Es ist knapp elf Monate her, dass die Sipplingerin Annemarie Rietz einen Hilferuf an das Versorgungsamt des Kreises in Friedrichshafen schickte: Bei ihrem Mann, Peter Rietz, war vor zwei Jahren Parkinson diagnostiziert worden. Der Weg zu den Ärzten fiel beiden immer schwerer. Annemarie Rietz: „Wenn wir zum Beispiel zum Neurologen nach Singen müssen, weiß ich nicht, wie ich meinen Mann aus Auto bekommen soll. Die Parkplätze sind zu eng und bei dem Neurologen in Singen muss ich ins Parkhaus fahren.“
Hausarzt unterstützt Antrag seines Patienten
Peter Rietz, der heute 85 Jahre alt ist, hat seit Januar 2021 einen Schwerbehindertenausweis. Er attestiert ihm eine 80-prozentige Behinderung. Neben Parkinson hat Peter Rietz auch noch ein Augenleiden, das seine Bewegungsfähigkeit zusätzlich einschränkt.
Nun bat Annemarie Rietz im Namen ihres Mannes darum, ihm als Schwerbehinderten eine Parkgenehmigung auszustellen. Sie wollte ihr Auto auf einem Behindertenparkplatz abstellen können, denn „die Parkplätze sind viel breiter. Dort kann ich meinem Mann den Rollator neben das Auto stellen“. Und Peter Rietz fährt fort: „Dann kann ich mich mit den Händen aus dem Auto ziehen und den Rollator greifen. “ Der Antrag vom 16. Oktober 2022 wurde vom Sipplinger Hausarzt, Harald Kegelmann, unterstützt.
Danach war Funkstille. Erst fünf Monate später erhielt das Ehepaar Post aus Friedrichshafen – eine Ablehnung ihres Antrages ohne Begründung. Im Schreiben vom 14. März 2023 hieß es: „Die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des Paragraf 2 Absatz IX liegt vor. Die folgenden von Ihnen geltend gemachten gesundheitlichen Merkmale (Merkzeichen) können nicht festgestellt werden, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.“ Gesprochen hatte bis zu diesem Tag niemand vom Versorgungsamt mit ihnen.
Gesundheitszustand verschlechtert sich
Peter Rietz legte am 29. März 2023 Widerspruch ein. Er schrieb, die „Beeinträchtigung meiner Gehfähigkeit und Fortbewegung ist so ausgeprägt, dass ich aus medizinischer Notwenigkeit auf den Rollstuhl angewiesen bin. Selbst bei kurzen Entfernungen“. Eine Verschlechterung, die der Hausarzt attestierte. Er war im April und noch einmal am 20. Juni 2023 vom Versorgungsamt angeschrieben worden. Kegelmann gegenüber dem SÜDKURIER: „Der Gesundheitszustand von Herrn Rietz hatte sich innerhalb weniger Monate rapide verschlechtert. Ich habe ihm im Juni bestätigt, dass er nicht mehr aus dem Auto zur Praxis laufen kann.“

Einen knappen Monat später erhielt das Ehepaar Rietz erneut Post aus Friedrichshafen. Eine Mitarbeiterin teilte mit: „Nach nochmaliger Überprüfung der Akte hinsichtlich ihres Widerspruchs, konnten wir diesem nicht abhelfen. Ihre Akte wurde deshalb am 04.07.2023 zur abschließenden Widerspruchsentscheidung dem Regierungspräsidium Stuttgart, Landesversorgungsamt und Gesundheit, Abteilung 9 zugeleitet. Sie erhalten von dort nach nochmaliger umfassender Prüfung Ihres Widerspruchsbegehrens einen abschließenden Widerspruchsbescheid. Dies wird aufgrund der Komplexität einige Monate in Anspruch nehmen.“
Annemarie Rietz fühlt sich alleine gelassen
Knapp elf Monate nach dem ersten Ersuch um eine Parkberechtigung der Sipplinger also weiter vertröstet. Arzt Harald Kegelmann findet: „Diese Bearbeitungszeit dauert erschreckend lang. Bei dem Ehepaar Rietz handelt es sich um einen Hilferuf von Frau Rietz. Sie fühlt sich sehr alleine gelassen und im bürokratischen Ablauf nicht ernst genommen“, kritisiert er die Behörde.
Annemarie Rietz wandte sich in ihrer Not an den SÜDKURIER: Es könne doch nicht sein, dass man auf so einen solchen Bescheid so lange warten müsse, meinte sie. Der Zustand ihres Mannes verschlechtere sich immer weiter: „Mittlerweile kann er sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen.“
Der Kreis erklärt die lange Dauer der Bearbeitungszeit auf Anfrage des SÜDKURIER mit dem Hinweis auf eine sorgfältige Prüfung: „In aller Regel erfordert diese Prüfung, dass Unterlagen und Befundberichte von Fachstellen und Ärzten angefordert und gesichtet werden. Darüber hinaus werden ärztliche Gutachten in Auftrag gegeben. Hier gibt es meist eine zeitliche Abfolge dieser Schritte, je nach Sachlage.“ Dies treffe auch auf Widerspruchsstelle des Regierungspräsidiums zu.
Doch dann ging alles sehr schnell: Schon drei Tage nach der SÜDKURIER-Anfrage teilte der Kreis in einer weiteren E-Mail an die Zeitung mit, dass das Antwortschreiben des Regierungspräsidiums schon auf dem Weg zu Peter Rietz sei.
Regierungspräsidium erteilt ebenfalls Absage
Auch dieses Schreiben enthielt eine Ablehnung. Doch zum ersten Mal wurde dem Antragssteller erklärt, wieso die Behörde seinem Antrag nicht nachkommen könne: „Nach Angaben Ihres Hausarztes Herrn Dr. Kegelmann vom April 2023 können Sie mit dem Rollator eine Gehstrecke bis maximal 100 Meter zurücklegen. Hiermit lässt sich das Merkzeichen aG (Gehbehinderung) nicht begründen.“ Kegelmann dazu: „Seit April hat sich das Gehvermögen von Herrn Rietz noch einmal deutlich verschlechtert. Ich hatte dies im Juni erklärt. Ich frage mich, warum die sich so schwertun? Es gibt natürlich Missbrauchsfälle, aber doch nur in geringem Ausmaß.“
Dem Ehepaar Rietz bleibt nun nur die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht in Konstanz zu klagen. Das ist teuer. Oder aber sie warten ein halbes Jahr, um dann einen erneuten Antrag zu stellen. Sollte der allerdings wieder elf Monate bis zur Entscheidung benötigen, ist dem Ehepaar wenig geholfen. Annemarie Rietz: „Wir brauchen jetzt die Parkgenehmigung, damit wir zu den Ärzten fahren können. Ich weiß nicht, ob wir noch mal einen Antrag stellen.“