Die Gemeinde Sipplingen hat große finanzielle Sorgen. Im Bodenseekreis lag die gut 2000 Einwohner zählende Gemeinde zum Jahreswechsel 2023/2024 mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 1886 Euro auf Platz zwei der Verschuldungsliste. Nur die Industriestadt Friedrichshafen hat mit 3476 Euro Pro-Kopf-Verschuldung mehr zu bieten, Owingen weist mit 35 Euro die niedrigste Verschuldung im Kreis aus.

Da muss in Sipplingen die Nachricht für Furore gesorgt haben, dass die dringend erforderliche Sanierung der Turn- und Festhalle wesentlich teurer wird als geplant. Seit Wochenanfang steht nun schwarz auf weiß im Ratsinformationssystem, was zuvor schon im Ort die Runde gemacht hatte: Die Sanierung der Halle soll gut 1,6 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich angenommen.

Land genehmigt 1,3 Millionen Euro Zuschuss

Bislang war die Gemeinde von Kosten von 2,2 Millionen Euro ausgegangen. Auf Basis dieser Prognose waren Fördergelder beim Land beantragt worden. Dieses hatte 1,3 Millionen Euro als Zuschuss genehmigt. Nun errechnete das Architekturbüro Fiedler nach einer Bestandsaufnahme Mehrkosten von rund 1,6 Millionen Euro, sodass sich die Sanierung auf knapp 3,4 Millionen Euro belaufen wird.

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Überprüfung der Posten fördert höhere Kosten zutage

Diese Steigerung hat vielfache Gründe. Das Büro Fiedler hatte zunächst die grobe Kostenschätzung des Büros Zermatt von 2019 übernommen und um die jährliche Preissteigerungsrate fortgeschrieben. Nachdem der Gemeinderat jetzt noch einmal den Beschluss zur Sanierung der Halle gefasst hatte, überprüfte das Architekturbüro Fiedler die grobe Schätzung und untersuchte die Details der Sanierung. Zutage kamen in vielen Positionen wesentlich höhere Kosten als angenommen. Außerdem warnt Fiedler mit Blick auf die erforderlichen Brandschutzauflagen: „Sollten die Auflagen nicht umgesetzt werden, droht die Schließung der Halle.“

Statt knapp 1 Million jetzt 2,6 Millionen Euro

Offen ist zunächst, woher die zusätzlichen 1,6 Millionen Euro für die Sanierung kommen sollen. Mit Blick auf den bislang bewilligten Zuschuss von 1,3 Millionen Euro müsste Sipplingen rund 2 Millionen Euro selbst aufbringen. Bislang war die Gemeinde von einer Eigenbeteiligung unter 1 Million Euro ausgegangen.

Kostenexplosion bei der Sanierung der Turn- und Festhalle in Sipplingen. Ursprünglich ging die Gemeinde von rund 2 Millionen Euro aus, ...
Kostenexplosion bei der Sanierung der Turn- und Festhalle in Sipplingen. Ursprünglich ging die Gemeinde von rund 2 Millionen Euro aus, jetzt soll die Sanierung rund 3,6 Millionen Euro kosten. Bild: Michael Schnurr | Bild: Schnurr, Michael

Bei der Klausurtagung von Gemeinderat und Gemeindeverwaltung am Wochenende vor der Ratssitzung am 21. November ging es deshalb offenbar darum, andere bislang geplante Investitionen zurückzustellen.

Verwaltung schlägt „Betrieb Sportstätten“ vor

Außerdem schlägt die Verwaltung dem Gemeinderat vor, zu prüfen, ob es möglich ist, für die Sanierung der Halle einen „Betrieb gewerblicher Art (BgA) Sportstätte“ zu gründen. Dahinter verbirgt sich die Idee, bei den anstehenden Investitionen für die Turn- und Festhalle in den Genuss eines anteiligen Vorsteuerabzugs zu kommen. Er könnte die Gemeinde finanziell entlasten. Voraussetzung dafür ist, dass die BgA Sportstätte selber Einnahmen, also Umsätze verzeichnet. Beim Vorsteuerabzug kann ein Unternehmer an andere Vorunternehmer bezahlte Umsatzsteuer mit der von ihm eingenommenen Umsatzsteuer verrechnen.

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Gebühr müsste laufende Kosten decken

Das macht die Erhebung von Nutzungsgebühren für die Turn- und Festhalle zwingend, die „in ausreichender Höhe festgesetzt werden“ müssen, „um die Voraussetzungen für die Gründung einer BgA zu erfüllen“, heißt es in der Vorlage für die Ratssitzung. Die Steuerverwaltung Baden-Württemberg fordere für Mehrzweck- und Sporthallen eine Gebühr, die mindestens die laufenden Kosten während der Nutzung deckt. In Sipplingen belaufen sich diese Kosten derzeit auf etwa 10.000 Euro.

Aktuell zahlen Vereine nur im Sonderfall Miete

Zurzeit wird den Vereinen die Turn- und Festhalle kostenfrei überlassen, es sei denn, sie planen dort Veranstaltungen „aus rein wirtschaftlichen Erwägungen“. Dann fällt eine Miete an, deren Höhe eine zum 1. Januar 2019 in Kraft getretene Gebührenordnung regelt. Die Schulen, welche nicht unter dem Aspekt Vorsteuerabzug berücksichtigt werden können, nutzen die Halle gegenwärtig zu mehr als 50 Prozent. So stellt sich die Frage, welche Nutzungsgebühren zukünftig von einer BgA Sportstätte von den Vereinen erhoben werden müssten, um den Voraussetzungen zu genügen, als Betrieb gewerblicher Art vom Finanzamt anerkannt zu werden.