Die Caritas am Standort Überlingen rechnet innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre mit einer Halbierung der Mittel aus Kirchensteuer-Geldern. Gleichzeitig wachsen die Aufgaben im sozialen Bereich. Polizeichef Günter Hornstein sieht deshalb die Stadt in der Pflicht, um Folgekosten, die aus sozialem Unfrieden entstehen, zu vermeiden.

Ein Umbruch

Der Caritasverband Linzgau, einer der größten Sozialdienstleister in der Region, steht deshalb vor einem Umbruch. War es bisher eherner Grundsatz der Caritas, ihre Beratungsdienste kostenlos anzubieten, denkt der Verband nun darüber nach, kostenpflichtige Angebote zu schaffen. Denn die Arbeit des Verbandes nimmt zu und die Einnahmen gehen zurück. Und so plant die Caritas neben den weiterhin kostenlosen Angeboten neu den Aufbau einer betrieblichen Sozialarbeit und einem Kliniksozialdienst, um laufende Kosten decken zu können.

Kirchensteuer sinkt

Die Caritas steht in Trägerschaft der katholischen Kirche. Sozialdienst, Migrationsdienst, Schwangerenberatung, Nachbarschaftshilfe, Psychologische Beratungsstelle, aber auch der Betrieb der Überlinger Tafel gehört zu den Aufgaben der Caritas Linzgau. In diesem Jahr wird die Arbeit vonseiten der Erzdiözese Freiburg mit 532 000 Euro bezuschusst, wie Geschäftsführerin Petra Demmer sagte. Weitere Mittel kommen aus Spenden oder öffentlichen Zuschüssen.

Mit Halbierung ist zu rechnen

Angesichts der Kirchenaustritte und damit sinkender Kirchensteuer-Einnahmen müsse sie mit einem Rückgang der Zuschüsse rechnen. Demmer berichtete darüber im Gemeinderatsausschuss, und sie sagte auf Nachfrage von Stadtrat Alexander Bruns (CDU), dass sie bis in fünf oder sechs Jahren mit einer Halbierung der Zuwendungen aus Freiburg rechne. „Gleichzeitig aber“, gab Demmer zu bedenken, „müssen wir wachsen.“ Denn die sozialen Aufgaben wachsen.

Hornstein: „Bin entsetzt“

Günter Hornstein (CDU-Fraktionschef und Leiter des Polizeireviers Überlingen) sagte, dass er angesichts dieser Perspektiven „entsetzt“ sei. Nun sei es an der Kommunalpolitik, der Caritas bei der Erledigung ihrer für die Gesellschaft wichtigen Aufgaben „Sicherheit“ zu bieten. Die geleistete Präventionsarbeit sei immer noch günstiger als Folgekosten, die ein sozialer Unfriede verursache. Demmer sagte in diesem Zusammenhang, sie sei schon froh, wenn die Stadt die Finanzierung der Tafel vollständig übernehme. Der Fehlbedarf, den die Caritas deckt, liege im vierstelligen Bereich. Für Familienpflege und den Caritassozialdienst bezahle die Stadt bislang 3000 Euro pro Jahr.

OB Zeitler: Aufgabe des Kreises

Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) verwies bei der Schwerpunktaufgabe Allgemeiner Sozialdienst auf den Landkreis, der laut Sozialgesetzbuch für die Finanzierung zuständig sei. Insbesondere meinte er die Hilfe für Bewohner in den Notunterkünften, also für Wohnungslose, für deren räumliche Unterbringung die Stadt zuständig ist. Er bezeichnete es als „sehr schade“, dass der Allgemeine Sozialdienst vonseiten des Landkreises nicht hier vor Ort geleistet werde. An Fachleuten vor Ort fehle es nicht. Die Rechnung dafür müsse aber der Kreis zahlen. In dieser Frage gibt es einen Dissens mit dem Landratsamt. Und so forderte Zeitler die aus Überlingen kommenden Mitglieder des Kreistags dazu auf, Druck auf Landrat Lothar Wölfle (CDU) auszuüben.

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Fachbereichsleiter Raphael Wiedemer-Steidinger ergänzte, dass es Aufgabe sei, ein niederschwelliges Hilfsangebot aufzubauen. Helfer vor Ort müssten als „Brückenbauer“ fungieren, hin zu den Hilfsangeboten des Kreis-Sozialamtes. Es sei kein kreisspezifisches Problem, sondern ein bundesweites, dass 85 Prozent der Hilfeansprüche nicht in Anspruch genommen würden.

Robert Schwarz, Pressesprecher im Landratsamt, teilte auf Nachfrage mit: „Nicht jede Person, die in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht ist, benötigt Hilfen im Sinne des Sozialgesetzbuches, Paragraph 67.“ Um die Wohnungssuche müssten sich diese Personen selber kümmern. Bei psychisch erkrankten Personen könne der sozialpsychiatrische Dienst hinzugezogen werden. „Den Betroffenen stehen zudem die Beratungsstellen der Caritas in Friedrichshafen und Überlingen als Angebot zur Verfügung.“ Es sei ein „Netzwerk vorhanden“, so Schwarz.