Venedig hat es ihr schon seit Jahrzehnten angetan. Und damit ist die Sipplingerin Viola Schmidt – wie man weiß – auch nicht allein. Ja, die Lagunenstadt ist so beliebt, dass sie demnächst Eintritt von Tagestouristen kassieren will. In diesen Wochen hat Venedig einiges gemeinsam mit der Bodenseeregion. Dort wird der traditionsreiche Carnevale gefeiert, hier das alte Brauchtum der Fastnacht. Bei allen Unterschieden haben beide etwas gemeinsam: die Begeisterung über die Illusion einer anderen Wirklichkeit.

Seit zwölf Jahren fährt sie zum Carnevale

Viola Schmidt erzählt: „Ich fahre bereits seit zwölf Jahren regelmäßig zum Carnevale. Was mich besonders begeistert, ist diese Opulenz“, sagt die Sipplingerin. „Vor allem sind diese Kostüme handwerklich so aufwendig gearbeitet. Wenn man selbst gern näht, steht man mit regelrechter Ehrfurcht davor.“ Und Viola Schmidt nähte schon immer sehr gern. Einst hatte sie in der alten Heimat Düsseldorf mehrere Jahre ein Brautstudio betrieben und Erfahrung im Nähen gesammelt. Auch während ihrer langjährigen Tätigkeit als Friseurmeisterin am Bodensee blieb ihr die Leidenschaft als Hobby erhalten. Die Herausforderung, ein venezianisches Kostüm selbst zu nähen, lag allerdings schon vorher in der Luft.

Ein Hotspot des Carnevale mit der Seufzerbrücke im Hintergrund.
Ein Hotspot des Carnevale mit der Seufzerbrücke im Hintergrund. | Bild: Privat/Braun

Für 2020 schuf die Sipplingerin die ersten Kostüme

„In einem perfekten Kostüm durch Venedig zu flanieren – das machen wir auch mal“, hatten sich Viola Schmidt und ihre Freundin Tina schon vor vielen Jahren vorgenommen. Während sich die Venezianerinnen meist von Ateliers ausstatten lassen, wollten sich beiden Carnevale-Fans vom Bodensee mit eigener Handarbeit ins rechte Licht rücken. 2020 sollte die Stunde der Wahrheit näherrücken. Die begeisterte Näherin hatte gleich zwei Exemplare opulenter Extravaganz für sich und ihre Freundin geschaffen. Doch es sollte vergebens sein – noch.

2020 flanierte sie mit ihrer Freundin erstmals durch Überlingen

Den ersten Auftritt hatten sie als kleinen Testlauf beim Vor-Corona-Viererbundtreffen der Narrenzunft Überlingen im Jahr 2020. Zur Überraschung der Besucher flanierten damals zwei „Venezianerinnen“ durch Überlingen und ließen sich an der Münstertreppe ablichten, ehe einige Wochen später der Aufbruch nach Italien bevorstand – beziehungsweise bevorstehen sollte.

Auch die Masken und andere Accessoires gestaltet die Venedig-Begeisterte aus Rohlingen selbst.
Auch die Masken und andere Accessoires gestaltet die Venedig-Begeisterte aus Rohlingen selbst. | Bild: Hanspeter Walter

Am Samstag zum Hänselejuck, am Sonntag nach Venedig

Die Reise in den Süden ist schon zum Ritual geworden. „Wir gehen am Samstagabend immer noch zum Hänselejuck“, erzählt Viola Schmidt: „Am Sonntag fahren wir dann nach Venedig.“ Doch der erste geplante Auftritt beim Carnevale sollte wie so vieles ein Opfer von Corona werden. „Wir waren 2020 schon unterwegs, bei Bregenz, als wir im Radio hörten: Der Carnevale ist abgesagt.“ Also hieß es für die Frauen: Zurück auf Los und in die Heimat.

Auch das gibt es: Venezianische Kostüme am Überlinger Ölberg.
Auch das gibt es: Venezianische Kostüme am Überlinger Ölberg. | Bild: Privat

Ein Jahr später sollten die Kostümträgerinnen mit ihrer Premiere mehr Glück haben. „Man läuft einfach durch Venedig und trifft sich mit anderen an den Hotspots, wo sich die tollen Masken versammeln“, berichtet Viola Schmidt. „Alle paar Meter wird man geknipst. Und wenn man von den Profifotografen abgelichtet wird, ist das quasi wie ein Ritterschlag.“ Für die Sipplingerin war dies einmal mehr überwältigend, wie sie erzählt.

Fast eine Stunde Vorbereitung für großen Auftritt

Doch bis zum großen Aufritt in Venedig dahin bedarf es einiger Vorbereitung. „Wenn man sich anzieht, ist das wie eine Zeremonie und dauert fast eine Stunde“, sagt Schmidt. Durch das Kostüm werde man quasi zu einer Fantasiegestalt. „Zunächst werden die Augen rundherum ganz schwarz geschminkt. Man darf hinter der Maske nichts von der Haut sehen und der Mensch soll quasi ganz verschwinden.“ Dann ist die Verwandlung perfekt. „Incredibile! Bellissima!“, tönt es von den Schaulustigen. Ähnlich war es, als die Venezianerinnen vom Bodensee 2023 am Schmotzigen den Bewohnern der Seniorenresidenz Augustinum in Überlingen ihre Aufwartung machten.

Hunderte von Perlen und Pailletten müssen von Hand angenäht werden.
Hunderte von Perlen und Pailletten müssen von Hand angenäht werden. | Bild: Hanspeter Walter

Fast ein Jahr Arbeit für zwei neue Kostüme

Jetzt ist es wieder so weit. Dann werden wieder zwei neue Kostüme im Kofferraum sein, an dem Viola Schmidt fast ein ganzes Jahr lang gearbeitet hat. Ein Zimmer des Hauses in Sipplingen ist längst zum Nähatelier geworden. Als 2023 im Sommer die Sonne an den See lockte, war Viola Schmidt schon an der Detailarbeit und nähte Hunderte von Perlen und Pailletten an Bordüren und Manschetten. Auch die Masken hat sie aus einem Rohling selbst gestaltet. Allein das dauert mehrere Tage.

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Vom Entwurf des Kostüms bis zur letzten Paillette ist alles Eigenarbeit. Zur Vorbereitung der neuen Herausforderung hatte die Sipplingerin im Vorfeld alle verfügbaren Informationen über die venezianischen Kostüme und Masken gesammelt.

Viel Liebe zum Detail ist gefragt.
Viel Liebe zum Detail ist gefragt. | Bild: Hanspeter Walter

Entwurf orientiert sich an historischen Kleidern

Den kompletten Entwurf hat sie an historischen Kleidern orientiert, vom Aufbau der Ärmel bis zum Hut. Die Seide als Grundstoff und die Spitzen müssen genau die richtige Farbe haben. Dieses Mal hat sie ein helles und ein dunkles Kostüm geschaffen, um in einem interessanten Kontrast zu komponieren. Hinzu kommen die wichtigen Accessoires – vom Täschchen bis zur kleinen Laterne, die später die Nacht vor der Seufzerbrücke etwas erhellen wird. Doch wer nicht nach Venedig reist und bei der Fasnet bleibt, kann die Illusion einer venezianischen Puppe schon am Abend des Schmotzigen Dunnschtig in Überlingen sehen – ehe sie nach Süden entfleucht.