In Sipplingen gibt es eine ungeschriebene Weisheit: Einwohner müssen mindestens in der dritten Generation im Dorf wohnen, bevor sie sich Sipplinger nennen dürfen. Davor ist man lediglich ein Zugezogener. Und es gibt ein paar Namen im Sipplinger Telefonbuch, die zehn- oder mehrfach dort auftauchen. Dabei handelt es sich um die alteingesessenen Sipplinger Familien. Sie bilden den Kern der Einwohnerschaft.
Viele Häuser werden nur noch von ein oder zwei Personen bewohnt
Was einerseits für viel Tradition und Heimatverbundenheit sorgt, birgt andererseits Risiken für die Dorfentwicklung. Zum Beispiel werden viele Häuser nur noch von ein oder zwei Personen bewohnt. Die Kinder sind aus dem Haus und die Zurückgebliebene werden oft von der Pflege des Hauses und der Gartenarbeit überfordert.
Kein Angebot an Eigentumswohnungen für Senioren
So mancher ältere Mensch, der Haus und Garten besitzt, würde sich gerne verkleinern. Doch das fällt in Sipplingen schwer. Das bestätigt ein Blick in die einschlägigen Internetportale, in denen Immobilien angeboten werden. Wer in Sipplingen eine Eigentumswohnung von 70 oder 80 Quadratmetern sucht, landet auf dem Wohnungsmarkt von Überlingen, Bodman-Ludwigshafen oder Owingen. Und auch hier ist das Angebot an seniorengerechten Wohnungen rar und der Kaufpreis würde mit Nebenkosten vermutlich einen großen Teil des Erlöses aus einem in die Jahre gekommenen Hauses verschlingen.
Studie sagt, dass Millionen Quadratmeter Wohnfläche frei werden könnten
Laut der Studie „Wohnen 2020“ lebt jeder zweite Ruheständler mit Wohneigentum in Deutschland auf 100 Quadratmetern. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland liegt laut Statistischem Bundesamt bei 47 Quadratmetern. Ein Fazit der Studie: Durch Umzug alleinstehender oder umzugswilliger Senioren in altersgerechte Wohnungen könnten Millionen Quadratmeter Wohnfläche frei werden.

Gortat scheiterte bei der Schaffung von Bauerwartungsland
Als Oliver Gortat 2017 als frisch gebackener Bürgermeister in der Gemeinde antrat, hatte er sich unter anderem das Projekt Bauerwartungsland Hohenfelser auf die Fahnen geschrieben. Er kündigte an, das 2,8 Hektar große Gebiet im Osten der Gemeinde zum Baugebiet entwickeln und darüber mit den 70 Eigentümern der 40 Grundstücke verhandeln zu wollen. Ziel sollte sein, dort sozial verträglichen Wohnraum zu schaffen. Das Vorhaben scheiterte.
Teilungsverbot blockierte auch das Seniorenprojekt Silberdistel
Ein anderes Modell, seniorengerechten Wohnraum in einer überschaubaren Größe in der Gemeinde zu schaffen, bot sich durch den Plan der Bremer Bauträgergesellschaft Hoepkens Park+CE an. Die Firma wollte das Gebäude des ehemaligen Pflegeheimes Silberdistel in rund 30 seniorengerechte Eigentumswohnungen umbauen und sie vornehmlich an Sipplinger verkaufen. Doch das geht laut örtlicher Bausatzung nicht. Sie legt fest, dass ein Grundstück in Sipplingen nur mit Genehmigung des Gemeinderates aufgeteilt werden darf und das auch höchstens nur auf vier Eigentümer.
Örtliche CDU steht hinter den Bestimmungen der Bausatzung
Steht die Sipplinger Bausatzung also möglicherweise der Schaffung seniorengerechten und sozial verträglichen Wohnraums im Wege? Die Freien Wähler beantworten eine entsprechende Anfrage des SÜDKURIER nicht. Clemens Beirer erklärt im Namen der CDU-Fraktion, es habe sich gezeigt, dass wir „durch den Paragrafen 22 Baugesetzbuch mit dem Verbot der Aufteilungen von Häusern in Eigentumswohnungen (…) noch mehr Zweitwohnungen verhindern konnten“. Es sei „ein Trugschluss“ anzunehmen, „dass bei einer Zulassung von Aufteilungen von Häusern in Eigentumswohnungen das Wohneigentum billiger wird, das Gegenteil ist der Fall in unserer Lage“.
„Es ist ein Trugschluss, dass bei einer Zulassung von Aufteilungen von Häusern in Eigentumswohnungen das Wohneigentum billiger wird, das Gegenteil ist der Fall in unserer Lage.“Clemens Beirer, CDU Sipplingen
Eine Position, die offensichtlich die Meinung des gesamten Gemeinderates widerspiegelt, wie auf Anfrage die Pressestelle der Gemeinde schreibt. Der Gemeinderat in Sipplingen habe in der Vergangenheit diese „wiederholt bestätigt und positive Auswirkungen für die Gemeinde gesehen“.
„Der Gemeinderat in Sipplingen hat das Vorliegen dieser Voraussetzung in der Vergangenheit wiederholt bestätigt und positive Auswirkungen für die Gemeinde gesehen.“Oliver Gortat, Sipplinger Bürgermeister, referiert die Ansicht des Gemeinderates: Die örtliche Satzung verhindert einen Zweitwohnungsboom
In Bodensee-Ufergemeinden im Osten gibt es keine Einschränkungen
Andere Bodenseegemeinden gehen andere Wege: So hat Friedrichshafen die Teilungsgenehmigung abgeschafft. Auch Immenstaad verfügt über keine solche Satzung.
In Hagnau prüfen Gemeinderat und Verwaltung die Thematik. Sabine Wiggenhauser, Leiterin des dortigen Bauamtes, schreibt: „Es handelt sich um eine sehr komplexe Fragestellung mit weitreichenden Eingriffen in Eigentumsrechte und die Auswirkungen solcher Regelungen müssen demzufolge eingehend geprüft und abgewogen werden.“ Überlingen hat in den 1990-er Jahren lediglich für Bambergen und Nußdorf eine entsprechende Satzung erlassen.
In der Sipplinger Nachbargemeinde kann noch Teileigentum gebildet werden
Die Gemeinde Bodman-Ludwigshafen begrenzt die Teilungsgenehmigung auf ihre Hotelstandorte. „Wir (sind) der Meinung, dass die Situation in Bodman-Ludwigshafen die Begründung „Sicherung des Fremdenverkehrs“ nicht flächendeckend hergibt, daher kann bei uns noch Teileigentum gebildet werden“, schreibt Hauptamtsleiter Stefan Burger. Er weist aber darauf hin, dass es die Gemeinde durch flächendeckende Bebauungspläne vermocht habe, “die Nutzung neuer Wohnungen als Zweitwohnungen aus(zu)schließen“.
Zu den Altenwohnungen in der Silberdistel ist alles in der Schwebe
Hoepkens Park+CE schlug dem Gemeinderat im März alternativ vor, eine Genossenschaft zu gründen. Als alleinige Eigentümerin könne sie den Umbau der Silberdistel in seniorengerechte Wohnungen beauftragen. Doch verbindliche Zahlen blieb er bislang schuldig.