Die Gemeinde Sipplingen hat den Mietspiegel wieder von ihrer Internetseite entfernt. Das soll bis zur Sitzung des Gemeinderates am 19. November so bleiben. Dann soll nach Worten des Fachbereichsleiters Zentrale Verwaltung, Christoph Huber, „das Thema (…) noch einmal ausführlich aufgearbeitet“ werden.

Der SÜDKURIER hatte über Unregelmäßigkeiten bei der Veröffentlichung des Mietspiegels berichtet. Das von der Gemeinde nach der Ratssitzung im Juli veröffentlichte Dokument entsprach zumindest an zwei Positionen nicht dem vom Gremium im Juli anerkannten Mietspiegel. Nachträglich hatte die Verwaltung den dort als Berechnungsgrundlage für den Mietzins verwendeten Begriff „fußläufige Entfernung“ durch „Luftlinienentfernung“ ersetzt. Ein Sipplinger Mieter hätte dadurch eine deutlich höhere Miete zu bezahlen.

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Vorlage zumindest in zwei Punkten fehlerhaft

Das mit der Erstellung des Mietspiegels 2024 beauftragte Regensburger Markt- und Meinungsforschungsinstitut EMA hatte der Gemeinde eine zumindest in zwei Positionen fehlerhafte Vorlage zugestellt, die so an das Ratsgremium weitergeleitet worden war. Im Abschnitt „4 – Wohnlage“ hätte unter den Punkten 4.10 und 4.11 „Luftlinienentfernung“ stehen sollen. Stattdessen hieß es dort aber „fußläufige Entfernung“. Nach Entdecken des Fehlers hatte die Verwaltung ohne Rücksprache mit dem Ratsgremium nachträglich im verabschiedeten Dokument eine entsprechende Änderung vorgenommen, da es sich lediglich um die Korrektur eines Schreibfehlers gehandelt habe.

So sehen das übrigens auch andere Gemeindeverwaltungen im Bodenseekreis, die ebenfalls den Ratsgremien den fehlerhaften Mietspiegel vorgelegt hatten. Auch sie änderten nach Anerkennung durch ihren Gemeinderat ohne Rücksprache mit den Gremien nachträglich den Begriff „fußläufig“ durch „Luftlinie“. So die Gemeinde Salem. Bürgermeister Manfred Härle schreibt dem SÜDKURIER: „Im Nachgang hat uns das Institut (EMA, Anmerkung der Redaktion) darauf aufmerksam gemacht, dass die ursprüngliche Formulierung ‚fußläufige Entfernung‘ durch den Hinweis ‚Luftlinienentfernung‘ zu korrigieren ist. Diese Änderung haben wir vorgenommen. Eine erneute Beratung und Beschlussfassung im Gemeinderat war aus unserer Sicht nicht geboten.“

Manfred Härle, Bürgermeister von Salem: „Eine erneute Beratung und Beschlussfassung im Gemeinderat war aus unserer Sicht nicht geboten.“
Manfred Härle, Bürgermeister von Salem: „Eine erneute Beratung und Beschlussfassung im Gemeinderat war aus unserer Sicht nicht geboten.“ | Bild: Miriam Altmann

Ähnlich argumentiert die Stadt Friedrichshafen, deren Pressesprecherin Monika Blank schreibt: Eine erneute Beschlussfassung sei aus Sicht der Verwaltung (…) nicht erforderlich. Es handele sich bei der Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers um ein „Geschäft der laufenden Verwaltung“, das „keinen politischen oder strategischen Ermessensspielraum“ erfordere. Man habe aber nach der SÜDKURIER-Anfrage den Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt der Stadt Friedrichshafen in der Sitzung vom 5. November über die Korrektur informiert.

Monika Blank, Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen: „Es handelt sich bei der Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers um ...
Monika Blank, Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen: „Es handelt sich bei der Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, das keinen politischen oder strategischen Ermessensspielraum erfordert.“ | Bild: Stadt Friedrichshafen

Vorwurf: Nachträglich ein anderer Inhalt

Der Jurist und Sipplinger Gemeinderat Günther Völk (CDU) sieht das ganz anders: „Aus meiner Sicht ist durch den Gemeinderat zu entscheiden, ob der Mietspiegel auch in der geänderten Form durch den Gemeinderat anerkannt wird.“ Zur Qualifizierung des von der EMA nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegels gehöre die Anerkennung durch den Gemeinderat. Es handele sich dabei um „eine Willenserklärung des zuständigen Gemeindeorgans“. Völk: „Meine Kritik am Vorgehen der Gemeindeverwaltung besteht darin, dass der vom Gemeinderat ursprünglich anerkannte Mietspiegel nachträglich einen anderen Inhalt bekommen hat. Diese Vorgehensweise halte ich für unzulässig, da der Gemeinderat diese Form des Mietspiegels nicht anerkannt hat.“

Günther Völk, Gemeinderat, CDU: „Der vom Gemeinderat ursprünglich anerkannte Mietspiegel [hat] nachträglich einen anderen Inhalt ...
Günther Völk, Gemeinderat, CDU: „Der vom Gemeinderat ursprünglich anerkannte Mietspiegel [hat] nachträglich einen anderen Inhalt bekommen. Diese Vorgehensweise halte ich für unzulässig.“ | Bild: CDU

Auch Martin Kitt, Gemeinderat der Demokratischen Bürger Sipplingen (DBS), spricht sich für eine erneute Befassung des Gemeinderates mit dem Mietspiegel aus. Es handele sich nicht lediglich um einen „Schreibfehler“. Kitt: „Wenn ich nach der Korrektur des Schreibfehlers eine andere Miethöhe errechnen kann als zuvor, handelt es sich nicht mehr um einen einfachen Schreibfehler.“ Bürgerinnen und Bürger müssten von einem Mietspiegel eine „rechtlich belastbare Auskunft über das Mietniveau“ erwarten können.

Martin Kitt, Gemeinderat Sipplingen, DBS: „Wenn ich nach der Korrektur des Schreibfehlers eine andere Miethöhe errechnen kann als zuvor, ...
Martin Kitt, Gemeinderat Sipplingen, DBS: „Wenn ich nach der Korrektur des Schreibfehlers eine andere Miethöhe errechnen kann als zuvor, handelt es sich nicht mehr um einen einfachen Schreibfehler.“ | Bild: b.lateral

Kitts Kritik reicht darüber hinaus: Zum einen kritisiert er die Verwaltung für die „leichtfertige, unreflektierte“ Übernahme des Fehlers im Dokument. Zum anderen zweifelt er für Sipplingen grundsätzlich die Gültigkeit des erstellten Mietspiegels an. Der Gesetzgeber fordere eine „hinreichende Anzahl auswertbarer Fragebögen für die Erstellung eines Mietspiegels“. Diese Zahl sei mit nur 28 auswertbaren Fragebögen in Sipplingen „klar verfehlt“ worden.

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Nicht von der EMA-Argumentation überzeugt

Beide Sipplinger Gemeinderäte halten zudem die Argumentation der EMA, den Begriff „Luftlinienentfernung“ zu verwenden, da dieser Begriff durch Hinterlegung von Geodaten exakter sei, für nicht schlüssig. Günter Völk schreibt dazu: „Mich persönlich überzeugt dies nicht. Denn maßgeblich für den Mietwert ist doch der tatsächliche Aufwand, um beispielsweise die nächste Badestelle zu erreichen. Und da der Mieter ja nicht dorthin fliegt, ist aus meiner Sicht die fußläufige Entfernung das richtigere Kriterium. Und diese kann mittels eines gängigen Routenplaners auch durch Geodaten ermittelt werden.“