyas Mukoviszidose immer größer wurde, unterstützte ihn seine Mutter, also Anastasyas Oma, und mietete für alle drei eine Wohnung in Sipplingen. Das war der Grund, warum er von Pforzheim hier an den See kam. Die Mutter berichtet, dass ihr die finanziellen Möglichkeiten ausgegangen seien und sie die gemeinsame Wohnung in Sipplingen hätte aufgeben müssen. Sie bezog eine eigene kleinere Wohnung und Anthony Schweizer klopfte eigenen Worten zufolge bei der Gemeinde an und meldete sich als obdachlos. So bekam er im November 2024 die besagte Notunterkunft der Gemeinde zugewiesen, die nun ausgebrannt ist.

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Im Idealfall die vertraute Umgebung behalten

In ihr lebte Schweizer mit einer weiteren jungen Frau, nicht seine Partnerin, wie er sagt, sondern eine Mitbewohnerin, von der er seit dem Brand nichts mehr gehört habe. Er suche nur für sich und seine Tochter ein Zimmer. Da er Wohngeldbezieher ist und wegen des erhöhten Bedarfs für seine Tochter eine höhere Förderung erhält, könne er, je nach Gemeinde, 700 bis 800 Euro Kaltmiete bezahlen. Er hoffe, dass er in der näheren Umgebung eine neue Bleibe findet, weil er seine Tochter einen größeren Ortswechsel nicht zumuten möchte.

Wer als Vermieter einer geeigneten Wohnung Kontakt mit Anthony Schweizer aufnehmen möchte, kann sich über die SÜDKURIER-Redaktion an ihn wenden, wir vermitteln den Kontakt dann weiter. Mail an: stefan.hilser@suedkurier.de