Bereits Kinder lernen für den Notfall: Wer in dringenden Fällen die Hilfe der Polizei benötigt, der wählt die 110 und wird mit den Beamten verbunden. Normalerweise. Denn nicht immer können Anrufer sich wirklich sicher sein, auch tatsächlich unter der 110 bei der echten Polizei zu landen.
So ging es kürzlich einem Überlinger Ehepaar, das sich an den SÜDKURIER gewandt hat, jedoch anonym bleiben möchte. Wie die Eheleute erzählen, soll eines Mittags ihr Telefon geklingelt und ein Mann sich gemeldet haben, der angab, Polizist zu sein. Der Anlass des Anrufs: Angeblich sei in der Nachbarschaft eingebrochen worden, zwei Täter seien bereits festgenommen worden, ein dritter sei jedoch auf der Flucht. Außerdem habe die Polizei Unterlagen mit der Adresse des Ehepaars gefunden. Die Angerufenen erinnerten sich an Berichte über Betrugsversuche und wurden misstrauisch. Der vermeintliche Polizist soll daraufhin dazu geraten haben, die 110 zu wählen, was das Ehepaar auch tat – doch anstatt eines Beamten der Notrufzentrale soll sich der gleiche Anrufer gemeldet haben, mit dem die Eheleute zuvor schon gesprochen hatten. Glauben schenkte das Ehepaar ihm nicht, es legte auf und verständigte die Überlinger Polizeidienststelle.
Zwei Methoden der Betrüger
Wie aber kann es sein, dass Anrufe über den Notruf von Trickbetrügern abgefangen werden? Wie Oliver Weißflog, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, mitteilt, gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Am häufigsten reden die Betrüger so lange auf ihre Opfer ein, bis diese den Notruf wählen, ohne das Telefonat jedoch beendet zu haben. Die Verbindung werde also gar nicht unterbrochen, die Angerufenen seien lediglich im Glauben, ein neues Telefonat begonnen zu haben. Oliver Weißflog hält Betroffene daher dringend an, die Verbindung immer zu unterbrechen, bevor die Polizei kontaktiert wird: „Wir raten grundsätzlich dazu, den Hörer ganz aufzulegen und vielleicht bis zum nächsten Anruf längere Zeit zu warten.“ Aber auch Mobiltelefone oder das Telefon des Nachbarn könnten für den Notruf genutzt werden.
So weit, so gut, das lässt sich schließlich noch recht leicht bewerkstelligen. Doch Betrüger nutzen noch eine andere Vorgehensweise, um die Anrufe bei der Polizei abzufangen – und die lässt sich nicht durch bloßes Auflegen verhindern. „Das Neueste, von dem ich gehört habe, ist die Möglichkeit, zum Beispiel über Wlan auf eine schlecht gesicherte Telefonanlage, also etwa einen Router, zuzugreifen. Dadurch wird der Anruf an die Betrüger weitergeleitet, egal, welche Nummer man wählt.“ Einfach zu durchschauen sei diese Masche nicht: „Ich glaube nicht, dass man die Möglichkeit hat, zu erkennen, ob es sich um die echte Polizei handelt oder nicht“, sagt Weißflog. „Die Täter haben eine hochprofessionelle Vorgehensweise, die werden von Tag zu Tag besser.“ Sie seien geschult und wissen, wie sie mit ihren Opfern sprechen müssen, um an ihr Ziel zu kommen.
Nur welches Ziel ist das? Wie Oliver Weißflog erklärt, wollen die Betrüger die Angerufenen verunsichern und ihnen durch Geschichten von Einbrüchen in der Nachbarschaft und geplanten Einbrüchen im eigenen Haus Angst machen. „Die geben dann an, Wertsachen in amtliche Verwahrung nehmen zu wollen“, sagt Weißflog. Übergeben die verängstigten Opfer tatsächlich Geld oder Schmuck, sind die Betrüger am Ziel. Wie aber können Betroffene sich schützen? Zunächst einmal ist es laut Weißflog wichtig, seine Telefonanlage mit einem Passwort zu sichern, das bestimmten Sicherheitsbedingungen entspricht – also aus keinen Geburtsdaten oder Wörtern besteht, die im Lexikon zu finden sind. Da es die Betrüger einige Zeit kostet, derartige Passwörter zu entschlüsseln, besteht die Möglichkeit, dass es ihnen zu aufwendig ist und sie sich lieber ein neues Opfer suchen.
Hinweise auf einen Betrugsversuch
Wer dennoch von falschen Polizisten angerufen wird, der hat die Möglichkeit, den Betrugsversuch anhand verschiedener Hinweise zu durchschauen – begonnen bei der Nummer, unter der die Betrüger anrufen. „Die Polizei ruft nie unter der 110 an“, sagt Oliver Weißflog. Zeige das Telefon also diese Nummer an, könne der Angerufene davon ausgehen, dass sie nicht echt sei. Ebenso verhalte es sich mit den Geschichten, die die Betrüger ihren Opfern am Telefon auftischten. „Diese Geschichten sind alle aus der Luft gegriffen. Es besteht grundsätzlich keine akute Gefahr.“ Sollte es zu einer echten Bedrohungssituation kommen, setze die örtliche Polizei alles daran, die Betroffenen zu informieren und zu schützen – allerdings nicht per Anruf, sondern per Aufruf in der Öffentlichkeit oder einen persönlichen Besuch.
Wer den Beamten dann nicht traut, könne sich den Polizeiausweis zeigen lassen oder in der Polizeidienststelle nachfragen, ob alles mit rechten Dingen zugehe. Und auch anhand der Forderungen der Betrüger werde deutlich, dass ihre Absichten keinesfalls nobel seien, denn Wertgegenstände würden von der Polizei nicht in amtliche Verwahrung genommen, wie Oliver Weißflog mitteilt.
Anzeige
Wer von Betrügern angerufen wird, kann das laut Oliver Weißflog grundsätzlich zur Anzeige bringen, denn schon der Betrugsversuch ist strafbar. Geben die Anrufer sich auch noch als Polizisten aus, können sie auch wegen Amtsanmaßung bestraft werden. Es sei jedoch aufgrund der Vielzahl an Kommunikationsanbietern und der Möglichkeiten, die den Betrügern zur Verfügung stünden, schwierig, die Anrufe zurückzuverfolgen.